Langsame Annäherung

Vor 40 Jahren haben die Bundesrepublik und Israel diplomatische Beziehungen aufgenommen – eine Analyse

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Am 12. Mai 1965, nach dem jüdischen Kalender der 17. Jahrestag der Unabhängigkeit des Staates Israel, nahmen Israel und die Bundesrepublik Deutschland volle diplomatische Beziehungen auf. Einige Wochen später traf mit Ascher Ben-Natan der erste Botschafter des Staates Israel in Bonn ein; am 19. August 1965 landete dann Dr. Rolf Pauls, der erste deutsche Botschafter, auf israelischem Boden. 14 Jahre lang hatte das Verhältnis zu Deutschland in Israel die Gemüter erhitzt, während Westdeutschland über den Umgang mit dem jüdischen Staat, der eigenen Vergangenheit und die Gestaltung der künftigen Nahostpolitik diskutierte. Mit dem Austausch der Botschafter waren die Konflikte aber nicht vorbei: Immer wieder kam es in den vergangenen vier Jahrzehnten zu Streitereien über deutsche Waffenlieferungen an arabische Länder und die israelische Politik in den palästinensischen Gebieten, während im Hintergrund das Interesse am jeweils anderen Land stieg und die Partnerschaft für beide Staaten zu einer festen außenpolitischen Konstante wurde – von der die DDR allerdings Zeit ihres Bestehens ausgenommen war: Die Deutsche Demokratische Republik nahm nie Beziehungen zu Israel auf.

Er hat ihn noch in der Schublade. "Sehen Sie", sagt Avi Ben Barak, während er einen zerfledderten israelischen Pass aufklappt: "Gültig für alle Länder außer Deutschland" steht auf der ersten Seite des schon vor vielen Jahren abgelaufenen Dokuments. "Damals war es für viele hier im Land undenkbar, dass sich jemals wieder Juden dort aufhalten würden", erklärt der 89-Jährige.

Ankunft des deutschen Botschafters in Israel am 15.8.1965

Damals, das war vor 40 Jahren, als Ben Barak als Generaldirektor des israelischen Außenministeriums die Einzelheiten der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel festklopfen musste – unter dem massiven Druck der Öffentlichkeit, deren konservativer, damals noch überwiegend europäisch-stämmiger Teil die Annäherungspolitik der von der Arbeiterpartei gestellten Regierung mit Misstrauen und oft offener Ablehnung beobachtete:

Die Erinnerung an den Holocaust war bei vielen Menschen noch frisch, und der Gedanke daran, dass auf israelischem Boden jemals wieder eine deutsche Fahne wehen, oder ein deutscher Politiker zu den Klängen der deutschen Nationalhymne an israelischen Soldaten vorbeischreiten würde, eine echte Zumutung.

So beschreibt der Historiker Tom Segev die Stimmung der Zeit

Aber genau das sei passiert, erinnert sich Ben Barak, und am Ende nicht so schlimm gewesen, wie es sich viele Israelis vorgestellt hatten: "Auch wenn die Lage manchmal schon ziemlich explosiv war", fügt er mit einem grimmigen Lächeln hinzu. Es war vor allem Menachem Begin, der 1977 der erste konservative Premierminister des Staates Israel wurde, der die Emotionen anheizte: Begin war damals noch Vorsitzender der Cherut-Partei, einer kleinen, radikalen Gruppe, und hatte sich bereits in den frühen 50er Jahren energisch gegen jede Form von Beziehungen mit einem deutschen Staat ausgesprochen. Als dann am 12. August 1965 Dr. Rolf Pauls, der erste deutsche Botschafter, in der Residenz von Präsident Salman Schazar eintraf, um sein Akkreditierungsschreiben zu übergeben, erhob sich aus den Kehlen Tausender Demonstranten ein Klagegesang, der fast die von einer Polizeikapelle gespielte deutsche Nationalhymne übertönte.

Demonstration gegen die Vertraege am 25.2.1952 unter Fuehrung von Menachem Begin, damals Chef der Herut-Partei und von 1977 an erster Likud-Ministerpraesident.

