"British born bombers"

Update: Die britische Polizei glaubt, vier Attentäter der Anschläge in London identifiziert zu haben, und sie geht von Selbstmordanschlägen aus

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Die britische Polizei ist auf die Spur der vier mutmaßlichen Attentäter gestoßen, teilte gestern Peter Clarke, der Leiter der Antiterror-Abteilung der Metropolitan Police und nationale Koordinator der Terroristenuntersuchung, der Presse mit. Maßgeblicher Grund für die Identifizierung waren Bilder von Überwachungskameras in der U-Bahn sowie persönliche Dokumente mit Namen und Adressen, die am Explosionsort gefunden wurden. Das dürfte diejenigen bestärken, die für den Ausbau der Überwachung sorgen (Politiker fordern mehr Überwachung zur Verhinderung von Terror).

Update:

Der 22jährige Shehzad Tanweer, einer der "bomber"

Die Polizei vermutet noch immer, dass die Anschläge von vier Selbstmordattentätern ausgeführt wurde, die alle umgekommen sind. Beweise dafür scheint es aber noch nicht zu geben. Inzwischen wurde die Identität von drei der vier mutmaßlichen Attentäter bekannt gegeben. Es handelt sich um junge Männer (19, 22 und 30 Jahre alt) pakistanischer Abstammung, die in Großbritannien geboren wurden und aus Leeds kommen. Der vierte Verdächtige soll aus Luton kommen, wo man am Bahnhof ein Fahrzeug mit Sprengstoff gefunden hatte. Die Polizei nimmt an, dass er auch wie die anderen Brite pakistanischer Herkunft ist. Auch in einem Haus in Leeds, das gestern durchsucht wurde, entdeckte die Polizei erhebliche Mengen an Sprengstoff. Ob es sich um den gleichen handelt, der bei den Anschlägen verwendet wurde, ist noch nicht bekannt. Zwei der Verdächtigen seien erst vor kurzem aus Pakistan zurück nach Großbritannien gekommen.

Keiner der Verdächtigen war der Polizei oder den Geheimdiensten bisher aufgefallen und befand sich auf irgendeiner Liste. Die Polizei spricht von "cleanskins". Einer soll allerdings Verbindungen mit einer Person gehabt haben, die von der Polizei untersucht wurde. Offenbar geht man davon aus, dass die jungen Männer die Tat nicht alleine geplant haben, sondern dass im Hintergrund ein "Mastermind" steht, der schon vor den Anschlägen aus dem Land geflohen sein könnte. Offenbar gibt es auch hier eine Liste von Verdächtigen, die aber untergetaucht sind und sich teilweise womöglich auch im Irak aufhalten könnten.

"We do not believe for a moment the young men who carried out these suicide attacks acted alone. They were mere cannon fodder, impressionable young men brainwashed to do the vile deeds of other people who are still out there somewhere.

Ein Angehöriger der britischen Sicherheitskräfte
Mustafa Setmariam Nasa

Als einer der Hauptverdächtigen gilt der Syrer Mustafa Setmariam Nasa, der auch die spanische Staatsbürgerschaft besitzt und seit einiger Zeit auch in Zusammenhang mit den Anschlägen in Madrid gebracht wird (Verbindungen zwischen den Attentätern in London und Madrid?). Er soll vor dem 11.9. Großbritannien verlassen und in Afghanistan in einem Ausbildungslager tätig gewesen sein. Zuletzt soll er angeblich im Irak gesehen worden sein. Andere vermuten, er könne sich in Afghanistan oder Pakistan aufhalten. Auf Setmariam ist ein Kopfgeld von 5 Millionen Dollar ausgesetzt.

Noch ist unklar, ob es sich bei den Bombenanschlägen um Selbstmordattentate gehandelt hat und ob alle Attentäter umgekommen sind. Die Polizei vermutet, dass höchstwahrscheinlich einer der Attentäter in der U-Bahn bei Aldgate sowie ein weiterer im Bus getötet worden seien. Im Bus fand man die persönlichen Dokumente von Hasib Hussain, einem der mutmaßlichen Attentäter aus West Yorkshire, der von seiner Familie am Donnerstag nach den Anschlägen als vermisst gemeldet worden war.

