Was wird ein biometrischer Ausweis kosten?

Update: Innenminister Schily hat erstmals eine Zahl für den neuen Reisepass genannt, in Großbritannien gehen die Schätzungen der Regierung und von Experten weit auseinander

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Die unter dem Druck der US-Regierung 2003 beschlossene Einführung von Ausweisen mit biometrischen Daten in der Europäischen Union soll der Verbrechens- und Terrorbekämpfung dienen. Die Kosten, die dabei dem Staat und den Bürgern entstehen, sind aber noch weitgehend unbekannt.

Update: Heute hat das Bundesinnenministerium die Kosten für den geplanten biometrischen Reisepass bekannt gegeben, der ab 1. November ausgegeben werden soll. Für Innenminister Schily ist der neue Ausweis, ePass genannt, gleichzeitig auch ein Beweis für die Leistungskraft des Wirtschaftsstandorts Deutschland:

"Wir zeigen, dass Deutschland das Knowhow und die Innovationskraft hat, um im jungen Sektor Biometrie Standards zu setzen."

Die alten Reisepässe behalten ihre 10-jährige Gültigkeit. Das gelte auch für die zwischen Ende 2005 und Anfang 2007 neu ausgestellten Pässe, die nur das digitale Foto enthalten. Dann soll der digitale Fingerabdruck aufgenommen werden, später womöglich noch durch einen Iris-Scan ergänzt Bis 2008 sollen, so Schily, ohne dafür die Kosten zu benennen, alle Grenzkontrollpunkte mit den entsprechenden Lesegeräten ausgestattet sein. Aber jetzt gibt es für die für den Bürger entstehenden Kosten des Reisepasses eine Zahl: 59 Euro statt bisher 23 Euro soll der Ausweis kosten, der angeblich gegen organisierte Kriminalität und den internationalen Terrorismus helfen soll und das Reisen "sicherer und einfacherer machen soll. Darin enthalten sollen die jährlichen Betriebskosten und die Kosten für das Passbuch, den Speicherchip, die Erfassung der biometrischen Daten und ihre Aufnahme in den Pass sein. Deutschland biete damit die Ausweise billiger an als beispielsweise Großbritannien, so die Regierung dafür 103 Euro verlange. Aber die Gesamtkosten sind umstritten, möglicherweise wird die neue Regierung also den Preis für die Ausgabe des Passes doch noch anheben müssen, wenn die Einführung samt Infrastruktur und Ausbildung des Personals den klammen Haushalt zu sehr belasten würde.

Auf eine Kleine Anfrage von Abgeordneten hatte die Bundesregierung zu Beginn des Jahres noch wenig auskunftsfreudig geantwortet: "Beim EU-Pass entstehen Kosten für das Passbuch und den Speicherchip. Letztere sind u. a. abhängig von der benötigten Anzahl dieser Chips (Pässe) im europäischen Umfeld. Das heißt, sollten die EU-Partner die beschleunigte Umsetzung, entsprechend den Vorgaben der Erklärung des EU-Rates zum Kampf gegen den Terrorismus, gemeinsam zielgerichtet vorantreiben, können die finanziellen Anforderungen reduziert werden. Die Bezifferung der genauen Kosten ist daher zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich."

Fest steht nur, dass der Bürger die Kosten für die Ausstellung des Ausweises tragen soll, der Staat die für die Infrastruktur, also Hardware, Software, sowie für die Schulung des Personals.

Immerhin hat das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in Zusammenarbeit mit der deutschen Industrie offenbar einen internationalen Standard für die Datensicherheit des Radio-Frequency (RF)-Chips auf der Basis des kryptografischen Prinzips des Basic Access Control entwickelt, der mit den Anforderungen der International Civil Aviation Organization (ICAO) konform geht. Daher würde man gerne vorpreschen und möglichst schnell die Reisepässe einführen. Der Chip kann nur von zugelassenen Lesegeräten ausgelesen werden. Überdies kann das Auslesen bestimmter Daten verhindert werden, wenn keine Vereinbarung mit einem anderen Land getroffen wurde, weil beispielsweise der Datenschutz in einem anderen Land ungenügend ist. Für den neuen Ausweis werden ab 2007 die Fingerabdrücke der beiden Zeigefinger genommen, ab 2005 wird ein Bild des Antragstellers digitalisiert, um so eine biometrische Gesichtserkennung zu ermöglichen.

Silke Stokar, innenpolitische Sprecherin der Grünen, hatte Ende letzten Jahres gefordert, dass die Fragen der Kosten geklärt werden müssen. Es gäbe noch keine Kosten-Nutzen-Abschätzung:

Das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag hat für Deutschland Zahlen bis zu einmaligen Kosten in Höhe von 669 Millionen Euro und laufenden Kosten von bis zu 610 Millionen Euro/Jahr genannt. Das sind ganz erhebliche Beträge. Es kann nicht sein, dass diese Kosten auf die Bürger abgewälzt werden. Vorstellungen, dass ein Reisepass künftig bis zu 130 Euro kostet, sind nicht akzeptabel.

Während also in Deutschland die Technik schon fortgeschritten ist, die Gesamtkosten aber noch unbekannt sind, ist in Großbritannien bereits ein Streit darüber entbrannt. Nach einem Bericht des Innenministeriums geht man davon aus, dass die Einführung der biometrischen Ausweise und die laufenden Kosten für 10 Jahre etwa 8,2 Milliarden Euro kosten werden. Da in Großbritannien das System sich selber tragen soll, kämen damit etwa 135 Euro Kosten auf jeden Bürger zu.

Nun hat allerdings die London School of Economics in einem, dem Observer vorliegenden Bericht (ein Zwischenbericht wurde bereits veröffentlicht), festgestellt, dass die wirklich entstehenden Kosten sehr viel höher liegen werden. Die Wissenschaftler gehen von insgesamt bis zu 26 Milliarden Euro aus, also mehr als das Dreifache. Das würde einen Ausweis dann mit 400 Euro zu einem wertvollen Objekt machen. Auch schon bei den Lesegeräten gehen die Schätzungen weit auseinander. Während die Regierung pro Stück von 360 bis 1.000 Euro ausgeht, werden die Kosten im Bericht auf 4.300 bis 5.800 geschätzt. Das sind ganz erhebliche Unterschiede.

Ein Punkt, der die Kosten betrifft, ist ganz allgemein interessant, andere Probleme betreffen eher die britische Situation, da es hier bislang weder eine Meldepflicht noch einen nationalen ID-Ausweis gibt. So wird im Bericht bezweifelt, dass Ausweise mit biometrischen Daten eine Lebensdauer von 10 Jahren haben werden, wie dies die Regierung sich vorstellt. Man müsse vermutlich alle fünf Jahre die biometrischen Daten neu einscannen, weil sich die Merkmale verändern.

In einem Versuch wurden biometrische Ausweise bei 10.000 Menschen mit Iris-San, digitalen Fingerabdrücken und Gesichtserkennung getestet. Die Fehlerrate scheint hoch gewesen zu sein. Zudem sind biometrische Merkmale keineswegs fälschungssicher.