"Wir waren aber dennoch erleichtert," sagt Ben Barak: "Wir hatten Ausschreitungen befürchtet" – so wie 1951, als Bundeskanzler Konrad Adenauer Reparationszahlungen ankündigte und die Arbeiterpartei von Ministerpräsident David Ben Gurion daraufhin ihre Bereitschaft zu Gesprächen mit der Bundesrepublik erklärte: In einer emotionalen Rede vor mehreren tausend Anhängern rief Begin daraufhin im Januar 1952 die Massen zum Sturm auf das Parlamentsgebäude auf; gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei waren die Folge. Begin wurde später für fünf Jahre von der Ausübung eines öffentlichen Amtes ausgeschlossen. Seine letzten Worte vor dem Parlament waren:

Es wird niemals eine Übereinkunft mit Deutschland geben.

Menachem Begin

Langsame Annäherung

Er lag falsch: Am 10. September 1952 wurde in Luxemburg das israelisch-deutsche Reparationsabkommen unterzeichnet. Und dennoch: Das gegenseitige Verhältnis blieb im besten Falle schwierig. Die junge Bundesrepublik suchte ihren Platz in der internationalen Gemeinschaft und war deshalb zu jener Zeit grundsätzlich zur Aufnahme von Beziehungen mit Israel bereit - angetrieben vor allem von den Sozialdemokraten, die innerhalb und außerhalb des Bundestages mit Nachdruck für eine Annäherung an den jüdischen Staat plädierten:

Schon zu Zeiten der Weimarer Republik existierten enge Bindungen zwischen den Sozialdemokraten und unserer jüdischen Bevölkerung. Die fundamentalen Ideen, auf Grund derer der Staat Israel gegründet wurde, haben auch etwas mit Sozialdemokratie zu tun, angefangen von gewissen zionistischen Bewegungen bis hin zum kooperativen Gesellschaftskonzept der Kibbutzim.

Der damalige nordrhein-westfälische Ministerpräsident Johannes Rau 1985 in einem Interview zum 20. Geburtstag der diplomatischen Beziehungen

Doch die Ausschreitungen in Jerusalem hatten Israels Ministerpräsident Ben Gurion zu der Ansicht gelangen lassen, dass die Zeit für eine Normalisierung noch nicht reif war. Dennoch verschrieb er sich in den folgenden Jahren dem Dialog – "auch aus der Erkenntnis heraus, dass Israel die Hilfe des wirtschaftlich wiedererstarkenden Deutschlands brauchte", sagt Historiker Segev. Und Ex-Außenamtschef Ben Barak erinnert sich:

Die Zurückhaltung der israelischen Öffentlichkeit war verständlich. Aber die wirtschaftliche Situation in Israel war schlecht, die Kriegsgefahr groß, und die Bundesrepublik aus ihrer historischen Verantwortung heraus dazu bereit, wichtige Hilfe zu leisten – es gab keine andere Wahl, als mit Deutschland zu sprechen.

Ben Barak

Dafür der Regierungschef auch bereit, seine politische Zukunft aufs Spiel zu setzen. So trat Ben Gurion 1957 zurück, nachdem bekannt geworden war, dass er Schimon Peres, damals Staatssekretär im Verteidigungsministerium, zu einer geheimen Mission nach Deutschland geschickt hatte, um die Bundesregierung zur Lieferung von Waffen im Austausch für Uzi-Maschinengewehre zu bewegen. Innerhalb weniger Tage gelang es dem Regierungschef aber, eine neue Regierung zu bilden.

Doch das Ende seiner Zeit an der Spitze war besiegelt, als Ägyptens Präsident Nasser westdeutsche Wissenschaftler mit nationalsozialistischer Vergangenheit einstellte, die für ihn Raketen bauen sollten. Während die Bundesregierung vergeblich versuchte, ihre Staatsbürger zur Rückkehr zu bewegen, wuchs in Israel auch in der eigenen Partei der Widerstand gegen Ben Gurions Politik: Seine Kritiker warfen ihm vor, zu freundlich mit Deutschland umzugehen. Als dann auch noch ein umstrittener Anschlag auf die Wissenschaftler fehlschlug, und Ben Gurion daraufhin mit dem Direktor des Auslandsgeheimdienstes Mossad ausfiel, trat der Premierminister zurück – diesmal für immer.