Diese Information hat die Polizei dann offenbar bei der Suche nach Bildern von Überwachungskameras benutzen können. So entdeckte man den Verdächtigen zusammen mit drei weiteren Personen auf Bildern von Überwachungskameras am Bahnhof King's Cross, wo diese mit einem Zug aus der Richtung Leeds um 8 Uhr 30 angekommen waren – 20 Minuten vor den Anschlägen. Alle trugen dieselben Rucksäcke, in denen der Sprengstoff vermutet wird. Sie wirkten entspannt und unterhielten sich, als wären sie auf einem Ausflug, berichtete ein Polizist, der das Video gesehen hat. Von King's Cross lassen sich die U-Bahnlinien besteigen, auf die die Anschläge ausgeübt wurden. Da persönliche Dokumente von weiteren zwei mutmaßlichen Attentätern in dem Wagen der zwischen Liverpool Street und Aldgate explodierten U-Bahn, von einem der beiden fand man noch Dokumente in dem Wagen an der Edgware Road. Daher bleibt nur der vierte der Gruppe noch unbekannt, dessen Leiche die Polizei noch in der U-Bahn unter dem Russell Square vermutet.

Allerdings ist seltsam, dass die Dokumente von einem mutmaßlichen Attentäter in zwei Wagen gefunden wurden. Unklar ist weiterhin, warum die Bombe im Bus erst eine Stunde später losging, während die Anschläge in den U-Bahnen fast gleichzeitig erfolgten (eine Vermutung ist nun, dass der jüngste der Verdächtigen, der 19-jährige Hasib Hussain, ursprünglich die U-Bahn Richtung Norden nehmen sollte, die aber gesperrt war. Daher ist er womöglich am King's Gross in den Doppeldeckerbus gestiegen. Aber warum er dann erst eine Stunde später die Bombe gezündet hat, ob es sich um einen Zeitzünder oder um eine Panne, ist weiterhin unklar).

Die Polizei will nun versuchen herauszubekommen, was die vier Personen in der Zeit vor dem Anschlag gemacht haben und ob sich die Vermutung bestätigt, dass alle Verdächtigen bei den Anschlägen umgekommen sind. Wenn es sich denn bestätigen sollte, dass es sich bei der Gruppe um die Attentäter handelt, dann bleibt noch offen, ob es sich wirklich um Selbstmordanschläge gehandelt hat. Wenn tatsächlich mindesten zwei der Attentäter an der Explosion gestorben sind, dürfte ein Selbstmordanschlag nahe liegen. Allerdings ist man bislang davon ausgegangen, dass sich die Bomben mit Zeitzündern in Taschen befanden, was zumindest ungewöhnlich für Selbstmordattentäter ist.

Die drei bereits Identifizierten stammten alle aus West Yorkshire. In Leeds nahm die Polizei gestern auch einen Verwandten von einem der Verdächtigen fest und durchsuchte die Wohnungen der drei bekannten Verdächtigen sowie drei weitere Wohnungen. In einem der Häuser wurde angeblich Sprengstoff entdeckt. Am Bahnhof in Luton auf der Strecke zwischen Leeds und London fand die Polizei einen Wagen, mit die mutmaßlichen Attentäter vielleicht gefahren waren. In ihm scheint sich Sprengstoff befunden zu haben.

Sir Iqbal Sacranie vom Muslim Council of Britain, dxer die Anschläge verurteilt hatte, sagte, dass es so aussieht, als sei "unsere Jugend" an den Terroranschlägen beteiligt gewesen. Das würde darauf hinweisen, dass es sich um junge Muslime gehandelt hat. Die BBC spricht von "British born bombers" und sagt: "Counter-terrorist officers tell the BBC they believe all four of the bomb suspects are British born." Bei einem der Verdächtigen soll es sich um den 22-jährigen Shahzad Tanweer handeln. Freunde erklärten, sie könnten sich nicht vorstellen, dass er ein Terrorist sein könne. Er sei ein guter Muslim, der keine Verbindung zu Fundamentalisten gehabt habe, und ein netter Mensch. Die beiden anderen sollen 19 bzw. 30 Jahre alt sein.

Angeblich überwachen Geheimdienste und Antiterroreinheiten der Polizei aus der Gruppe derjenigen bekannten britischen Muslims, die in al-Qaida.Ausbildungslagern gewesen sein woollen, Dutzende von Verdächtigen, die am ehesten in die Terroranschläge verwickelt sein können. Dabei werden die Verdächtigen auf Schritt und Tritt überwacht, ihre Telefone und Internetkommunikation abgehört und winzige Überwachungskameras und Mikrofone eingesetzt.