Keine Napalm-Bomben im Irak, nur MK77-Brandbomben

Napalm-ähnliche Bomben, die zu chemischen Waffen zählen, wurden von den US-Truppen im Irak eingesetzt – auch gegenüber dem britischen Verteidigungsministerium wurde dies abgestritten

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Napalm-Bomben haben die USA massenweise im Korea- und im Vietnam-Krieg eingesetzt (Die himmlische Befreiungsbotschaft), aber auch schon im Zweiten Weltkrieg. Napalm haftet am Körper, verursacht schwere Verletzungen und ist ein Gemisch, das langsam, aber sehr heiß verbrennt. Auch im ersten Golfkrieg wurden 500 Napalm-Bomben abgeworfen, angeblich überwiegend, um brennende Ölgräben zu löschen, die die Iraker angelegt hatten. Das Pentagon hat zwar die alten Napalm-Bomben vernichtet, aber mit der MK77 eine neue Brandbombe mit ähnlichen Wirkungen geschaffen, die auch während der Invasion in den Irak eingesetzt wurde.

Als Napalm bezeichnet man ein Gemisch aus Benzol, Benzin und Polystyrol. Nachdem Napalm weltweit geächtet und der Einsatz von Brandbomben gegen Zivilisten durch ein internationales Abkommen verboten wurde (dem die USA aber nicht beigetreten sind), hat das Pentagon die Napalm-Bestände vernichtet, aber gleichzeitig mit der Brandbombe MK77 einen Ersatz geschaffen. Da diese ein anderes Gemisch enthält, nämlich statt Benzin Kerosin, sei die MK77 kein Napalm, betont das Pentagon. Allerdings sind Brandbomben, gleich ob "richtiges" Napalm oder die MK77, chemische Waffen und gehören damit zu der Gattung der Massenvernichtungswaffen.

"Napalm Explosion" von Gary Hoover. Bild: USAF Art Program

Die Bush-Regierung hat den Krieg gegen den Irak mit dessen Einsatz von Massenvernichtungswaffen gegen die Kurden begründet (aber vergessen, dass die USA nicht nur Napalm – 340.000 Tonnen in Vietnam - , sondern als einziges Land auch Atomwaffen eingesetzt haben; überdies will das Pentagon auch neue Nuklearwaffen entwickeln). Zudem wird der globale Krieg gegen den Terrorismus auch dadurch legitimiert, dass verhindert werden soll, dass Terroristen Massenvernichtungswaffen erhalten und einsetzen können. Die Verwendung von Brandbomben ist also ein heikles politisches Thema der Glaubwürdigkeit, was sich auch daran erkennen lässt, dass das Pentagon den Einsatz zunächst strikt abgestritten hatte, als Informationen über den Abwurf von Napalm-Bomben in Tora Bora und später beim Einmarsch in den Irak zirkulierten. General Franks sagte am 14. Dezember zu Tora Bora: "We're not using -- we're not using the old napalm in Tora Bora." Es kam damals in der Pressekonferenz keine Nachfrage, allerdings implizierte die Antwort, dass wohl ein "neues" Napalm eingesetzt worden ist.

"The generals love napalm. It has a big psychological effect"

Am 22.3.2003 berichtete etwa der "eingebettete" Reporter Lindsay Murdoch vom Sydney Morning Herald, dass die US-Truppen nach Auskunft eines Offiziers schon beim Einmarsch in den Irak "Napalm" auf Safwan Hill, einem Stützpinkt irakischer Truppen nahe der Grenze zu Kuwait, abgeworfen hätten. Das aber wurde vom Pentagon abgestritten, die schnell eine "Richtigstellung" an die Zeitung schickten, obgleich dies auch von einem CNN-Reporter gemeldet worden war:

Your story ('Dead bodies everywhere', by Lindsay Murdoch, March 22, 2003) claiming US forces are using napalm in Iraq, is patently false. The US took napalm out of service in the early 1970s. We completed destruction of our last batch of napalm on April 4, 2001, and no longer maintain any stocks of napalm. - Jeff A. Davis, Lieutenant Commander, US Navy, Office of the Assistant Secretary of Defense.

Im August 2003 räumte dann allerdings ein Pentagon-Sprecher, der aber anonym bleiben wollte, gegenüber dem Sydney Morning Herald ein, dass man MK77-Brandbomben auf Sawfan Hill abgeworfen habe:

It is like this: you've got (an) enemy that's hard to get at. And it will save your own lives to use it, and there is no international contraventions against it.