Politikwechsel

Doch auch die deutsche Seite entwickelte nach und nach Probleme mit Israel: Ende der 50er Jahre war der Kalte Krieg in vollem Gange, und Deutschland eines seiner Schlachtfelder. Als Ben Gurion bei einem Treffen in New York 1960 seine Bereitschaft zur Aufnahme von Beziehungen signalisierte, und Adenauer daraufhin eine baldige formale Anerkennung Israels in Aussicht stellte, warnte die US-Regierung, ein solcher Schritt werde die arabischen Staaten in die Hände der Sowjetunion treiben. Doch die amerikanische Politik in dieser Frage war inkoherent: Ein Jahr später fragte Präsident Lyndon Johnson Adenauers Nachfolger Ludwig Erhard, ob er der Entsendung unbenutzter deutscher Panzer nach Israel zustimmen würde; der Bundeskanzler stimmte zu.

Konrad Adenauer und David Ben Gurion bei ihrem ersten offiziellen Treffen 1961 im Waldorf Astoria Hotel in New York

In der arabischen Welt brach darauf hin ein Sturm der Entrüstung los und die Ereignisse überschlugen sich: Anfang 1965 reiste DDR-Staatsratschef Walter Ulbricht nach Kairo und wurde als Staatsgast empfangen, was als erster Schritt zu einer Anerkennung der DDR durch die arabischen Staaten gesehen wurde. Seit Mitte der 50er Jahre wurde die bundesdeutsche Außenpolitik von der Hallstein-Doktrin diktiert, die den Abbruch der Beziehungen zu allen Staaten forderte, die die DDR anerkannten. Bonn stand somit vor der Wahl, seine Botschafter aus dem Nahen Osten zurückzurufen oder auf die Beziehungen zu Israel zu verzichten.

In einem letzten Versuch, eine weitere Polarisierung des Nahen Ostens zwischen USA und Sowjetunion zu verhindern, entsandte die Bundesregierung daraufhin einen Abgesandten nach Jerusalem, der eine so genannte "kleine Lösung" anbot: die Eröffnung einer konsularischen Vertretung im Gegenzug für die Einstellung der Militärhilfe. Israels neuer Ministerpräsident Levy Eschkol lehnte ab. Bundeskanzler Erhard gab daraufhin am 7. März 1965 vor dem Bundestag bekannt, dass er die Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen mit Israel beabsichtigte. Nur eine Woche später erklärte Eschkol in der Knesseth, dass er das Angebot annehmen werde.

In Israel hatte sich zu dieser Zeit längst ein Wechsel in der politischen Haltung zur Frage der diplomatischen Beziehungen bezogen. Die Erfahrungen mit den deutschen Raketenexperten in Ägypten hatte gezeigt, dass es besser sein würde, Deutschland eng an sich zu binden, zumal die Normalisierung der Beziehungen auf eine Verschlechterung des westdeutschen Verhältnisses zu den arabischen Staaten hoffen ließ.

Tom Segev

Doch die israelischen Hoffnungen erfüllten sich nicht: Obwohl die arabischen Staaten sich zunehmend an die Sowjetunion annäherten und auch die DDR anerkannten, wurden keine westdeutschen Botschafter zurück gerufen. Stattdessen schuf sich die Bundesregierung ein zweites außenpolitisches Standbein: ein Netz aus deutschen Parteistiftungen, Kulturinstituten und persönlichen Kontakten deutscher Politiker, das Kommunikationswege auf allen Seiten und in alle Richtungen offen hielt, selbst wenn der Ton auf der diplomatischen Ebene mal rauer war. "Ursprung dieser Politik war die Erkenntnis, dass der Anerkennung des Existenzrechtes des Staates Israel das aktive Eintreten für den Frieden im Nahen Osten folgen müsse", hatte der bayrische Ministerpräsident Franz Josef Strauß Mitte der 80er Jahre in einem Interview zum 20. Geburtstag der deutsch-israelischen Beziehungen gesagt.

