Deutsche Autobahnen nur für Deutsche

Im aktuellen Bundestagswahlkampf erlebt der neue deutsche Rechtspopulismus seinen gesellschaftlichen Durchbruch

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Es wird knapp werden für die Alternative für Deutschland (AfD) am kommenden Sonntag - da helfen selbst Wahlempfehlungen von solch honorigen Geistesgrößen wie dem Rapper Bushido nur wenig. Die Rechtspopulisten liegen immer noch bei vielen Umfragen unter der Fünf-Prozent-Hürde. Zudem darf AfD-Chef Bernd Lucke nach einer einstweiligen Verfügung des Landgerichts Köln nicht mehr behaupten, die Meinungsforscher von Forsa würden seine Partei "kleinrechnen".

Die Empörung der Rechtsausleger über den Unwillen der Demoskopie, ihnen das angestrebte Wahlergebnis zu prognostizieren, wird vollauf verständlich, wenn man die Vorzugsbehandlung bedenkt, die sie seitens vieler Massenmedien erfahren - und die längst für eine Selbstverständlichkeit erachtet wird. Während Lucke sich über das "Kleinrechnen" Forsas empörte, bemühen sich viele rechtsorientierte Zeitungen gerade in der heißen Wahlkampfphase, durch eine breite Berichterstattung über die AfD diese auf Biegen und Brechen in den Bundestag hineinzuschreiben.

Es sind vor allem konservative Massenblätter wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) und Die Welt, sowie bezeichnenderweise Wirtschaftszeitungen wie das Handelsblatt oder die Wirtschaftswoche, die den Rechtspopulisten immer wieder ein Forum für ihre wirren und menschenfeindlichen Thesen bieten.

Wir wollen unseren Kaiser wiederhaben

Es ist zumindest die gute alte Kaiserzeit, zu der die buchstäblichen Reaktionäre der AfD zurückkehren wollen - zumindest in der Außenpolitik. Die FAZ und Die Welt haben ihrer Leserschaft allen Ernstes die - vorsichtig formuliert - anachronistischen außenpolitischen Ideen der AfD nähergebracht, die sich an der Politik Bismarcks orientieren sollen. Hierbei sollen "nationale Interessen" Deutschlands stärker definiert werden (FAZ). Die Welt wird in noch deutlicher: "Im Kern" gehe es der AfD darum, ein neues "Selbstbewusstsein" der Bundesrepublik zu propagieren und "ohne Scheu nationale Interessen zu formulieren und diese auf internationalem Parkett selbstbewusst zu vertreten". Der außenpolitische Sprecher der AfD Gauland kam dabei nicht umhin, den obligatorischen Naziverweis zu bringen, um eine Rückkehr zum kaum verhohlenen außenpolitischen Chauvinismus zu rechtfertigen: "Wir Deutsche neigen dazu, nach den Erfahrungen der Hitler-Jahre die Definition und Verfolgung nationaler Interessen per se für etwas Schlechtes zu halten." An solchen Aussagen, die die Bundesrepublik immer noch als Opfer einer selbst auferlegten außenpolitischen Handlungsunfähigkeit halluzinieren, wird das brandgefährliche geschlossene ideologische Wahnsystem der AfD deutlich. Denn selbstverständlich ist Berlin gerade wegen seiner rücksichtslosen Machtpolitik in der Eurokrise zu der bestimmenden Großmacht Europas aufgestiegen, wie etwa der Economist in seiner Wahlempfehlung für Merkel ("Eine Frau, sie alle zu knechten") bemerkte. Dieselbe Welt, in der die AfD über einen Mangel deutschen "Selbstbewusstseins" fantasierte, veröffentlichte vor wenigen Monaten die Klagen europäischer Diplomaten über das rüde Vorgehen Merkels und Schäubles während der Eurokrise, nachdem der Niederländer Jeroen Dijsselbloem zum Vorsitzenden der Eurogruppe ernannt wurde:

Geradezu verbittert schildert ein langjähriges Mitglied der Euro-Arbeitsgruppe, des Kreises der Finanzstaatssekretäre, die aktuellen Machtverhältnisse. "Deutschland und die EZB schmeißen zunehmend den Laden in der Euro-Gruppe, aber das war auch schon so, bevor Dijsselbloem übernommen hat." Die "Hegemonie" der Deutschen sei schon in den vergangenen beiden Jahren gewachsen und werde Tag für Tag stärker. Die EU-Kommission versuche, dem etwas entgegenzusetzen. Und Dijsselbloem sei bewusst ausgewählt worden als Nachfolger des Luxemburgers Jean-Claude Juncker an der Spitze der Euro-Gruppe, weil er noch ein politisches Leichtgewicht sei und von Schäuble gesteuert werden könne.

Während Berlin ganz Europa sein Spardiktat oktroyiert (Das großgehungerte Deutschland) und selbst in Brüssel die rücksichtslose deutsche Hegemonialpolitik beklagt wird, imaginieren die ideologischen Querschläger der AfD die Bundesrepublik als ein Land, das seine nationalen Interessen nicht wahrnehmen könne. Eine solche Haltung der AfD, der eine rabiate deutsche Machtpolitik nicht "selbstbewusst" genug ist, kann mit gutem Grund als extremistisch bezeichnet werden. Sie ist aber auch Ausdruck eines allgemein in Deutschland anschwellenden Chauvinismus, der eine offene stärkere Betonung "nationaler Interessen" in der deutschen Außenpolitik herbeisehnt. Vielleicht ist die von der AfD intendierte Rückbesinnung auf die Bismarck-Ära im Rahmen ihrer wirren Ideologie auch stimmig, war es doch nicht zuletzt die "selbstbewusste Vertretung der nationalen Interessen" in der seligen Kaiserzeit, in deren Gefolge Europa in die Schützengräben des Ersten Weltkrieges getrieben wurde.

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