Auch gegen irakische Truppen an mindestens zwei Brücken wurden diese Bomben eingesetzt, wie Colonel Randolph Alles gegenüber der San Diego Tribune bestätigte:

We napalmed both those (bridge) approaches. Unfortunately, there were people there because you could see them in the (cockpit) video. They were Iraqi soldiers there. It's no great way to die. … The generals love napalm. It has a big psychological effect.

Mit der Betonung, dass die MK77 keine Napalm-Bombe ist, gab auch Colonel Mike Daily den Einsatz von Brandbomben zu. Er erklärte, dass zwar viele die MK77 als Napalm bezeichnen würden, weil ihre "Wirkung auf Ziele bemerkenswert ähnlich" sei. Aber Napalm-Bomben seien es eben nicht, diese seien vernichtet worden und nicht mehr im Einsatz. Die MK77s sind so genannte dumb bombs, die nicht präzis auf einen Feind abgeworfen werden können. Deren Einsatz gerade in städtischen Gebieten kann "Kollateralschäden" nicht ausschließen.

Auch während der Bombardierung und Einnahme von Falludscha im November 2004 sollen Brandbomben zum Einsatz gekommen sein. Diese Behauptung, die beispielsweise auch auf Islam Online verbreitet wurde, hat zu einem weiteren, außergewöhnlich umfangreichen offiziellen Dementi geführt:

The United States categorically denies the use of chemical weapons at anytime in Iraq, which includes the ongoing Fallujah operation. Furthermore, the United States does not under any circumstance support or condone the development, production, acquisition, transfer or use of chemical weapons by any country. All chemical weapons currently possessed by the United States have been declared to the Organization for the Prohibition of Chemical Weapons (OPCW) and are being destroyed in the United States in accordance with our obligations under the Chemical Weapons Convention.: Statement des Pentagon vom 12. 11.2004

Das US-Außenministerium konkretisierte zudem, dass auch keine "Napalm-ähnlichen Waffen" wie MK77s in Falludscha eingesetzt worden seien. Hierzu scheint es aber bislang keine neuen Kenntnisse zu geben.

Nun haben die "Napalm-ähnlichen Waffen", die aber kein Napalm sind, weil sie angeblich der Umwelt weniger Schaden würden, zu einem weiteren Problem geführt. Das Pentagon hatte nicht nur zunächst die Öffentlichkeit getäuscht, sondern offenbar auch die britischen Alliierten. Adam Ingram vom britischen Verteidigungsministerium hatte den Labour-Abgeordneten noch im Dezember 2004 versichert, dass die US-Truppen im Irak kein Napalm eingesetzt hätten. Am 11. Januar 2005 konkretisierte er die Angaben auf eine Frage des Abgeordneten Harry Cohen im Parlament und erklärte, dass auch keine Brandbomben des Typs MK77 eingesetzt worden wären:

The United States have confirmed to us that they have not used Mark 77 firebombs, which are essentially napalm canisters, in Iraq at any time. No other Coalition member has Mark 77 firebombs in their inventory.

Adam Ingram

Der Independent berichtet jetzt, dass der Zeitung ein Brief von Ingram an den Abgeordneten Harry Cohen zugespielt worden ist, in dem er einräumte, die Abgeordneten im Januar unbeabsichtigt angeschwindelt zu haben, weil er selbst falsch von den Amerikanern informiert wurde:

Die USA bestätigten meinen Mitarbeitern, dass sie zu keiner Zeit MK77s im Irak eingesetzt hätten, und das war die Grundlage meiner Antwort. Ich bedaure sagen zu müssen, dass ich seitdem entdeckt habe, dass dies nicht zutrifft und muss daher die Aussage korrigieren.

So seien zwischen dem 31. März und dem 2. April 2003 30 MK77s gegen militärische Ziele – und "entfernt von zivilen Zielen" – eingesetzt worden. Auch wenn das Abkommen über das Verbot von Brandbomben von den USA nicht ratifiziert wurde, so hatte dies Großbritannien getan und könnte damit als Bündnispartner in Schwierigkeiten geraten (allerdings hatten britische Truppen im Irak auch die geächteten Streubomben verwendet). Cohen will nun auch wissen, ob nicht doch auch in Falludscha und gegen zivile Ziele Brandbomben eingesetzt worden sind.