Heute scheinen beide Seiten froh, dass sich die Dinge auf diese Weise entwickelt haben: "Persönlich war ich anfangs auch dagegen; ich war der Ansicht, die Erinnerung an den Holocaust sei noch zu frisch," sagt der ehemalige Staatssekretär Avi Ben Barak. Und fügt hinzu: "Heute bin ich stolz darauf, dass ich daran mitarbeiten durfte.

Die Bundesregierung hatte sich damals entschieden, nicht den Doktrinen des Kalten Krieges zu folgen und stattdessen eine zweigleisige Politik zu verfolgen. Israel hat davon massiv profitiert, weil es nicht nur zusätzliche wirtschaftliche und militärische Hilfe erhielt, sondern auch Kommunikationswege zu seinen arabischen Nachbarn nutzen konnte.

Gabi Wolfsohn, Professor für internationale Beziehungen an der Hebräischen Universität in Jerusalem

Es handelte sich um Kontakte, die sich meist völlig im Verborgenen abspielen und von Zeit zu Zeit dramatische Ergebnisse erzielen. So handelten Bundeskanzleramt und Bundesnachrichtendienst beispielsweise Anfang vergangenen Jahres einen Massengeiselaustausch zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah-Miliz aus: Im Gegenzug für die Überstellung von mehr als 400 lebenden und 60 toten Kämpfern erhielt Israel die sterblichen Überreste von drei Soldaten, die seit Jahren im Libanon vermisst worden waren und den Geschäftsmann Elchanan Tannenbaum zurück.

So messen beide Seiten dem Jubiläum ihrer Beziehungen große Bedeutung bei: Schon im Januar besuchte Bundespräsident Horst Köhler Israel; Israels Staatsoberhaupt Mosche Kazaw wird in dieser Woche zum Gegenbesuch in Berlin erwartet. Zudem werden die ohnehin schon engen Kontakte in diesem Jahr durch zusätzliche kulturelle, sportliche und wirtschaftliche Begegnungen ergänzt: So war beispielsweise am 40. Jahrestag des Botschafteraustauschs Mitte Mai das deutsche Segelschulschiff Gorch Fock im Hafen von Haifa zu besichtigen – eine Gelegenheit, die mehrere tausend Israelis nutzten.

Steigende Anziehungskraft

Denn der Anblick deutscher Uniformen auf israelischen Straßen ist längst kein Tabu mehr: Hatte noch Ende der 90er Jahre der Besuch deutscher Offiziersanwärter in Israel für Stirnrunzeln in Medien und Öffentlichkeit gesorgt, sind die gegenseitigen Truppenbesuche mittlerweile zur kaum noch beachteten Routine geworden.

Stattdessen steigt die Anziehungskraft des vereinigten Deutschlands: So meldete die Hebräische Universität vor kurfzem, die Zahl der Germanistikstudenten sei allein im vergangenen Jahr um zwölf Prozent gestiegen; Israels größte Buchhandelskette Steimatzky hat derweil ihr Angebot um zusätzliche deutsche Autoren erweitert: "Böll und Grass waren bei uns schon immer nachgefragt", sagt eine Sprecherin: "Wir haben aber festgestellt, dass es auch einen Markt für Krimis, Biographien und unbekannterer Autoren gibt." So sind jetztz auch die Lebenserinnerungen von Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl, Ehrendoktor der Hebräischen Universität, im Handel zu haben.

Für viele junge Israelis haftet Deutschland nach wie vor ein bisschen der Reiz des Verbotenen an, was das Land reizvoll macht. Auf der anderen Seite hat es vor allem Berlin geschafft, sich als weltoffene, lebendige Stadt zu verkaufen, während sich Israels Jugend hier im Lande oft eingeengt fühlt.

