Ein Slip erobert die Online-Welt

Droht die Rundumüberwachung aus der Hose?

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Die Höschen sind echt ein Knaller. Aber leider derzeit ausverkauft. Das wissen auch die Kollegen von iBusiness.de, die am 1. Juni folgende wunderbare Schlagzeile veröffentlichten: "Spion im Slip: Warum auf einer japanischen Website Dessous ausverkauft sind." Und darunter heißt es dann weiter: "Wer wissen will, ob die eigene Ehefrau fremdgeht oder wo die Tochter des Nachts über steckt, kann dies nun mit 'Forget-me-not-Panties' kontrollieren. Die haben einen eingebauten GPS-Chip und stammen aus Japan."

Eifersüchtige Ehemänner und besorgte Eltern von jungen Mädchen können jetzt also aufatmen. Genau für diese Zielgruppe hat nämlich die japanische Firma Panchira einen unscheinbaren, aber eleganten Slip mit dem Produktnamen forget-me-not panties entwickelt, der endlich die Rundumüberwachung von Frauen und Mädchen ermöglicht. In ihm steckt also ein Mini-GPS-Sender, der exakt verrät, wo sich die Trägerin befindet. Empfangen werden diese Daten dann mittels Handy oder PC. Aber der Sender verrät noch viel mehr. Er überträgt nämlich auch die Daten eines Sensors, der im Slip steckt und die Hautwärme an der empfindlichsten Stelle der Trägerin misst. Und das verrät oft ja mehr über den mentalen Zustand der betroffenen Frau, als der Ort, an dem sie sich gerade herumtreibt.

Diese sensationelle Erfindung, die uns Männern das Leben wesentlich erleichtern wird, basiert übrigens auf Forschungen des US-Militärs und deren Defense Advanced Research Projects Agency. Und so etwas hat natürlich seinen Preis. Das Basismodell kostet 99,99 Dollar, das so genannte Advanced-Modell mit zusätzlicher Messung des Herzschlages 179,99 Dollar. Begeistert zeigen sich auf der Firmen-Netzseite zwei Kunden, die den Slip bereits am lebenden Objekt getestet haben. David und seine Frau überwachen auf diese Weise ihre pubertierende Tochter. Und wenn die Temperatur der Kleinen heftig ansteigt, schreibt David, würden sie sofort einschreiten. Entweder mit einem Telefonanruf oder sie würden ihre Tochter sofort abholen. Was sich David jetzt noch von der Firma wünscht, ist eine zusätzlich eingebaute Videokamera. Auch Tim ist äußerst zufrieden, weil er damit seiner fremdgehenden Frau auf die Schliche kam.

Während die Männerwelt also verständlicherweise begeistert auf diese GPS-Schlüpfer reagiert, rümpfen Feministinnen empört die Nase und sprechen von "forget-me-not-or-I'll-fucking-kill-you panties", die den Freiraum von Frauen und Mädchen gewaltig beschränken würden. Dennoch, den Siegeszug des Funk-Slips werden sie nicht aufhalten können. Die Seite, auf der die Höschen angeboten werden, ist bereits wegen zahlloser Weblog-Erwähnungen mehr als 440000-mal angeklickt wurden, obwohl sie erst am 19. Mai online gegangen ist. - Und wir müssen gestehen, auch wir wären fast auf diese ach so sensationelle Geschichte hereingefallen.

Aber zum Glück nur fast. Nach einer kurzen Google-Recherche hat sich nämlich herausgestellt, dass die "forget-me-not panties" ein Fake sind. Und dass die Betreiber dieser Seite damit teilnehmen an einem Wettkampf mit dem Titel Contagious Media Showdown, der veranstaltet wird von Eyebeam, einem New Yorker Zentrum für Kunst und Technologie. Dabei soll untersucht werden, wie schnell sich noch so unsinnige Dinge, Nachrichten oder Fakes im Netz verbreiten. Oder anders gesagt: wie "ansteckend" Medien im Internetzeitalter sind.

Dazu schreiben die Betreiber des Projekt: „Die Arbeiten fangen klein an und breiten sich ohne jegliche PR-Tätigkeit, Werbung oder Pressearbeit wie ein Virus zu Millionen von Menschen aus. Am Ende entdecken die Massenmedien in der Geschichte einen Trend, und die Arbeit dringt auf vielen Ebenen in die Kultur ein.“ Dies ermögliche es, eine globale Lawine in Gang zu setzen, die mit einer kleinen Gruppe von Freunden beginne und es schließlich bis in die Studios von CNN oder der Today Show schaffe. „Das Contagious Media Project zeigt neue Möglichkeiten für Künstler und Aktivisten im Netzwerkzeitalter auf.“

Spitzenreiter in der stets aktuellen Hitparade dieser Seiten sind derzeit die Funk-Slips gefolgt von Crying while eating und den komischen Herrn von Ringtone Dancer, die den Modetanz der Saison kreiert haben: den Klingelton-Tanz. Der klingt zwar schrecklich, sieht aber lustig aus.