Symicron: Konkurs eines Abmahners

Die Firma, die einst den Begriff “Explorer” für sich beanspruchte, existiert nicht mehr

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Unrecht lohnt sich doch nicht: Mit der Marke „Explorer“ wurde einst eine der größten und bekanntesten Abmahnwellen des Internet gestartet. Doch es gab kein Produkt. Und nun gibt es auch kein Unternehmen mehr.

Es war gut eingefädelt und ging gezielt gegen kleine, kreative Webmaster – die den Kommerziellen verhassten „Netzindianer“, die im Netz kommunizieren wollten statt Shops zu bauen und Geld zu scheffeln und die die Jura-Cowboys nun erst ausnehmen und dann abknallen wollten. Nicht zum letzten Mal wurde dazu das gerade erst von der Kohl-Regierung verschärfte deutsche Markenrecht vernichtend angewendet.

Die Softwareklitsche Symicron aus Ratingen hatte sich 1995 den Begriff „Explorer“ als Marke eintragen lassen und damit nicht nur Microsoft angeblich um Millionensummen erleichtert. Wegen einer Namensähnlichkeit zu der zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits seit Jahren nicht mehr weiterentwickelten Shareware FTP-Explorer, die in Stefan Münz’ HTML-Kurs SelfHTML verlinkt war, wurde nämlich ab 1999 außerdem jeder Webmaster einzeln teuer mit vierstelligen Summen abgemahnt, der den HTML-Kurs von Münz auf seinen Seiten gespiegelt hatte. Münz hatte hierum extra gebeten, um die eigenen Traffickosten gering zu halten.

Ärgerlicherweise wurden die Abmahnungen von den Gerichten seinerzeit stets als rechtens anerkannt – erst als gegen Stefan Münz selbst geklagt wurde, war Schluss. Ebenfalls für Symicron verloren gingen ein Rechtsstreit mit dem Heise-Verlag um eine Heft-CD und der Prozess gegen die Krankenschwester Ulrike Strieder, die auch SelfHTML und damit den umstrittenen Link auf ihren privaten Webseiten hatte. Sie konnte sich jedoch nicht lange daran freuen, nach viel Stress von der teuren Abmahnklippe gesprungen zu sein und wird bis heute weiter behelligt. Auch andere Initiativen gegen den Abmahnwahn wurden unter anderem wegen dem Engagement in Sachen Explorer-Abmahnungen heftigst angegriffen.

Schließlich wurde die Marke Explorer wegen „Bösgläubigkeit“ und „Nichtnutzung“ (außer zum Abmahnen) gelöscht – die angebliche Software „Explorer“ wurde nie gefunden. Von Symicron hörte man anschließend auch nichts mehr – weder neue echte noch erfundene Produkte ließen sich blicken – bis zum 10. Juni 2005. An diesem Tag wurde nämlich am Amtsgericht Düsseldorf unter dem Aktenzeichen 501 IN 71/05 die Insolvenz der Symicron bekanntgegeben. Die Trauer im Netz hält sich bislang ausgesprochen in Grenzen.