Aus der Maulwurf

Nicht nur private Medienunternehmen mahnen Fanseiten ab

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Der Westdeutsche Rundfunk Köln macht sich mal wieder im Web unbeliebt: Eine sehr nett gestaltete Fansite über den kleinen Maulwurf erbost den Künstler Zdenek Miler, vertreten durch die Rechtsanwältin Milena Fischerová, wiederum vertreten durch die WDR Mediagroup

Am aggressivsten ist der Westdeutsche Rundfunk Köln in Sachen Marken- und Wettbewerbsrecht: Dann müssen innerhalb 51 Stunden fremde E-Mails auch privaten und vertraulichen Inhalts dem Sender resp. seinem Intendanten übergeben werden. Will man dies nicht, um die nichtsahnenden Absender der E-Mails vor der drohenden öffentlichen Entblößung im Fernsehen zu schützen, so wird es sehr teuer: Das Markenrecht steht zwar nicht nach den Buchstaben des Gesetzes, doch sehr wohl in der Anwendung der praktischen Rechtssprechung über dem Brief- und Fernmeldegeheimnis nach Absatz 10 des Grundgesetzes – bei Streitwerten von einer halben Million und mehr kann sich schließlich kein Normalbürger mehr gegen das höher gewertete öffentliche Informationsbedürfnis der Sendeanstalten wehren.

Darüber darf aber nicht vergessen werden, dass das Urheberrecht ein noch viel häufigerer Grund dafür ist, dass der Sender seine Rechtsabteilung aktiviert ("Urheberrecht ist ein schweres Schaf…!"). Teils im eigenen Auftrag, teils auch in fremdem Auftrag.

Für solche Streitigkeiten sind zwar eher die Privatsender und ihre Produktionsgesellschaften bekannt geworden, als beispielsweise der Produzent Endemol Big-Brother-Fansites abmahnen ließ, die Material aus dem Umfeld der Sendungen verwendet hatten oder ein Fan von "Genial daneben" die Redaktion der Sendung durch das Veröffentlichen bereits gestellter Fragen entlasten wollte. Doch auf der öffentlich-rechtlichen Seite wird genauso oft gegen Urheberrechtsverletzungen vorgegangen. Vom Westdeutschen Rundfunk Köln sind hier unter anderem bekannt: die Entfernung von Maus und Elefant von einer Parodieseite im Maus-Stil und das Vorgehen gegen Schnappi-Fansites zusammen mit der Musikindustrie, die das Krokodil-Lied (Schnappi – das Musikkrokodil im Winterloch) gespeichert hatten und so bekannt machten. Beide Fälle gingen im Vergleich zu den Streitigkeiten im Markenrechtsbereich relativ glimpflich ab: Die Parodieseite kam ohne zusätzliche Kosten oder Prozesse davon, die Schnappi-Fans mussten 372,16 Euro zahlen, was gegenüber dem Standardtarif der Musikbranche von 5000 Euro (Das neue Geschäftsmodell der Plattenindustrie?) tatsächlich als Schnappi-Schnäppchen zu gelten hat.

Ein neuer derartiger Fall empört aktuell wieder die Webgemeinde. Diesmal geht es weder um Maus noch Elefant, diesmal ist der Maulwurf böse: Die liebevoll gestaltete Fansite Krtek – Der kleine Maulwurf über den kleinen Maulwurf und seinen Zeichner Zdenek Miler hat juristische Post aus Köln enthalten. Zwar hat ihre Urheberin im Herbst 2004 bei der Gründung der Website brav den tschechischen Künstler Zdenek Miler bzw. seine Rechtsanwältin Milena Fischerová um Erlaubnis gefragt, dabei den kleinen Maulwurf abzubilden und weiterzubearbeiten zu dürfen. Doch diese schwiegen.

Direkt in der Anfangsphase habe ich versucht, alle schlafenden Hunde zu wecken, die es zu wecken galt und mich somit sogar direkt an die Kratky Filmstudios gewandt. Dort erhielt ich dann auch die Kontaktadresse von Herrn Milers Anwältin Frau Fischerowa. Ich habe Frau Fischerowa unverzüglich auf das Webangebot aufmerksam gemacht, um eben jede etwaige Schwierigkeit, die es lizenzrechtlich geben könnte im Keim zu ersticken, bevor ich weitere Zeit und Kosten investiere. Damit wollte ich ganz klar zum Ausdruck bringen, dass ich nichts Widerrechtliches vorhabe.

Nachdem ich monatelang nichts Gegenteiliges hörte, empfand ich das als stillschweigende Duldung und investierte viel Zeit und Herzblut in den Ausbau der Seite. Die hohen Zugriffszahlen gaben mir Recht, dass unser kleiner Freund sehr gefragt ist und ich gab mir alle Mühe ihm ein angemessenes Zuhause zu geben.

Außerdem hatte ich mittlerweile Unmengen an Webseiten vom Maulwurf gefunden und wieso sollte ich nicht dürfen was andere dürfen?

