"Wir sind Papst" hat ein juristisches Nachspiel

Die Titelzeile der Bild fand große Beachtung, stolz verwies die Zeitung auf ihren "Kult"-Titel und veröffentlichte dazu Fotos, die nun zu Problemen wurden

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Mit ihrer Titelzeile "Wir sind Papst" zur Wahl des gleichnamigen erzielte die Bild-Zeitung ein großes Echo (Das ist der Wahnsinn!). Viele nahmen sie zum Anlass für einen Kommentar, wie zum Beispiel die FAZ. Der Spiegel veröffentlichte das Titelblatt der Bild neben anderen zum gleichen Thema in einer Fotogalerie

Auch bei Malcom Bunge führte die Bildüberschrift zu einer Reaktion. Wie die Braunschweiger Zeitung berichtet, war sie eine "Bauchentscheidung": Er bemalte seinen Bauch mit der Titelzeile der Bild-Zeitung, fotografierte ihn und stellte das Bild, gepaart mit der Aufforderung, es ihm gleich zu tun und ihm "Wir sind Papst"-Bilder zu schicken, auf seine Webseite.

Die eingesandten Fotos waren offensichtlich nicht nur zahlreich, sondern fanden auch Beachtung bei dem Urheber des Papstschlachtrufes. Am 27. April veröffentlichte die Bild-Zeitung ihren Artikel: Eine Schlagzeile wird Kult (nur noch im Google-Cache vorhanden oder noch hier) – mit einem von Stolz zeugendem Zitat von Oscar Wilde: "Nachahmung ist die höchste Form der Anerkennung." Neben dem Musiksender VIVA und der Frankfurter Rundschau wird als Beleg für diese Behauptung die Fotoaktion auf "eye said it before" genannt und Bilder aus ihr in der Zeitung veröffentlicht. Die Abbildung von zwei der sechs gezeigten Fotos beschäftigt nun die Anwälte.

Das eine Bild zeigt das Gesicht einer jungen Frau neben einem Plakat, auf dem in schwarz ein "Wir", in rot ein "SIND" und in gold beziehungsweise gelb ein "PAPST" zu lesen ist. Im Kontext der "eye said it before"-Aktion wirkt das Foto wie eine satirische visuelle Konkretisierung der Bild-Titelzeile. Die Bild gab dem Foto in ihrem Artikel allerdings die Bildunterschrift: "Blonder Papst-Gruß mit Schlagzeile in Schwarz, Rot, Gold (gelb)". Die in der Bild-Zeitung abgebildete Frau wandte sich an Düsseldorfer Anwalt Udo Vetter.

In seinem im Internet veröffentlichten Schreiben an den Springer Verlag sind zwar alle Hinweise auf seine Kanzlei und die Mandantin gelöscht, allerdings bestätigte Vetter Telepolis telefonisch dessen Authentizität. Im Namen ihrer Mandantin erhebt Anwalt Vetter einerseits Schadensersatzansprüche, weil das Foto ohne ihre Einwilligung verwendet worden sei, andererseits Schmerzensgeld, weil die Abbildung ihrer Person für Eigen-PR missbraucht wurde und die Bildunterschrift "blonder Papst-Gruß" verunglimpfend sei. Für die Zahlung von Honorar, Schmerzensgeld und die Zustellung einer Unterlassungserklärung wurde dem Springer-Verlag eine Frist bis zum 11. Mai gesetzt. Die Bild-Zeitung hat die Online-Version ihres Artikels vom 27. April am Montagnachmittag von ihren Seiten genommen.

Das zweite Foto des Artikels mit juristischen Implikationen zeigt eine Brücke, auf deren Geländer die Worte "Wir sind Papst" gesprayt wurden. Bild untertitelt folgerichtig: "Sprayer sprühen es an Wände und Brücken: Wir sind Papst." Bei dem Foto handelt es sich allerdings um eine Montage, hergestellt mit der Software "Letter James, mit der beliebige Texte so auf Bildern dargestellt werden können, dass diese wie handgemalt aussehen. Wissentlich oder unwissentlich bestätigt die Bild-Zeitung mit ihrer Bildunterschrift, dass "Letter James" sein Handwerk diesbezüglich beherrscht. Allerdings dürfen mit Letter James erzeuge Fotos kommerziell nur gegen Gebühr verwendet werden.

Gerhard Märtterer, Geschäftsführer des für den Betrieb der "Letter James"-Dienste verantwortlichen Unternehmens i-clue sagte zu Telepolis, dass es im Falle der Veröffentlichung des Fotos im Rahmen der "eye said it before"-Papstaktion sicherlich bei vorheriger Anfrage auch eine entgeltfreie Verwendung hätte werden können - mit der Auflage, auf dem Bild entsprechende Urheberrechte anzubringen. Allerdings gab es eine solche Anfrage im Vorfeld nicht. Und der Hinweis auf die Urheberrechte fehlte auch. Da die Bild-Zeitung wiederum ungefragt das Foto nun durch ihren Artikel in Millionenauflage verbreitet hat, lässt Märtterer die Urheberrechtsfrage nun juristisch prüfen.

Dabei bleibt abzuwarten, wer am Ende den größeren Anteil am eventuellen Urheberrechtsschaden verursacht hat: die Wettbewerbsteilnehmer oder der Springer-Verlag. Märtterer bestätigte übrigens auch, dass seine Software bereits Gegenstand eines Artikels im Hause Springer war: Die Computerbild zeige in ihrer Ausgabe 5/2004 vom 23.2.2004 das gleiche Foto, allerdings las man auf der Brücke damals eine durch gemalte Herzen eingerahmte Liebesbotschaft an die Computerzeitung.