Der Findling in der Saturnbahn

Saturnmond Phoebe ist ein eingefangener Außenseiter

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Der Saturnmond Phoebe stammt aus den äußeren Regionen des Sonnensystems, der Ringplanet hat ihn durch seine Schwerkraft eingefangen. Das bestätigen jetzt zwei Artikel im Wissenschaftsmagazin Nature.

Phoebe, benannt nach einer Titanen-Göttin der griechischen Mythologie (The Gods of the Amazons), wurde 1898 von dem amerikanischen Astronomen William H. Pickering entdeckt. Der kleine Mond mit einem durchschnittlichen Durchmesser von 212 Kilometern ist sehr dunkel und kreist auf einer ungewöhnlichen Bahn um Saturn. Phoebe bewegt sich dabei retrograd, also entgegen der Richtung der Umlaufbahn des Planeten um die Sonne. 1981 flog die Raumsonde Voyager2 an Phoebe vorbei und fotografierte ihn aus rund 2 Millionen Kilometern Distanz (Phoebe Mond von Saturn).

Hochaufgelöstes Mosaik des kleinen Mondes Phoebe aus sechs Einzelbildern der Cassini Raumsonde (Bild: NASA/JPL/Space Science Institute)

Im Juni 2004 kam die Cassini-Huygens.Mission, ein Gemeinschaftsprojekt der NASA und der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), auf ihrem Flug durchs Saturn-System in einer Entfernung von nur 2068 Kilometer an Phoebe vorbei (Dunkler einsamer Saturnmond bekam irdischen Besuch). Dabei untersuchten alle Fernerkundungssysteme an Bord von Cassini den fast 13 Millionen Kilometer von Saturn entfernten Mond. Das Visual Infrared Mapping Spektrometer (VIMS) lieferte die Daten, aus denen die Wissenschaftler die auf der Oberfläche vorhandenen chemischen Elemente analysieren konnten.

Objekt aus dem Kuiper-Gürtel

In Nature berichtet darüber jetzt eine internationale Gruppe von mehr als 20 Wissenschaftlern um Roger N. Clark vom US Geological Survey, darunter auch Ralf Jaumann vom Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR). Mithilfe der Cassini-Aufnahmen gelang es dem Team, einen Einblick in Phoebes Zusammensetzung zu bekommen.

Die VIMS-Daten zeigen, dass Phoebes Oberfläche hauptsächlich aus Wassereis besteht, das mit Kohlendioxid, hydratisierten Mineralien, wie sie auf der Erde etwa in Lehm und Ton vorkommen, sowie mit einigen bisher noch nicht identifizierten Verbindungen vermischt ist. Wir sehen in den Spektren auch die Spuren von primitiven organischen Verbindungen, also Kohlenwasserstoffmolekülen.

Ralf Jaumann

VIMS kann eine Oberfläche in 352 Farben vom sichtbaren Licht bis weit ins Infrarote gleichzeitig abbilden. Alle Materialien reflektieren Licht auf einzigartige Weise. So können Moleküle und Elementverbindungen durch die charakteristischen Farben, die sie reflektieren oder absorbieren, identifiziert werden. Dadurch konnten die Forscher eine ziemlich genaue Aussage über die chemischen Elemente und Moleküle auf der Oberfläche treffen und eine entsprechende Karte des Saturnmondes erstellen.

Verschiedene Ansichten der Zusammensetzung der Oberfläche von Phoebe (Bild: NASA/JPL/University of Arizona)

Phoebe ist nachweislich ganz anders als Saturn und die meisten seiner Monde. Seine exzentrische Umlaufbahn hatte die Astronomen schon länger vermuten lassen, dass er nicht dort entstanden ist, wo er heute kreist, sondern dass er eingefangen wurde. Sein Material unterscheidet sich grundsätzlich von dem Planeten, um den er kreist und seine Oberfläche ist mehr als vier Milliarden Jahre alt. Co-Autor Robert Brown, VIMS-Teamchef von der University of Arizona in Tucson erklärt:

Eines der ersten überraschenden Ergebnisse der Cassini-Mission ist die Entdeckung der chemischen Ähnlichkeit der Oberflächenmaterialien von Phoebe mit denen von Kometen. Dies zeigt, dass Phoebe höchstwahrscheinlich aus dem äußeren Sonnensystem, vermutlich aus dem Kuiper-Gürtel, stammt und nicht aus dem Asteroidengürtel. Damit gehört dieser Körper zum ursprünglichsten Material im Sonnensystem überhaupt.

Phoebe stammt aus der Region jenseits des Neptun, weit draußen in unserem Sonnensystem. Der Kuiper-Gürtel (Aus Drei mach Zwei) ist die Heimat der so genannten kurzperiodischen Kometen, die für einen Umlauf um die Sonne weniger als zweihundert Jahr brauchen. Diese kosmischen Objekte sind sehr primitiv, Relikte aus der Frühzeit unseres Sonnensystems (Kometen mit Gefrierbrand). Durch die Wirkung der Schwerkraft von Neptun können die gefrorenen Felsbrocken ins innere Sonnensystem geschleudert werden. Das ist wahrscheinlich auch Phoebe geschehen, er kam Saturn zu nahe und dessen Gravitationskraft hält ihn seither auf seiner ungewöhnlichen Umlaufbahn fest.

Terrence V. Johnson vom Jet Propulsion Laboratory der NASA und Jonathan I. Lunine vom Lunar and Planetary Laboratory in Tucson bestätigen mit ihrem Artikel in Nature, dass Phoebe ein echter Außenseiter ist. Ihre Berechnungen zur Dichte und zum Volumen dieses Saturnmondes ergeben ebenfalls, dass er ein Objekt aus dem äußeren Bereich des Sonnensystems ist, den Saturn einst kaperte. Lunine hat keine Zweifel mehr, dass mit diesen neuen Ergebnissen das Rätsel um den dunklen Saturnmond gelöst ist. Er meint:

Die Herkunft von Phoebe ist nun ziemlich klar. Es gibt wirklich eine Menge an Austausch von Material mit dem Kuiper-Gürtel. Tatsächlich sehen wir jetzt Kuiper-Gürtel-Objekte auf dem Weg in Richtung Sonne, sie werden Zentauren genannt. Hin und wieder hat eines dieser Dinger Glück und wird von einem der großen Planeten eingefangen.

Inzwischen sind den Astronomen mehr als 800 dieser Planetoiden bekannt, aber es wird vermutet, dass es hinter dem Neptun mehr als 70.000 davon gibt. (Zentauren und Plutinos).