Made in Germany und Swiss made

Was eine Herkunftsbezeichnung aussagt - und was nicht

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Made in Germany geht als Auszeichnung auf den britischen Merchandise Marks Act von 1887 zurück, der Kunden auf der Insel vor billigen deutschen Kopien der Messer und Scheren aus Sheffield schützen sollte. Die Auszeichnung wurde somit vom importierenden Land gefordert und nicht vom Herstellerland definiert. War die deutsche Industrie anfangs vielfach mit Kopien britischer Waren erfolgreich, so sorgten deutsche Ingenieure und Erfinder bald für Ware, die sich durch ihre Qualität auszeichnete und so wurde das Made in Germany zur Qualitätsauszeichnung. Es blieb der Mangel, dass es für Made in Germany keinen klaren und eindeutigen rechtlichen Rahmen gibt.

Heute ranken sich viele Mythen um die Herkunftsbezeichnung und mancher Hersteller argumentiert, dass seine Produkte Made in Germany sind, weil sie zu mehr als 50% in Deutschland produziert würden. Andere beziehen vormontierte Komponenten aus dem Ausland und lassen diese nur noch in Deutschland zusammenfügen, justieren und verpacken. Da es sich bei dem Made in Germany um eine Selbstdeklaration des Herstellers handelt, wird er diese auch in grenzwertigen Fällen nutzen, solange ihm niemand eine Irreführung des Verbrauchers nachweisen kann.

"Made in Germany". Bild: Christoph Jehle

Im Rahmen der globalisierten Wirtschaft, wo Halbfertigprodukte und Komponenten um die halbe Welt verschifft werden und bei Standard-Bauteilen auch aus unterschiedlichen Ländern stammen können, kann der Nachweis der mehrheitlichen Fertigung in Deutschland durchaus problematisch sein und muss letztlich vor Gericht entschieden werden. Die Rechtsprechung in diesem Zusammenhang ist allerdings nicht einheitlich. Und allfällige angebotene Zertifizierer scheinen ihr Geld auch nicht Wert zu sein, sofern sie sich auf gesetzliche Rahmenbedingen beziehen, die es in Deutschland nicht gibt. Wenn nun ein Unternehmen in China Ware anbietet, die fälschlich mit Made in Germany ausgezeichnet ist, kann nur vor chinesischen Gerichten nach chinesischem Recht dagegen vorgegangen werden. Ein klare Definition der Herkunftsbezeichnung in deutschen Gesetzen wäre da jedoch durchaus von Vorteil.

Dummerweise gibt es nicht einmal innerhalb der EU ein einheitliches Verständnis hinsichtlich der Herkunftsbezeichnung. In Frankreich wird ein lokaler Anteil der Produktion von 45% als ausreichend für ein Made in France angesehen. Zur Förderung der heimischen Industrie hatte die französische Regierung im vergangenen Jahr eine Promotion-Kampagne für Made in France gestartet, die ihr derzeit auf die Füße fällt, weil einerseits auch viele französische Konzerne einen mehr oder weniger großen Teil ihres Warensortiments in Billiglohnländern produzieren lassen, und weil andererseits beklagt wird, das französische Waren vergleichsweise teuer wären und nach einer Studie des Centre d'Etudes Prospectives et d'Informations Internationales ((CEPII) der durchschnittliche Haushalt bei einem konsequenten Kauf französischer Waren monatlich 100 bis 300 Euro Mehrkosten hätte. Nicht untersucht wurde, welche Mehrkosten für den einzelnen Haushalt anfallen, wenn die Zahl der Arbeitslosen in Frankreich weiter steigt.

Während in Frankreich darum gestritten wird, ob Franzosen besser lokale oder billige Ware kaufen, ist man in der Schweiz seit dem Sommer diesen Jahres schon deutlich weiter: "Made in Switzerland" oder "Swiss made" (das in seiner Kürze auch auf die Zifferblätter Schweizer Uhren passt) ist inzwischen gesetzlich klar definiert. Dabei hat man sich weitgehend pragmatisch an der Realität orientiert. Schweizer Schokolade muss in der Schweiz produziert werden und darf Kakao enthalten (der nicht in der Schweiz hergestellt wurde, weil es Kakaopflanzen in der Schweiz höchstens in botanischen Gärten gibt). Milch und Milchprodukte müssen vollständig in der Schweiz hergestellt werden, Schlachtvieh muss mindestens die Hälfte seines Lebens in der Schweiz verbracht haben und bei anderen landwirtschaftlichen Produkten müssen 80% des Gewichts aus der Produktion in der Schweiz stammen. Bei industriellen Produkten müssen 60% der Kosten in der Schweiz angefallen sein, um genügend Swissness zu besitzen, um als Swiss made zu gelten.

Bei der Berechnung der Anteile werden die Kosten für Fabrikation und Zusammensetzung berücksichtigt sowie die Kosten für Forschung und Entwicklung sowie die Aufwendungen für gesetzlich vorgeschriebene oder branchenweit einheitlich geregelte Qualitätssicherung und Zertifizierung. Fixiert sind die Details im schweizerischen Bundesgesetz über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben. Die Anrechnung von Entwicklungskosten ging auf den Wunsch der Schweizer Uhrenindustrie zurück. Kleinere Hersteller sehen den Grenzwert eher kritisch, weil Forschungskosten dort meist weniger zu Buche schlagen.

In der EU versucht man derzeit das Thema der Herkunftsbezeichnungen im Rahmen einer Verordnung über die Sicherheit von Verbraucherprodukten anzugehen. Im aktuellen Vorschlag für diese Verordnung fordert Artikel 7 eine Angabe des Ursprungs auf dem Produkt oder (falls dies zu klein ist), auf der Verpackung oder den beigefügten Dokumenten. Für die Bestimmung des Ursprungslandes gelten die Regeln über den nicht präferentiellen Ursprung in den Artikeln 23 bis 25 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften gelten. Bei Waren aus einem EU-Mitgliedsland soll als Herkunftsangabe auch die Europäische Union zulässig sein, was all den Herstellern nicht nützt, die ihre Waren in die USA exportieren, weil die USA Made in EU nicht als Herkunftsbezeichnung anerkennen. Ein Nutzen für die Produktsicherheit durch eine Herkunftskennzeichnung auf der Basis des derzeitigen Zollrechts erscheint bei reiflicher Überlegung nicht wirklich zielführend. Und so wird man hinsichtlich eine klareren Bestimmung der Herkunftsbezeichnung wohl auf die Neufassung des europäischen Zollrechts warten, das für 2016 vorgesehen ist. Solange bleibt die Deklaration des Herkunftslandes zumindest bei Made in Germany den Vorstellungen der jeweiligen Hersteller und den Gerichten überlassen.