Brasilien lehnt US-Gelder zur Aids-Bekämpfung ab

Den Brasilianern gingen die mit der Hilfe verbundenen moralischen Auflagen zu weit

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Die US-Regierung vergibt Geld zur Aids-Hilfe mit Auflagen, die dem konservativ-religiösen Programm entsprechen. Brasilien ist nun wohl das erste Land, das amerikanische Hilfsgelder in Höhe von 40 Millionen US-Dollar abgelehnt hat, weil trotz teilweisem Nachgeben der US-Regierung in einer wichtigen Frage keine Einigung erzielt werden konnte.

Schon 2001 hat US-Präsident am ersten Tag nach seinem Amtsantritt seiner religiös-konservativen Wählerklientel eine Forderung erfüllt und die Mexico City policy oder global gag rule verordnet (George W. B. gegen die Eva des Bösen). Danach darf das Entwicklungshilfeministerium USAID keine Gelder zur Familienplanung an ausländische Nichtregierungsorganisationen geben, die Abtreibung unterstützen oder auch nur befürworten bzw. Frauen diesbezüglich beraten.

Die Bush-Regierung hält weiterhin auch Gelder vom United Nations Population Fund zurück, weil dort angeblich Zwangsabtreibungen in China gefördert wurden. Die "global gag rule" geht, wie vieles in der Bush-Regierung, auf die Zeit der Präsidentschaft von Ronald Reagan zurück. Auch der Vater von Bush hatte das Verbot in seiner Präsidentschaft verlängert, Bill Clinton hob es hingegen 1993 auf. US-Präsident Bush hat 2003 das Verbot auf die gesamte Auslandshilfe des Außenministeriums erweitert. Allerdings lehnte der US-Senat Anfang April erneut auf Antrag einer demokratischen und einer republikanischen Senatorin dieses Verbot mit knapper Mehrheit ab und forderte dessen Aufhebung.

Anfang 2003 hatte Bush in seiner Rede an die Nation gewissermaßen zum Ausgleich der aggressiven Kriegspolitik und vor dem geplanten Einmarsch in den Irak ein umfangreiches Paket zur weltweiten Bekämpfung von Aids angekündigt, das 15 Milliarden US-Dollar in einem Zeitraum von 5 Jahren aufwenden sollte. Obgleich die "global gag rule" diesem Emergency Plan for AIDS Relief (PEPFAR) nach Widerstand aus dem Kongress nicht angefügt werden konnte, sind 2003 einige Regeln in dem Gesetz eingeführt worden, mit dem Kongress die ersten Gelder bewilligte.

Dazu gehört beispielsweise das Pitts Amendment, das 33% der zur Aids-Prävention vorgesehenen Gelder für "Abstinenz-bis-zur-Ehe"-Programme reserviert – beispielsweise für die Ausgabe von T-Shirts mit dem Text: "Praise work, exercise and studies, NOT SEX" oder "One minute of pleasure does not pay, WAIT." Organisationen, die Gelder erhalten, müssen nach dem Smith Amendment keine Maßnahmen befürworten oder gar fördern, die ihren moralischen oder religiösen Ansichten widerstreiten. Dabei geht es beispielsweise um die von religiösen Gruppen ablehnte Verwendung von Kondomen als Schutz vor Ansteckung. Und dann gibt es noch den "Litmus Test", der verlangt, dass Organisationen, die Gelder aus dem Aids-Programm erhalten, versichern müssen, dass sie gegen die Legalisierung von Prostitution sind. Das behindert die Behandlung von Prostituierten und die Aids-Vorsorge bei diesen. Wegen dieser Regelung verzichtet Brasilien lieber auf die Gelder, da die brasilianischen Programme zur Bekämpfung von Aids auch die Prostituierten einbeziehen, um sie und ihre Kunden vor Aids zu schützen.

Pedro Chequer, der Direktor des brasilianischen Aids-Programms, erklärte, dass die brasilianische Regierung zwar zuerst in den Verhandlungen verhindern konnte, den Schwerpunkt für die Prävention auf Abstinenz und Treue anstatt auf die Verwendung von Kondomen zu legen. Nicht möglich aber sei es gewesen, die Auflage zur Prostitution zu umgehen. Daher habe man, "um die die Autonomie bei Bereichen der nationalen Aids-Politik sowie um ethische Prinzipien und Menschenrechte zu wahren", auf die 40 Millionen Dollar verzichtet. 2003 waren insgesamt 48 Millionen von USAID bewilligt worden, im selben Jahr aber wurde dann das Gesetz mit den Auflagen im Kongress verabschiedet.

"Wir können Aids nicht mit Prinzipien kontrollieren, die manichäisch, theologisch, fundamentalistisch und schiitisch sind", sagte Chequer. Er fügte auch hinzu, dass in Brasilien die US-Gelder nur eine geringe Rolle spielen und die Regierung des Ausfall ausgleichen werde. Das ist in vielen anderen armen Ländern nicht ohne weiteres möglich, auf die die US-Regierung mit ihrer Politik Druck ausübt, während die Auflagen für die Hilfsgelder verstärkt den religiösen Organisationen (faith-based) zufließen, die Bush von Beginn seiner Präsidentschaft an stark gefördert hat.