"Jugendschutz? Das kommt noch..."

Update: Verfechter des Jugendschutzes per Gesichtskontrolle auf dem Postamt auf neuen Pfaden?

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Für den Jugendschutzsystemanbieter Coolspot ist Jugendschutz nicht nur ein Hobby. Selbstlos mahnt man andere Anbieter wegen mangelnder Altersverifikationssysteme ab. Bei all dem Stress hat man dann natürlich für den Schutz der eigenen Projekte wenig Zeit.

Schon seit Jahren macht man sich Gedanken, wie man denn die armen Kinder vor bösen Bildern von nackten Menschen, insbesondere beim Kopulieren, Masturbieren oder sonstigem -ieren, schützen kann. Während im realen Leben die Rotlichtviertel eben nicht gleich neben dem großen Spielplatz entstehen, ist das im Internet anders. Da landet man, will man den Verantwortlichen glauben, als Kind oder Jugendlicher zwangsläufig im Sündenpfuhl. In Tauschbörsen stolpert man über heimtückisch als britney-auf-dem-pferd.avi deklarierte Reiterspielchen statt sich über die politisch aufgeklärte Blondine zu freuen, in Chats lauern böse schwarze Männer und schleimen sich mit Fragen ein, die glücklicherweise längst als Zeichen für ihre schurkischen Absichten geoutet wurden.

Aber Rettung naht in Form der Altersverifikation. Der virtuelle Torwächter lässt nur jene herein, die in der Lage sind, mit den allgegenwärtigen Gefahren der dunklen Seite des Netzes fertig zu werden. Leider gibt es die sogenannten Netzaktivisten, die sich erdreisten, dem Torwächter die lange Nase zu zeigen, indem sie teuflische Algorithmen zur Berechnung der Personalausweisnummer verbreiten.

Das Problem haben glücklicherweise die meisten Anbieter von Erotik mittlerweile verstanden und engagieren sich jetzt selbstlos - mal gegen die Personalausweisnummernterroristen, mal gegen andere Erotikanbieter. Nur die Berliner Polizei stellt sich dabei so ungeschickt an, dass sie Ärger mit Uschi Glas bekommt (Prominente zum Porno-Surfen missbraucht?).

Bei all dem Stress, der mit diesem Kampf für den Jugendschutz einhergeht, muss dann schon mal anderes zurückstehen. Deshalb muss man einfach Verständnis haben für Roland Bongartz, Vorstand der Coolspot AG. Der schafft es momentan einfach nicht, ein neues Erotikportal vor den Augen der unschuldigen Kinder zu schützen. "Für deutsche User wird es dort ein entsprechendes AVS geben." erklärt der vielbeschäftigte Herr auf entsprechende Nachfrage.

Momentan ist wohl die Zeit knapp und bevor man auf unsichere Dinge wie die Personalausweisnummernabfrage ausweicht, setzt man lieber auf die Ehrlichkeit der Kunden und fragt sie treuherzig, ob sie denn auch die sittli... gesetzlich verankerte Reife hätten, um sich an den angebotenen Bildern zu erfreuen. Sat1 jedenfalls hat hierfür vollstes Verständnis und berichtet live in “Akte Erotisch" über das Portal. Im Sinne der journalistischen Grundversorgung mit Links weist Sat1 auch darauf hin, dass es "Weitere Infos auf der Seite... gibt" (die wir hier aus Jugendschutzgründen natürlich nicht nennen). In einem solchen Fall ist ein Link auf diese Seite schon mal in Ordnung, schließlich handelt es sich bei Nackte, pardon, Akte05 um seriösen Journalismus. Ein privater Webmaster hätte bei einem solchen Link natürlich schon eine Abmahnung zu fürchten.

Abmahnungen, Fernsehsendungen... kein Wunder, dass die Große Internetschwester des Herrn Bongartz noch ein wenig auf ihr virtuelles Dongle- und Postident-Torwächterchen warten muss. Aber für den Jugendschutz tut man ja fast alles - da macht Coolspot sogar mal seine Ankündigung, sich "aus dem Erotikgeschäft zurückzuziehen" rückgängig. Schließlich braucht der heroische Einsatz für die Kinder ja auch finanziellen Rückhalt - denn ein Button "Spenden Sie hier für Coolspots Kampf für den Jugendschutz" ist auch beim neuesten Portal nicht zu finden. Und mir aus diesem löblichen und redlichen Grund Sachsen-Paule, den Trainer, anzusehen, der im großschwesterlichen Haus zeigt, wo es lang geht, das musste dann doch nicht sein.

Update: Coolspot hat sich inzwischen klarer zu diesen in einem Forum geäußerten Vorwürfen geäußert und stellt auch gegenüber Telepolis klar:

Ich möchte Ihnen mitteilen, dass weder die Coolspot AG noch einer Ihrer Töchter Betreiber des bei Akte05 vorgestellten Erotikportals Big Sister ist. Der in Ihrem Artikel geweckte Eindruck, die Coolspot AG würde Deutsche Jugendschutzbestimmungen umgehen und sei selber Erotikanbieter, ist schlichtweg falsch.

Der Big-Sister-Betreiber plant lediglich, wie viele andere Seitenbetreiber auch, das durch uns betriebene AVS X-Check einzusetzen, wie man dort auch schon sehen kann.

Eine Webmaster-Vermarktung (des Angebots) durch unsere Webmaster-Lounge ist vertraglich mit dem Betreiber an die Konformität des Angebotes an deutsches Recht verknüpft. Vorher wird es keine Vermarktung durch die Coolspot geben.

Mit keinem Wort habe ich oder ein anderer Coolspot Mitarbeiter gesagt, dass die Coolspot oder eine deren Töchter Betreiber von Big Sister sei. Lediglich stellte ich in Aussicht, dass es auch eine in Deutschland legale Version für User und zur Vermarktung für Webmaster geben wird. Dazu ist die Vollständige Implementierung von X-Check erforderlich.

Es ist richtig dass wir erfolgreich gegen einen AVS Wettbewerber gerichtlich vorgegangen sind, Heise berichtete darüber. Derzeit führen wir keine gleichartigen Prozesse.

Roland Bongartz, Vorstand Coolspot AG