Im Februar bekam ich dann plötzlich unangenehme Post von Westdeutschen Rundfunk. Sie forderten das sofortige Abschalten der Webseite mit allen Inhalten. Das war wie ein Schlag in die Magengrube für mich und ich war wirklich am Boden zerstört. Ich war mir keiner Schuld bewusst - im Gegenteil, hatte ich doch bei vielen Erinnerungen (und damit auch die Kauflust von Merchandisingartikeln) geweckt. Bis nach Finnland habe ich den WDR Mausshop vermittelt ...

Claudia Simon
Die ehemalige Maulwurf-Fansite

Stattdessen kam im Februar 2005 das erste „nein“ aus Köln von der WDR Mediagroup, die früher unter Westdeutsches Werbefernsehen WWF Köln firmierte, bis es wohl Probleme mit dem World Wildlife Fund gab. Claudia Simon, die seit ihrer Kindheit ein großer Fan des Maulwurfs und seines Zeichners war, wollte jedoch nicht glauben, dass dieser, dem sie schon öfters geschrieben hatte, wirklich gegen ihre Website ist. Nun hat sie es schriftlich:

Ich bevollmächtige Sie, Frau Dr. Fischerová, hiermit nochmals, alle weiteren nötigen rechtlichen Schritte gegen die unerlaubte Online-Nutzung meiner urheberrechtlich geschützten Werke, insbesondere durch Frau Claudia Simon, zu veranlassen und die Rechtsabteilung der WDR Mediagroup GmbH […] rechtlich und gegebenenfalls auch gerichtlich vorzugehen und meine Ansprüche aus § 97 UrhG gegen Frau Claudia Simon geltend zu machen.

Zdenek Miler, Prag

Immerhin: Trotz mittlerweile dreimonatigem Schriftwechsel hat der Sender im Gegensatz zu seiner sonstigen Praxis weder Abmahngebühren verlangt noch externe Anwälte eingeschaltet, um die Kosten hochzutreiben noch eine einstweilige Verfügung erlassen. Doch steht die Drohung im Raum, Schadensersatz in unbekannter Höhe zahlen zu müssen und die Juristen der WDR Mediagroup schreiben auch deutlich „Die Geduld von Herrn Miler und Frau Fischerová sowie unsere ist nun am Ende“.

Die Maulwurf-Fansite wird deshalb abgesehen vom Forum am Montag den 9. Mai spätestens um 12 Uhr mittags in den Internet-Himmel eingehen und Claudia Simon sagte im Interview mit Telepolis, sie werde in ihrem Leben auch bestimmt keine Fansite mehr ins Netz stellen, auch wenn sich Fans im Ausland bereits anboten, die Site weiter zu führen. Doch im illegalen Untergrund abtauchen zu müssen, das ist dem größten Fan zuviel. Sie ist von Zdenek Miler enttäuscht, dem sie erst vor ein paar Monaten eine acht Wochen lang von Fans aus Deutschland, Österreich und der Schweiz unterzeichnete Glückwunschkarte zum 84. Geburtstag geschickt hatte. Das Dankeschön für ihre Postkarte hat sie nun aus Köln erhalten.

Zdenek Milers berühmteste Figur, der kleine Maulwurf Krtek, wurde auch das Motiv der Kinderbriefmarke 2002 der Tschechischen Republik

Den kleinen Maulwurf gibt es in über 80 Ländern. Auf der Website von Claudia Simon waren neben den strittigen Bildern und deutschen Texten auch solche auf Englisch, Finnisch, Französisch, Tschechisch, Ungarisch, Italienisch, Spanisch und Russisch zu finden. Krtek ist das tschechische Wort für „Maulwurf“.

Die Fans der Fansite versuchen derweil, mit Briefen an den Intendanten des Westdeutschen Rundfunks Fritz Pleitgen noch einen Aufschub zu erreichen. Doch wird dieser jeglichen Bericht über den Vorfall – auch diesen – nur als kostenlose PR für seinen Sender sehen, im Gegensatz zu seinen Mitarbeitern ("Keiner mag uns!") macht er sich um seinen Ruf keine Sorgen. Und ist in diesem Fall auch nur ausführendes Organ, doch nicht Urheber des Rechtsstreits.

Man kann schon Fan sein, aber man sollte es besser nicht allzu öffentlich zeigen – und schon gar nicht im WWW. Man lernt sonst nämlich unter Umständen die dunkle Seite seines Idols kennen, das man so bekannt macht. Was übrigens nicht einmal persönlich gemeint sein muss, sondern um keinen Präzedenzfall zu schaffen, denn wo heute noch eine private, absolut lieb gemeinte Fansite den Maulwurf zeigt, könnte morgen eine Dialersite versuchen, Kinder mit dem bekannten Charakter abzuzocken, der ja auch schon als Symbolfigur – sicher ebenfalls nicht im Sinne seines Erfinders – als Spion Online-Initiativen unterwandert und so andere Abgemahnte ausgehorcht und bedroht und ihnen noch mehr Leid zugefügt hat.