Volksentscheid: Über 90 Prozent der Mandatsbewerber dafür, aber Bundestag dagegen

Kandidatencheck am Beispiel des Münchner Abgeordneten Peter Gauweiler (CSU)

Der Verein Mehr Demokratie präsentiert die Ergebnisse eines Kandidatenchecks

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In gut einer Woche ist Bundestagswahl. Viele Wähler können sich an diesem Termin nicht für eine Partei entscheiden, weil alle angebotene Politikpakete Elemente enthalten, mit denen sie nicht einverstanden sind. So halten beispielsweise viele Bürger Sabine Leutheusser-Schnarrenberger für eine deutlich bessere Justizministerin als ihre Vorgängerin Brigitte Zypries, fürchten aber im Falle einer erneuten Regierungsbeteiligung der FDP eine Privatisierung der Krankenversicherung. Andere Wähler schätzen vielleicht die europapolitischen Positionen der Alternative für Deutschland (AFD), teilen aber Konrad Adams Forderung einer massiven Mehrbesteuerung von Kinderlosen nicht. Wieder andere neigen möglicherweise in Sachen Netzpolitik den Piraten zu, schrecken aber vor wenig mehrheitsfähigen Positionen in anderen Politikfeldern zurück.

Abhilfe könnte hier ein fakultatives Referendum schaffen, das den Bürgern die Möglichkeit einer Korrektur einzelner Positionen der gewählten Parteien gibt: Wer per Volksabstimmung darüber entscheiden darf, ob es wirklich einen fleischfreien Tag in der Kantine gibt, wenn die Parteien im Bundestag das beschließen, der muss keinen Veggie Day fürchten.

Der Verein Mehr Demokratie hat deshalb 1.994 Bundestagskandidaten aus 16 Parteien zu ihrer Haltung zu solchen fakultativen Referenden befragt, mit denen das Volk Entscheidungen von Parlamenten überprüft. Außerdem wollte man von den Bewerbern verbindliche Aussagen über ihre Position zur Einführung von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden auf Bundesebene und zu obligatorischen Referenden bei Grundgesetzänderungen oder bei der Abgabe von Souveränitätsrechten auf die europäische Ebene.

1.402 der angeschriebenen Kandidaten antworteten auf diese Fragen. Daraus entstand eine Kandidatencheck-Datenbank, mit der ein Wähler durch die Angabe seiner Postleitzahl oder eines Kandidatennamens herausfinden kann, wie ein Politiker über diese Fragen denkt.

Zusätzlich veröffentlichte der Verein gestern einige Zahlen aus einer statistischen Auswertung der Kandidatenbefragung, die auf den ersten Blick überraschen: Es sprechen sich nämlich über 90 Prozent der Teilnehmer für die Einführung von Volksentscheiden auf Bundesebene aus. Warum, fragt man sich angesichts dieser Zahl, gibt es dann noch keinen bundesweiten Volksentscheid? Der Grund dafür liegt darin, dass die Kandidaten von CDU und CSU – anders als die Mehrheit der anderen im Bundestag vertretenen Parteien – solchen direktdemokratischen Instrumenten mehrheitlich skeptisch gegenüberstehen, obwohl in Meinungsumfragen auch 60 Prozent der Unionswähler bundesweite Volksentscheide fordern.

Deshalb, so Mehr Demokratie, weisen CDU und CSU mit 43 Prozent auch eine deutlich niedrigere Teilnahmequote auf als andere Parteien: Viele Kandidaten wollten sich offenbar nicht mit einer expliziten Stellungnahme zu einer Position belasten, die beim Wähler eher nicht gut ankommt. Allerdings ist die Union kein monolithischer Block: Von den CDU-Kandidaten, die an der Befragung teilnahmen, ist eine Minderheit von immerhin 19 Prozent für bundesweite Volksentscheide, bei der CSU sind es sogar 32 Prozent. Sehr uneins sind sich die beiden Schwesterparteien bei der Frage nach zwingenden Referenden bei der Übertragung von Hoheitsrechten an die Europäische Union: Hier sind 77 Prozent der CSU-Kandidaten dafür, aber nur 17 Prozent von der CDU.

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