Eine "ideale" Waffe für den Stadtkampf

Die US-Armee hat Prototypen eines Präzisionsgewehrs für die Tötung von Gegnern in Gebäuden mit thermobarischen oder Air-bursting-Geschossen zum Test erhalten

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Verlässlich ist der Forschritt vor allem in der Rüstungstechnologie. Selbstbehauptung und Machterhalt sorgen für Kreativität bei der Zerstörung. Die derzeit überall boomende Sicherheits- und Rüstungsbranche verschlingt nicht nur ungeheure Mengen an Geld, das oft genug (Raketenabwehr, Meads, Future Combat System) wenig effizient umgesetzt wird. Es wird viel versprochen und viel geglaubt, schließlich geht es ums Überleben und um den unbedingten Vorsprung im technischen Hochrüsten. Für den Stadtkampf wurde beispielsweise wieder einmal eine neue Waffe vorgestellt.

Die Schlachtfelder der Zukunft sind, der Irak bestätigt dies, die Städte. Hier können sich Aufständische, Terroristen und Gangs in der Masse der Menschen und Gebäude verstecken, plötzlich auftauchen, einen Anschlag oder einen Überfall ausführen und wieder untertauchen. Die staatlichen oder transnationalen Kräfte, die von der Öffentlichkeit und den Medien beobachtet werden, auf Anerkennung achten müssen und verhindern wollen, dass der Widerstand angefacht wird, müssen Gewalt gezielt anwenden, um Opfer unter Zivilisten oder Unbeteiligten möglichst zu minimieren (oder dies allenfalls unter Ausschluss der Medienöffentlichkeit machen).

XM25

Aus diesem Grund sind "Präzisionswaffen" aller Art für den Kampf in den Städten wichtig, mit denen "Kollateralschaden", also die Tötung oder Verletzung von unbeteiligten Menschen, vermieden werden soll. Gegner können in Gebäuden Schutz suchen oder sich verschanzen. Mit Gewehren alleine kann eine Erstürmung eine riskante Angelegenheit sein, zumal wenn die nichttödlichen Waffen wie Schock- und Blendgranaten, Tränengas oder auch chemische Kampfstoffe zur Betäubung nicht vorhanden oder wirksam sind. "Präzisionsbomben" verbieten sich manchmal in dicht besiedelten Gebieten, vor allem wenn sich in dem Gebäude noch andere Menschen aufhalten. Mit Panzern vorzurücken und Granaten abzufeuern ist zwar wirksam, wie dies etwa bei der Tötung der Hussein-Söhne geschehen ist, aber kann ebenfalls nicht geraten sein.

Eine Alternative zwischen der Anwendung überwältigender Gewalt und von herkömmlichen Schusswaffen könnte das Waffensystem XM25 des Rüstungskonzerns Alliant Techsystems darstellen – zumindest soll es so verkauft werden. Gerade hat die US-Armee sechs Prototypen des neuartigen Gewehrs zum Testen erhalten, mit dem sich Gegner in Räumen töten oder ausschalten lassen.

Das Prinzip der Waffe ist, dass damit 25mm-Munition über eine Entfernung bis zu 500 Metern abgeschossen werden kann, die nicht erst explodiert, wenn sie auf einen Widerstand trifft, sondern dies in einer zuvor festgelegten Entfernung macht. Der Besitzer der Waffe zielt auf den Gegner und betätigt dabei einen Laser-Entfernungsmesser. Dann wird ein geeigneter Zielpunkt berechnet, auf den das Gewehr gerichtet werden muss. Die mit einem Chip ausgestattete Munition enthält einen programmierbaren Zünder und explodiert genau in der vorprogrammierten Entfernung.

Mit solchen Geschossen muss der Gegner nicht direkt getroffen werden. Alliant Technologies wirbt für das Produkt, dass damit die "hit-to-kill"-Leistung des Soldaten um 500 % verbessert werde. Mit der Waffe lassen sich nicht nur "Air-bursting"-Geschosse abschießen, sondern auch nichttödliche, aber nicht näher benannte Ladungen oder thermobarische Munition. Dabei handelt es sich um Benzin-Luft-Gemische, die bei der Explosion eine tödliche Druckwelle in der Umgebung verursachen und Verbrennungen bewirken.

Thermobarische Bomben wurden beispielsweise während des Afghanistan-Kriegs zur Vernichtung möglicher al-Quaida-Kämpfer eingesetzt, die sich in den Höhlensystemen von Tora Bora aufgehalten haben (War Games 2002). Bei thermobarischen Bomben wird durch eine erste Explosion das Benzin-Luft-Gemisch in einem abgeschlossenen Raum freigesetzt und verteilt, mit einem zweiten Zünder wird dann das Gemisch zur Explosion gebracht. Die Schockwelle kann direkt töten, das darauf folgende Vakuum die Lungen zerreißen, die Flammen können die Menschen töten, die Gase zur Vergiftung führen.

Auch die thermobarische Munition bei XM25 setzt erst ein explosives Gemisch in der Luft frei, das sich überall in einem Raum verbreitet und dann entzündet wird. Die gewaltige Druckwelle geht ebenso um alle Ecken wie die Feuerwand, die sich relativ langsam und desto gefährlicher verbreitet. Wenn das Feuer erlischt und die in einem Raum befindlichen Menschen weder von den Flammen noch von der Druckwelle getötet wurden, dann droht ihnen das Ersticken in dem darauf folgenden Vakuum, weil die Explosion den Sauerstoff aufgezehrt hat.

Die ersten Tests seien sehr "überzeugend" gewesen, sagt ein Armee-Sprecher. Alliant Techsystems preist XM25 als ideale Waffe für den Stadtkampf an:

Sie bringt präzise Feuerkraft in die Hände des Soldaten und ermöglicht es ihm, Drohungen zu eliminieren, ohne signifikanten Kollateralschaden zu verursachen.

Nicht nur diese Waffen, die ja in Zukunft nicht nur Soldaten verwenden werden, sollten sie "effizient" sein, auch die Sprache, mit der sie angepriesen werden, ist erschreckend. Menschliche Gegner werden zu "threats", die egal wie eliminiert werden, das aber geschieht gewissermaßen noch als eine humanitäre Maßnahme, schließlich vermeidet man angeblich "signifikanten Kollateralschaden", womit man auch wieder vermieden hat, von Menschen zu sprechen.