Britische Regierung erwägt Verkauf persönlicher Daten der Bürger an Unternehmen

Weil die Einführung der digitalen Ausweise wohl sehr viel teurer als geplant wird, brütet man teils verwegene Pläne aus

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Im deutschen Innenministerium ist man sich angeblich sicher. Der neue digitale Ausweis, der ab Ende des Jahres ausgestellt werden soll, wird dem Bürger direkt 59 Euro kosten. Alles andere zahlt der Staat, wird also durch Steuern finanziert, für die auch die Bürger aufkommen (Was wird ein biometrischer Ausweis kosten?). Auch in Großbritannien soll der digitale Ausweis schnell eingeführt werden. Hier aber geht man von wesentlichen höheren Kosten aus und heckt nun zur Finanzierung der umstrittenen Maßnahme, die hier wie dort mit dem Schutz vor dem Terrorismus begründet wird, teil exotische Pläne.

Ursprünglich ging man im britischen Innenministerium gerade einmal von 60 Euro für einen digitalen Ausweis aus. Alle Kosten sollten damit abgedeckt sein. Eine Kostenabschätzung der London School of Economics kam jedoch auf bis zu 400 Euro (Was wird ein biometrischer Ausweis kosten?). Die Regierung selbst scheint mittlerweile mit mindestens 160 Euro zu rechnen, vermutlich dürften es um die 350 Euro sein. Nach einer Umfrage würden nur 10 Prozent der Briten die Ausgabe von digitalen Ausweisen unterstützen, wenn sie 160 Euro viel kosten. Danach sinkt die Akzeptanz weiter rapide ab. Der Innenminister denkt daher daran, ab 2010 die Ausweise zwangsweise einzuführen.

Aber es gibt auch andere Pläne. So überlegt man, vielleicht doch aus Kostengründen keine biometrischen Daten aufzunehmen, sondern beispielsweise den neuen Personalausweis mit dem Reisepass zu verbinden, für den die Briten sowieso bereits 65 Euro zahlen. Wie bei den Bankkarten gäbe es hier einfach eine billige Version mit einem Chip und einem Pin.

Noch verwegener freilich ist der Plan, die Finanzierung der digitalen Ausweise dadurch erreichen zu wollen, indem man die persönlichen Daten der 44 Millionen Bürger an interessierte Unternehmen verkauft. Angeblich würden, wie der Independent berichtet darüber mit Unternehmen schon Gespräche geführt. Man stellt sich offenbar vor, dass pro Datenset 1.130 Euro verlangt werden könnten. Unternehmen wie Banken, Kaufhäuser oder Supermärkte könnten dann die Daten direkt beziehen oder mit eigenen Systemen die Identität eines Kunden anhand der biometrischen Merkmale durch einen Iris-Scan und/oder Fingerabdrücke überprüfen.

Über die Einführung der Ausweise wird kommende Woche im Unterhaus verhandelt. Die Ablehnungsfront dürfte stärker werden, für die Regierung Blair wird es ein erster Test werden. Denn es sind nicht nur die davon galoppierenden Kosten und die Kritik an der Ineffektivität von Ausweisen mit biometrischen Merkmalen zur Terrorbekämpfung, die die Ablehnung nähren. Die Einführung der Ausweise soll auch durch ein Konsortium geschehen, an dessen Spitze die Firma EDS steht. Die ist letzthin ins Gerede gekommen, weil sie für ein Computersystem beim Finanzamt verantwortlich war, das vielen Briten im letzten Jahr fehlerhaft Geld von der Steuer zurück erstattet hat. Dabei soll es sich um Beträge in Höhe von 900 Millionen Euro handeln. Insgesamt wurden 3,4 Milliarden Euro zuviel ausbezahlt. Blair hatte sich bereits für das Durcheinander entschuldigt.

Update:

Tony McNulty, Staatssekretär im Innenministerium, bestritt am Sonntag den Bericht des Independent, dass die Regierung daran denke, die persönlichen Daten der Bürger an Unternehmen zu verkaufen. Zwar würden Banken die Identität ihrer Kunden aufgrund der Datenbank verifizieren können, aber dafür würde nichts verlangt werden. Das sei auch gerade der Sinn der Datenbank. Aber die Banken könnten die Daten nur abgleichen und hätten keinen "direkten Zugriff" auf die Datenbank: "Es wird niemandem erlaubt werden, in der Datenbank nach Informationen auf die Suche zu gehen."