Elefantenhochzeit angekündigt

Mit der Fusion mit Pro7/Sat1-Media würde das Springer-Imperium zum zweitgrößten deutschen Medienkonzern

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Für den Erwerb der Mehrheitsanteile am größten deutschen privaten Fernsehsender ProSiebenSat.1 will der Springer-Konzern 4,15 Mrd. € springen lassen. Europas größter Zeitungsverlag würde damit nach Bertelsmann zum zweitgrößten Medienkonzern der BRD sowie hierzulande Marktführer in der Sparte Print und TV. Das Kartellamt muss dieser Transaktion allerdings noch zustimmen. Die Fusion wird z.B. von der Deutschen Journalistenunion (DJU) und Medienexperten wegen der großen Machtkonzentration kritisiert. Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner sieht der Entscheidung der Kartellbehörde trotzdem gelassen entgegen. Schließlich habe sie auch der Geschäftsverbindung zwischen Bertelsmann und RTL zugestimmt, und da sei es um eine viel größere Konzentration gegangen, äußerte er gegenüber den Medien.

Die Elefantenhochzeit der beiden Medienriesen wäre der vorläufige Höhepunkt einer langjährigen Beziehung zwischen der Familie Springer und Leo Kirch, dem Gründer der Kirch-Gruppe, die 2002 zerschlagen und teilweise an den US-Milliardär Haim Saban verkauft wurde. Die Damen und Herren Springer und Kirch waren lange Zeit geschäftlich miteinander verbandelt, indem sie gegenseitig Anteilseigner von Aktien des jeweils anderen Unternehmens waren.

Der Verlegersohn Axel Cäsar Springer galt nach dem Krieg als politisch unbelastet und verfügte über gute Beziehungen zur britischen Militärregierung. Deshalb wurde ihm die Lizenz für die Programmzeitschrift Hör Zu erteilt. Ab 1948 erschien das Hamburger Abendblatt, 1952 folgte Bild, 1953 die Welt. Zwei Dinge lagen dem Hamburger Verleger publizistisch sehr am Herzen: der Kampf um die Anerkennung Israels und die Negierung der Existenz zweier deutscher Staaten.

Er hat unbestritten einen großen Beitrag dazu geleistet, dass der „Judenstaat“, wie Israel damals größtenteils noch verächtlich genannt wurde, als eigenständiger Staat akzeptiert und – wenn auch unzureichend - Wiedergutmachung gezahlt wurde. DDR durfte in Springer-Blättern nur in Anführungsstrichen geschrieben werden, was dem Arbeiter- und Bauernstaat den Beinamen „Springers Gänsefüßchenland“ einbrachte.

Ende der 50er Jahre expandierte der Konzern und kaufte sich in die Berliner Ullstein-AG ein. Zum Geschäftsführer des Berliner Verlages ernannte Springer den Abendblatt-Redakteur Peter Tamm. Zwei Jahre später kam Tamm nach Hamburg zurück und wurde Bild-Verlagsleiter. Unter seiner Ägide überschritt die Auflage von Bild erstmalig die 5-Millionen-Grenze. 1964 wechselte Tamm in die Berliner Springer-Zentrale. 1968 wurde diese im Rahmen der Studentenrevolte besetzt. Auf Tamms Geheiß prügelten mit Knüppel bewaffnete Drucker und Polizisten mit Schlagstöcken auf die Studenten ein. Dieser von Tamm inszenierte Abwehrkampf beeindruckte Axel Springer dermaßen, dass der Firmenpatriarch seinen Berliner Statthalter umgehend zum allein zeichnungsberechtigten Geschäftsführer der Axel Springer Verlag GmbH ernannte.

Der Springer-Konzern wird zum Medienkonzern

1970 wurde die GmbH in eine AG umgewandelt - mit Tamm als Alleinvorstand. Er trug maßgeblich zur inhaltlichen Ausrichtung des Konzern bei, außerdem steigerte er dessen Umsatz zwischen 1968 und 1991 von 430 Mio. € auf mehr als 1,75 Mrd. €. 1967 hatte Springer einen Marktanteil von 38,5% bei allen bundesdeutschen und Westberliner Tages- und Sonntagszeitungen. Heute ist der Springer-Konzern das größte Verlagshaus Europas, die Bild wird laut Medienberichten täglich von 12 Mio. Menschen gelesen, allein in Hamburg hat die Zeitung eine Reichweite von fast 1 Million Lesern. Im Jahr 2000, vor der Fusion von AOL und Time Warner und der Zerschlagung der Kirch-Gruppe, stand Springer auf Platz 34 der Topp 50 der Medienkonzerne weltweit. Der Umsatz des Konzerns betrug 1999 etwa 2,6 Mrd. €, der Gewinn knapp 150 Mio. €.

