Unter dem Messer des Operationsroboters

DaVinci-Operationsroboter. Bild: 2013 Intuitive Surgical, Inc

Nach einer Studie über Operationsroboter in den USA könnte die Komplikationsrate höher sein, als bislang offiziell bekannt ist, da vermutlich viele Komplikationen nicht gemeldet werden

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In der Beschreibung des kalifornischen Herstellers Intuitive Surgical Inc. klingt alles verführerisch, wenn man sich schon auf den OP-Tisch legen muss: "Durch den Einsatz des da Vinci®-Chirurgiesystems sind Chirurgen nun in der Lage, eine minimalinvasive Möglichkeit für komplizierte operative Eingriffe anzubieten. … Sie profitieren von den Vorteilen einer zuverlässigen Behandlung und zudem von der Möglichkeit, signifikant weniger Schmerzen zu haben, weniger lang im Krankenhaus sein zu müssen, schneller wieder Ihren täglichen Aktivitäten nachgehen zu können sowie von einem potenziell besseren klinischen Ergebnis. "

Wie sicher die 1,5-2,5 Millionen US-Dollar teuren, in den USA bereits weit verbreiteten Operationsroboter aber sind, ist nicht so ganz klar. Wie in einer im Journal for Healthcare Quality erschienene Studie festgestellt wurde, sind der dafür in den USA zuständigen Behörde FDA zwischen 2000 und 2012 nur 245 Komplikationen, dar unter 71 Todesfälle, gemeldet worden - unter etwa einer Million Operationen. Komplikationen müssen von Krankenhäusern innerhalb von 30 Tagen der Behörde gemeldet werden.

Das aber soll nicht immer geschehen, manchmal werden Komplikationen nicht korrekt, zu spät oder gar nicht gemeldet. Allerdings haben die Wissenschaftler durch einen Vergleich zwischen Medienberichten und FDA-Meldungen nur 8 Fälle gefunden, in denen die Meldung zu spät oder nicht korrekt erfolgte. Rätselraten herrscht, wie viele nicht gemeldet werden. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass Komplikationen häufiger vorkommen, gerade bei einer solch komplexen Technik. Eine frühere Studie sei zu dem Ergebnis gekommen, dass 57 Prozent von anonym befragten Chirurgen von unwiederherstellbaren Operationsschäden bei der Arbeit mit dem Roboter berichtet hätten und dass sie wieder zum offenen Eingriff oder zur Laparoskopie zurückgreifen mussten.

Die New York Times berichtet etwa von Erin Izumi, die wegen einer Endometriose 2009 mit einem Operationsroboter operiert wurden. Das ging aber schief, Mast- und Dickdarm waren während der Operation zerrissen worden, weswegen sie wochenlange weiter behandelt und vorübergehend ein künstlicher Darmausgang gelegt werden musste. Der Vorfall wurde vom Krankenhaus nicht gemeldet, der Hersteller soll erst durch die von Izumi erhobene Klage darauf aufmerksam gemacht worden sein. Es läuft ein weiterer Prozess, in dem dem Hersteller vorgeworfen wird, den Operationsroboter auch an Ärzte zu vermarkten, ohne diese ausreichend einzuweisen.

DaVinci-System. Bild: 2013 Intuitive Surgical, Inc

Es steigen in der letzten Zeit die Klagen wegen Komplikationen. Die FDA hat deswegen zu Beginn des Jahres begonnen, Ärzte zu befragen, nachdem seit 2009 Komplikationen anstiegen. Im Mai erklärte die FDA nach Bloomberg, dass nicht alle Komplikationen gemeldet worden seien, es wurden auch nicht alle Veränderungen gemeldet.

Im Juli ergab eine Überprüfung, dass sich die Zahl der Verletzungen während Operationen im ersten Halbjahr 2013 gegenüber demselben Zeitraum im Vorjahr verdoppelt hatte. Ebenfalls im Juli musste der Hersteller 30 ausgelieferte Systeme wieder zurückholen, weil sie nicht ausreichend getestet waren. 2012 wurden 367.000 Operationen mit dem System in 1.300 Kliniken ausgeführt, insgesamt sind 1400 Systeme im Einsatz. Zu den Problemen gesellte sich vor kurzem eine Studie, die nachwies, dass der Operationsroboter bei einer Hysterektomie keine Sicherheitsvorteile bietet, dafür aber um fast 2.200 US-Dollar teurer als eine normale Operation ist.

Es gibt keine genauen Informationen, wie sicher Operationsroboter sind

Der Chirurg Martin Makary, einer der Autoren der Studie, kritisiert, dass die Berichterstattung nicht unabhängig erfolgt und intransparent sei. Er fordert standardisierte Berichte, mit denen sich auch aufklären lassen könnte, welche Fehler auf den Roboter und welche auf den bedienenden Chirurgen zurückzuführen sind. Da die FDA nur direkt vom Roboter verursachte Komplikationen sammle, würden viele Komplikationen erst gar nicht gemeldet. Dem stimmt auch Diana Zuckerman, Präsidentin des National Research Center for Women and Families, zu, die nicht an der Studie beteiligt war. Die Meldungen an die FDA seien nur die "Spitze des Eisbergs". Genaue Informationen sind natürlich wichtig für die Forschung, die Krankenhäuser und die Patienten. Makary sagt, es sei noch unklar angesichts der Informationslage, wie sicher Operationsroboter wirklich sind: "Wir haben alle vermutet, dass die Antwort nicht Null-Risiko ist. Wir wissen immer noch nicht, was die wahre Antwort ist."

Angela Wonson von Intuitive Surgical weist die Studie zurück. Sie mache den "irreführenden Eindruck", die Firma habe "systematisch ihrer Verpflichtung nicht Genüge geleistet", die Komplikationen der FDA zu melden. Das aber treffe überhaupt nicht zu, vielmehr nehme man die Verpflichtung sehr ernst und unternehme alles, um "berichtbare Ereignisse zu belegen", auch wenn man sie über Medien erfahre. Die Zahl der Komplikationen sei mit der Zahl der Operationen zwar gestiegen, aber die Komplikationsraten seien niedrig geblieben.

Für Makary geht es bei den Operationsrobotern auch um ein allgemeines Problem des amerikanischen Gesundheitssystems. Es fehle eine angemessene Evaluation neuer Techniken: "Wir übernehmen neue Techniken, aber wissen nicht einmal, was wir für unser Geld bekommen - ob es gut oder schädlich ist."