Psychologe Dr. Ephraim Hoffmann von der Universität Tel Aviv

So sind München oder Berlin beliebte Ziele für Kurzreisen: Erst Anfang April weitete die Charterfluggesellschaft Israir die Zahl ihrer wöchentlichen Flüge aus. In Deutschland ist Israel derweil schon seit Jahrzehnten ein beliebtes Ziel für Jugendaustausche; zudem gibt es die Möglichkeit, Wehr- oder Zivildienst durch einen Freiwilligendienst in Israel zu ersetzen. Israelische Autoren wie Amos Oz oder die Krimischriftstellerin Batya Gur sind aus deutschen Buchhandlungen kaum noch wegzudenken. Seit diesem Jahr reisen auch wieder mehr deutsche Touristen nach Israel: In den kommenden Wochen werden mehrere deutsche Charterfluggesellschaften wieder Ziele in Israel anfliegen; das israelische Tourismusministerium hofft, dass sich dadurch die Zahl der Gäste aus Deutschland verdoppeln wird.

Stereotype

Doch auf beiden Seiten ist das Interesse am anderen Land meist auf die gebildete Mittelschicht beschränkt, während der Rest der Bevölkerungen meist nur Notiz nimmt, wenn die deutschen Medien über Siedlungsräumungen, Militäroperationen oder Bombenanschläge berichten und die israelischen Kollegen rechtsradikale Übergriffe oder Wahlerfolge der NPD vermelden:

Die Themenauswahl in beiden Ländern ist sehr limitiert. Dadurch entstehen in den Köpfen nahezu zwangsläufig Stereotype, die wiederum neue Probleme verursachen.

Medienwissenschaftler und Journalist Chanan Naveh

"Wir können das Israelbild der deutschen Öffentlichkeit nicht übergehen," verteidigt Amos Schocken, Herausgeber der Zeitung HaAretz, derweil die Berichterstattung: "Leider sind Israel und Juden in Deutschland längst nicht so populär, wie Deutschland in Israel. Es gibt Probleme, und es ist unsere Aufgabe, unsere Leser darauf aufmerksam zu machen." Er räumt aber ein, dass tiefergehende Analysen dabei meist zu kurz kommen: "Bei der Menge an einheimischen Nachrichten müssen wir beim Ausland zwangsläufig Abstriche machen."

Und dennoch: Es gibt Ausnahmen. Der Staatsrundfunk "Stimme Israels" sendet seit Monaten schon vermehrt Berichte, die sich mit deutscher Politik und Gesellschaft befasst; der Fernsehsender Kanal Zwei widmet dem deutsch-israelischen Verhältnis eine ganze Reportagereihe:

Wir sind uns bewusst geworden, dass Deutschland für Israel viel mehr zu bieten hat als Rechtsradikale und Antisemitismus. Wir möchten erklären, warum Israel in Deutschland ein schlechtes Image hat. Dazu gehört unter anderem auch, dass wir unsere Zuschauer dafür sensibilisieren, zwischen Antisemitismus und Kritik an politischen Entscheidungen in Israel zu differenzieren.

Nachrichtenchefin Limor Nachman

Doch auch heute noch kommt es immer wieder einmal zu mehr oder weniger schweren Verstimmungen: Israel beobachtet das Engagement deutscher Firmen und Politiker in den arabischen Staaten und den palästinensischen Gebieten mit Misstrauen; während Bundesregierungen verärgert reagieren, wenn israelische Politiker die jüdische Gemeinschaft in Deutschland zur Auswanderung aufrufen oder israelische Politiker bei offiziellen Anlässen Antisemitismus und Rechtsradikalismus kritisieren.

Es ist eine Art von diplomatischem Ballspiel, in dem es nicht wirklich mehr um die Vergangenheit oder die Sorge um die jüdische Gemeinschaft in Deutschland, sondern um handfeste politische Erwägungen geht. Solche Äußerungen sind dazu bestimmt, Deutschland davon abzuhalten, sich zu stark an die arabischen Staaten anzunähern, die wiederum von Zeit zu Zeit kritisieren, Deutschland wende sich nicht entschieden genug gegen die israelische Politik in den palästinensischen Gebieten und damit die Bundesrepublik von einer zu pro-israelischen Haltung abhalten. Wie gesagt: Letzten Endes nutzt diese Art von internationalen Beziehungen, die übrigens auch gegenüber anderen westlichen Staaten praktiziert wird, dem gesamten Nahen Osten.

