"Experiment geglückt!"

Das Wiki, DIE GRÜNEN, ihr Wahlprogramm und Clausthaler-Light

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Es hörte sich alles so nett an: DIE GRÜNEN besinnen sich ihrer basisdemokratischen Wurzeln, kombinieren e mit moderner Kommunikationstechnologie und lassen anhand eines Wiki-Portals einen Teil ihres Wahlprogramms von der Internet-Community entwickeln. Prompt formulierten ca. 450 Teilnehmer Positionen für den Teil Digitale Gesellschaft. Im Wahlprogramm blieb aber davon wenig übrig: Bürgerbeteiligung im Clausthaler-Light-Format.

Uneingeschränkt positiv beurteilen wir elektronische Meinungsforen und Meinungsumfragen. Diese neuen Beteiligungsmöglichkeiten begreifen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ganz klar als Chance für mehr Demokratie.

Dementsprechend hatten DIE GRÜNEN im Juni öffentlich dazu aufgerufen, an ihrem Programm per Internet mitzuarbeiten und waren damit auf reges Interesse gestoßen. Formuliert wurden dabei von den Internet-Usern besonders Positionen, die an der Tradition der GRÜNEN als Bürgerrechts-Partei anknüpften. So wurde z. B. angeregt, “digitale Ratshäuser“ zu errichten, welche den Kontakt zu den Behörden erleichtern und deren Entscheidungsfindung transparenter machen würden. Staatliche Handlungen sollten über die Veröffentlichung von Sitzungsprotokollen, Anhörungen etc. im Internet für den Bürger nachvollziehbar gemacht und vor Gericht als Beweismittel anerkannt werden.

Aus Abgaben und Steuern finanzierte Einrichtungen und private Verwertungsorganisationen wie die GEZ oder die Gema sollten ihre Haushalte in auswertbarer Form publik machen. Beim Aufbau der “E-Democracy“ sollt Open-Source-Software bevorzugt werden. Die Digitalisierung zu privaten, schulischen und wissenschaftlichen Zwecken sollte im Urheberrecht festgeschrieben und Tauschbörsen legalisiert werden. Es wurde dafür plädiert, das Fortgelten des Urheberrechts nach dem Tod des Produzenten von siebzig auf zwanzig Jahre zu verringern. Die Betreiber privater Homepages sollten vor auf Abmahnungen im Urheberrechtsverstöße spezialisierten Juristen und Vereinen geschützt und generell. “digitaler Verbraucher- und Arbeitnehmerschutz“ durch die Schaffung eines Bundesinstituts für Datenschutz gewährleistet werden. Sicherheit vor Dialern und elektronischen Kostenfallen, die Unterbindung von Lizenzwillkür und Softwarepatenten und der Internet-Zugang für alle über eine Breitband-Flatrate wurde gefordert

Am 4. Juli ließen DIE GRÜNEN durch eine Pressemitteilung verlautbaren: Wiki-Experiment“ geglückt, das Bundesvorstandsmitglied Katja Husen schränkte aber sogleich ein:

Wer neue Wege beschreitet, lernt allerdings auch dazu. So hätte es einer inhaltlichen Moderation bedurft. Wir mussten den Text am Ende stark kürzen sowie inhaltlich und sprachlich überarbeiten. (...). Wir haben zahlreiche kleinere Anregungen aufgenommen, beispielsweise eine fairere Abmahnpraxis im Urheberrecht (...). Aber mit dem Vorstands-Beschluss zur Digitalen Gesellschaft haben wir die in das Wahlprogramm übernommenen Teile ergänzt und netzpolitische Leitlinien der Partei festgezurrt. Das Engagement der etwa 450 Teilnehmerinnen und Teilnehmer war also nicht umsonst.

Katja Husen

Das Wahlprogramm

Was nun aber letztlich den Weg in das Wahlprogramm geschafft hat, waren zwei kurze, allgemeine und dürre Ausführungen.

Unter dem Punkt “Digitale Daten der Verbraucherinnen und Verbraucher schützen“ wurde festgehalten, dass die “Digitalisierung unserer Gesellschaft (...) nicht zu Einschränkungen von Grundrechten führen“ darf. Weiter wurde ausgeführt, wie „Datenschutz zu einem echten Wettbewerbsvorteil“ werden könne, nämlich durch die „Vergabe von Datenschutzgütesiegeln“, wohl eine Art “Grüner Punkt“ der Kommunikationstechnologie. Außerdem wollen DIE GRÜNEN eine „durchsetzungsstarke digitale Privatkopie“ und erteilen in puncto Tauschbörsen der “Kriminalisierung der Schulhöfe (...) eine klare Absage.“ Der Kampf der GRÜNEN gehe um „eine gerechte Balance zwischen den Interessen der Verbraucher und den Urhebern und Verwertern kultureller Güter.“

Unter dem Punkt “Medien demokratisch nutzen“ sind hingegen die Aussagen des Originaltextes bemerkenswert schwächer formuliert:

Wir wollen Bürger- und Nutzerrechte ausbauen und gleichzeitig der Wirtschaft die notwendigen Rahmenbedingungen für die Entfaltung von Innovationen zur Verfügung stellen. Wir wollen den Zugang zum Internet für alle Bürgerinnen und Bürger ermöglichen. Dazu zählen barrierefreie Webangebote für Blinde genauso wie Kurse, die auf die speziellen Bedürfnisse von Kindern oder Senioren abgestimmt sind. Das Internet ermöglicht den schnellen, unbürokratischen Dialog mit Politik und Verwaltung, aber auch verstärkten Bürokratieabbau und mehr Effizienz. Diese Chancen des Netzes für mehr Demokratie und Transparenz wollen wir nutzen.

Wir unterstützen neue Modelle und Initiativen zu einer möglichst weiten Verbreitung von Wissen und zur Schaffung kreativer Leistungen, wie Open Access oder Creative Commens. Wir wollen Freie Software und Offene Standards verstärkt fördern und werden uns weiterhin vehement gegen eine Patentierung von Software einsetzen. Staatlich finanziertes Wissen z.B. in Gesetzestexten oder wissenschaftlichen Publikationen soll so frei wie möglich zugänglich sein.

Diese beiden allgemeinen Punkte, die nicht mehr ganz so viel von dem ursprünglichen Wiki-Programmes beinhalten, wurden noch mit folgenden Fußnoten versehen:

Sie konnten mitreden! In einem demokratischen Diskussionsprozess hatten die Internetnutzer der grünen Web-Seite, die Möglichkeit diesen Absatz zu gestalten, den wir gekürzt aufgenommen haben.