"Störung des natürlichen Gleichgewichts des Universums"

Eine russische Astrologin klagt gegen das Nasa-Projekt "Deep Impact", bei dem ein Projektil einen Krater auf den Kometen Tempel 1 schlagen soll

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Im Januar ist die NASA-Sonde Deep Impact gestartet (Deep Impact soll kosmischen Stein der Rosetta entschlüsseln). Sie hat einen bislang einmaligen Auftrag. Im Juli soll sie den Kometen 9P/Tempel 1 erreichen und dann den 370 kg schweren "Impactor" freisetzen, der mit einer Geschwindigkeit von 10 km/s (37.000 km/h) mit dem Himmelskörper kollidieren wird, wenn alles nach Plan abläuft. Das wird dem Einschlag einer Bombe gleichen, einen etwa 25 Meter tiefen und 100 Meter breiten Krater entstehen lassen und Material empor schleudern, das von irdischen Teleskopen und von der Sonde aus analysiert wird. Aus der Bahn verschoben wird der Komet dadurch nicht.

Deep Impact und die Begegnung mit dem Kometen. Bild: Nasa

Die Mission stößt allerdings auf das Missfallen einer russischen Astrologin, die gerichtlich gegen die NASA vorgehen will. Marina Bai hat zumindest bereits eine erste Hürde genommen. Nachdem ein Gericht zunächst im April die Klage zurückgewiesen hat, weil es russische Gerichte nicht für zuständig für die NASA erklärte, legte die Astrologin Berufung ein und hatte am 6. Mai Erfolg. Die amerikanische Weltraumbehörde hat nämlich ein Büro in der Moskauer Botschaft und daher falle sie unter die russische Gerichtsbarkeit.

Bai will mit ihrer Klage entweder erreichen, dass die Mission abgeblasen wird, oder, falls der Komet beschädigt wird, dass die NASA ihr Schadensersatz zahlt. Und da ist die Astrologin nicht bescheiden. Sie will nämlich 8,7 Milliarden Rubel (240 Millionen Euro), also in etwa die Summe, die die gesamte Mission kostet.

Natürlich wird Bai mit ihrer Klage letztlich keinen Erfolg haben. Nicht zuletzt auch deswegen, weil nach ihrer Begründung nahezu jeder Schadensersatz von der NASA eintreiben könnte. Das NASA-Projekt, so Bai, beeinträchtige nämlich ihre moralischen und spirituellen Prinzipien, zudem würde die Mission mit dem Einschlag das natürliche Dasein des Kosmos verletzen und das natürliche Gleichgewicht der Kräfte im Universum stören.

Die Aktionen der NASA verletzen mein spirituelles und moralisches Wertesystem, besonders was den Wert eines jeden Elements der Schöpfung, was die Unannehmbarkeit eines barbarischen Eingriffs in das natürliche Leben des Universums und was die Störung des natürlichen Gleichgewicht des Universums betrifft.

Aus der Klageschrift von Marina Bai
"Barbarischer Eingriff in das natürliche Leben des Universums.". Bild: Nasa

Aber vielleicht geht das einer Astrologin auch näher, die sich nicht nur an den Himmelskörpern und ihrer Ordnung orientiert, sondern daraus auch Konsequenzen für das Leben auf der Erde ableitet. Würde die mutwillige Verwüstung auf dem Kometen, die ganz symbolisch ambivalent am 4. Juli, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag, vorgesehen ist, also ihre Wirkungen auch auf der Erde entfalten? Bai gibt zumindest auch eine persönliche Beziehung zum Kometen Tempel 1 an. Ihre Großeltern hätten sich nämlich kennen gelernt, als der Großvater seiner künftigen Frau den Kometen zeigte. Das ist schicksalsträchtig, schließlich wäre ohne die Begegnung Marina Bai nicht geboren worden.

Die NASA-Wissenschaftler wollen mit ihrem destruktiven Projekt die Erkenntnis über Kometen und die Ursprünge des Weltalls fördern. Die Astrologin scheint hingegen, zumindest was das Weltall angeht, eine kontemplative Erkenntnis zu fordern, die nur beobachtet, aber nichts nachhaltig verändert. So stehen hier also, wenn man so will, moderne Naturwissenschaft und traditionelle Theorie einander gegenüber.

Auch andere Menschen können anscheinend den Zorn der Astrologin nachvollziehen. So meinte etwa Nikolai Bochkarev von der Russischen Akademie der Naturwissenschaften: "Ich denke, dass ein solcher Vandalismus nicht einmal angesichts der von Asteroiden und Kometen ausgehenden Gefahr gerechtfertigt ist, über die so viele Menschen sprechen." Und Vladimir Portnov, ein Physiker und ebenfalls ein Astrologe, geht davon aus, dass "alle Menschen die Folgen der Zerstörung eines Kometen spüren werden". Auch kleine Dinge wie Kometen würden sich auf die Psyche der Menschen auswirken. Man könne nach dem Einschlag beispielsweise massenhaft verbreitete Angst erwarten.

Der Rechtsanwalt Alexander Molokhov, den Mai mit dem Fall beauftragt hat, muss natürlich erklären, dass dieser nicht ganz aussichtslos ist. Man könne eventuell auch in den USA gerichtlich gegen die NASA vorgehen, was nach seiner Ansicht auch manche Wissenschaftler freuen könnte. Aber auch Molokhov argumentiert mit möglichen Folgen, wenn auch anderer Art. Nach Experten, so sagt er, könnte die destruktive Begegnung den Plasmaschweif schädigen, was sich beispielsweise auf die Satellitenkommunikation auswirken könnte.

Der minimal invasive Lander der Rosetta-Mission. Bild: ESA/AOES Medialab

Die europäische ESA-Sonde Rosetta scheint hingegen noch keinen Unmut erregt zu haben. Sie ist bereits seit Anfang 2004 unterwegs und soll in acht Jahren dem Kometen 67 P/Churyumov-Gerasimenko begegnen (Zehn Jahre auf Reisen). Das aber wird eher eine Begegnung der sanften Art sein, wenn nichts schief geht. Rosetta wird den Kometen umfliegen und den Lander "Philae" auf seiner Oberfläche absetzen.

Da der Lander aber wegen der geringen Schwerkraft schnell im Weltraum verschwinden könnte, wurde er mit Füßen, die sich ins Eis schrauben sollen, und zwei Ankern ausgestattet. Mit beiden Befestigungen würde wohl auch, wenn man es genau nimmt, die Integrität des Kometen beschädigt, aber das dürfte ja nicht gleich die himmlische Ordnung durcheinander bringen, selbst wenn Anker und Schrauben das natürliche Sein des Himmelskörpers verletzen und in diesen eindringen. Allerdings wird der Lander auch auf Dauer als Müll auf dem Kometen bleiben.