Wolfsohn, Experte für internationale Beziehungen

Kritische Masse

Zweimal erreichte das deutsch-israelische Verhältnis allerdings kritische Masse: 1981 stand in der Bundesrepublik die Lieferung von Leopard-Panzern an Saudi Arabien auf der politischen Tagesordnung. Die Debatte sorgte für massive Entrüstung in der israelischen Politik und Öffentlichkeit. Und im ersten Golfkrieg Anfang der 90er Jahre machte sich die Bundesrepublik wegen der illegalen Beteiligung deutscher Firmen an der irakischen Waffenproduktion unbeliebt. Dass sie nicht dazu bereit war, Truppen für den Kampf gegen den Irak zu entsenden, sorgte für zusätzliche Verärgerung. "Das war mit Sicherheit einer der Tiefpunkte unserer Beziehungen", erinnert sich ein Mitarbeiter des Bundesaußenministeriums: "Zum einen war es international schwer zu vermitteln, dass das Grundgesetz einer Truppenentsendung entgegen stand. Zum anderen wurde zu spät gehandelt – der Irak war ja noch wenige Jahre zuvor als Partner betrachtet worden."

Die Entrüstung wurde auch nicht gemildert, als Außenminister Hans Dietrich Genscher nach Israel reiste, und dem ziemlich bestürzt dreinblickenden Tel Aviver Bürgermeister Schlomo Lahat einen Millionenscheck in die Hand drückte. Die eigentlich gutgemeinte Geste, mit der die Bundesregierung Israel bei der Behebung der durch den Raketenbeschuss verursachten Schäden helfen wollte, sorgte für weitere Negativ-Schlagzeilen: "Er hat ihn mir einfach in die Hand gedrückt", wurde Lahat am Tag darauf in den Medien zitiert.

Von Zeit zu Zeit ist es aber auch das deutsche Kriegswaffenkontrollgesetz, das die israelische Regierung verstimmt – und zwar immer dann, wenn es um die Lieferung von Rüstungsgütern an den jüdischen Staat geht: Denn das Gesetz legt fest, dass Lieferungen in Krisengebiete vom Bundessicherheitsrat genehmigt werden müssen; Exporte nach Israel sind seit Beginn der zweiten Intifada eigentlich eingefroren – eine heikle Gratwanderung:

Auf der einen Seite haben wir ein Interesse daran, dass die Verteidigungsfähigkeit des Staates Israel gewahrt bleibt, auf der anderen möchten wir nicht, dass diese Güter gegen die palästinensische Bevölkerung eingesetzt werden.

Ein Sprecher der Bundesregierung

So genehmigte die Bundesregierung im vergangenen Jahr die Lieferung von zwei U212-Unterseebooten (Auf Tauchfahrt); im Fall von fast 150 Dingos, gepanzerten Personentransportern, war diese Genehmigung allerdings nicht notwendig, weil eine Gesetzeslücke genutzt wird: Krauss Maffei liefert die Einzelteile in die USA an eine amerikanische Firma, die alles zusammenbaut und dann nach Israel weiter verkauft. Auf diese Weise ist es nicht nur möglich, das Kriegswaffenkontrollgesetz völlig legal zu umgehen, sondern auch die amerikanischen Rüstungshilfen für Israel in Anspruch zu nehmen, die zu einem großen Teil an Einkäufe in den USA gebunden sind.

Zur Zeit ist die israelische Siedlerbewegung sauer auf die Bundesrepublik, weil sie eine Ausstattung liefert, die von der Polizei bei der für den Sommer geplanten Räumung der Siedlungen im Gazastreifen und dem nördlichen Westjordanland benutzt werden wird: "Deutschland hilft, wieder einmal, dabei mit, Juden zu deportieren", wettert Siedlersprecherin Miriam Rosen: "Dieses Land hat nichts gelernt; ich rufe die Welt dazu auf, Deutschland zu boykottieren." Gegenstand der Entrüstung: 70 reinrassige Pferde,