Nigerianische Bereicherung

Die meist militärischen Herrscher über das erdölreiche Nigeria haben sich in 40 Jahren mit über 500 Milliarden Dollar illegal bereichert, das Land gleichzeitig hoch verschuldet und die Mehrzahl der Menschen in die Verarmung gestürzt

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Nigeria ist das bevölkerungsreichste Land Afrikas. Es hat aber auch die größten Erölvorkommen. Trotzdem lebt ein Großteil der Menschen in großer Armut. Seit der Unabhängigkeit von Großbritanien im Jahr 1960 haben immer wieder Militärs die Macht an sich gerissen und sich damit auch bereichert. Der seit 1999 als Staatspräsident gewählte Olusegun Obasanjo kommt zwar auch aus dem Militär und war auch schon einmal Staatspräsident. Damals hatte er für die Übergabe an eine demokratisch gewählten Präsidenten gesorgt, der aber ein paar Jahre später wieder gestürzt wurde. Vor drei Jahren hat er nun zur Bekämpfung der in Nigeria grassierenden Korruption und Wirtschaftskriminalität die Economic and Financial Crimes Commission gegründet, die nun einen Bericht über die Ausbeutung des Landes durch seine früheren Herrscher vorgelegt hat.

Obasanjo war u.a. auch Präsident der Antikorruptions-Organisation Transparency International. Zusammen mit der Organisation hat er den Plan entwickelt, die Korruption im Land zu bekämpfen und dafür neben einem Antikorruptionsgesetz auch die Kommission geschaffen. Die grassierenden Betrügereien wirken sich auch direkt auf die Menschen in anderen Ländern aus, beispielsweise was die Internetscams der sogenannten Nigeria-Connection betrifft, die nach einem Paragrafen des nigerianischen Strafgesetzes auch als "419" bekannt sind.

Nach dem Bericht hat sich die herrschende Clique seit der Unabhängigkeit mit 520 Milliarden US-Dollar bereichert, die sie gestohlen oder sich anderweitig unredlich angeeignet hat. Das ist so viel, wie der Westen ganz Afrika von 1960 bis 1997 an Hilfe gegeben hat. Allerdings haben an diesem Betrug am Volk auch die westlichen Konzerne und Regierungen mitgewirkt.

Weit über die Hälfte der Menschen in Nigeria müssen mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen. Tausende Kinder sterben jeden Monat, weil Lebensmittel, sauberes Wasser oder medizinische Versorgung fehlen. 300.000 Kinder sollen jährlich alleine an Malaria sterben. 5 Prozent der Erwachsenen sind mit Aids infiziert. Bislang hat sich die Situation für die meisten Menschen trotz der Bekämpfung der Korruption und der Wiedereinführung der Demokratie nicht wesentlich verbessert (Regierungskritiker werden weiterhin verfolgt, Menschenrechtsverletzungen kaum geahndet). Das Land ist gekennzeichnet durch ethnische und religiösen Konflikte, Unruhen, eine hohe Kriminalität und extreme Unsicherheit, zu der vor allem auch die korrupten Sicherheitsorgane beitragen.

Nigeria hat unter der Zeit der Militärregime 35 Milliarden Dollar Auslandsschulden angehäuft. Seit Obasanjo Staatspräsident ist, bemüht sich die nigerianische Regierung darum, dass die westlichen Regierungen dem Land die Schulden erlassen. Die korrupten Regime hätten sie angehäuft, das land ausgebeutet und sinnlos Geld verschwendet, jetzt müsse die demokratische Zivilregierung darunter leiden. Allein Deutschland schuldet Nigeria 3,6 Milliarden Euro, der Schuldendienst beträgt jährlich 220 Millionen. Die von Tony Blair für den G8-Gipfel geplante Entschuldungsinitiative wird zwar weitgehend afrikanischen Ländern zugute kommen (Der Süden weiter im Minus). Nigeria ist allerdings nicht dabei und hätte auch schon mehr Schulden als der geplante Schuldenerlass in Höhe von 33 Milliarden Dollar.

Osita Nwajah, der Sprecher der Kommission, sagte, dass die 520 Milliarden Dollar, die sich die Herrschenden angeeignet haben, keine genau Zahl seien, wohl aber eine gute Schätzung. Möglich wurde die großangelegte Ausbeutung gerade durch die Erdölressourcen des Landes. Von den Exporterlösen haben sich die Militärdiktatoren und die zahlreichen Staatsbediensteten gut bereichert. Das Geld liegt in aller Regel in westlichen Banken. Allein General Sani Abacha, der letzte Militärdiktator, hatte sich zwischen 1,5 und 4,5 Milliarden Euro angeeignet. Bislang hat Nigeria bei der Suche nach den verschwundenen Milliarden bei Banken auf der ganzen Welt allerdings nur 800 Millionen Euro zurück erhalten können.