Tamms Springer-Connection funktioniert auch noch fast 15 Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen. Dem pensionierten Top-Manager und passionierten Sammler von Marine-Militaria aller Art gelang es, vom Hamburger Senat 30 Mio., € zur Errichtung des „Internationalen Schifffahrts- und Meeresmuseum Peter Tamm“ zu erhalten. Dieser Deal wurde von der damaligen Kultursenatorin Dana Horáková (parteilos) eingeleitet - sie war unter Tamm Chefin der Bild-Kulturredaktion. Dessen Museumsprojekt wird von Friedensgruppen wegen der kriegsverherrlichenden Darstellung und vor allem der Ansammlung von NS-Insignien, die bereits jetzt in seiner Privatvilla an der Elbchaussee zur Schau gestellt werden, kritisiert. Bei der Grundsteinlegung des künftigen Museums am 14. Juni 2005 in der Hamburger Speicherstadt wurde eine Ausgabe der Bild-Zeitung eingemauert - als Symbol für die Verbundenheit Tamms mit dem Springer-Blatt.

In den vergangenen Jahren konnten aufgrund der politischen Weltlage die Produktpalette und das Springer-Refugium enorm ausgeweitet werden: Frauen- und Computerzeitschriften gehören genauso dazu wie die Kieler Nachrichten, die Leipziger Volkszeitung sowie Regionalzeitungen in Österreich, der Schweiz, Rumänien und Ungarn. 2000 war Springer an mehr als 10 Hörfunkgesellschaften und an mehreren TV-Produktionsfirmen beteiligt. 1984 wurde in Sat1 investiert und vor einigen Jahren erwarb der Konzern Anteile an dem lokalen Fernsehsender HH1. Die Aktienmehrheit daran besitzt Michael Otto, Inhaber des in Hamburg ansässigen größten Versandhauses der Welt, der seinerseits im Aufsichtsrat der Axel Springer AG sitzt. Gemeinsam beherrschen Otto und Springer die Hamburger Privatmedien in den Bereichen Print, Radio und TV.

Kirch und Springer

Leo Kirch begann 1955 den Handel mit Filmrechten für das Fernsehen. Mit einem VW-Käfer reiste er durch die Lande und kaufte Lizenzen. Der erste große Coup: „La Strada“ von Fellini. Schnell konnte er den damals einzigen Fernsehsender ARD als Kunden gewinnen und alteingesessene Kinoproduzenten als Konkurrenten aus dem Rennen werfen. 1959 kaufte er erstmals Filme in Hollywood ein, 1961 gewann er mit dem neu gegründeten ZDF einen weiteren Großkunden, was ihm eine Monopolstellung verschaffte. Später stieg Kirch in den Privat-TV-Markt ein und übernahm die Führungsposition in diesem Sektor. Als erster in der BRD brachte er 1984 den Privatsender SAT1 an den Start. Zur Kirch-Gruppe gehörten außerdem die Sender Pro7, Kabel1, N24 und DSF, letzteres ein Joint venture mit Sylvio Berlusconi. 2000 stand das Unternehmen auf Rang 16 der Top 50 der weltweit größten Medienkonzerne.

Ab 1985 kaufte Kirch Anteile der Springer AG, zunächst 10%, die er auf insgesamt 40% steigerte. 2001 besaß die Familie Springer 50% plus eine Aktie, Kirch 40,8% Springer-Aktien, der Rest war auf etwa 1.860 Aktionäre gestreut. Im Gegenzug kaufte Springer sich bei Sat1 ein. Aus der anfänglich erbitterten Feindschaft - Kirch tätigte die Aktienkäufe größtenteils über Strohmänner, da Springer nicht an ihn verkaufen wollte – entwickelte sich zu einer für beide Seiten vorteilhaften Geschäftsverbindung: Kirch behielt die Führung im Sektor Privatfernsehen, der Springer-Konzern übernahm den journalistischen Part, also die inhaltliche Ausgestaltung des Programms und die Hamburger Redaktionen belieferten die Kirch-Sender mit Nachrichten.

Ende der 90er Jahre kamen Gerüchte auf, der Medienmogul Leo Kirch sein finanziell am Ende. Es hieß, mit dem Einstieg in die Sparte Pay-TV (Premiere) habe er sich übernommen. Ob das wirklich der Grund war, sei dahin gestellt. Fakt ist, Premiere war ein gigantisches Verlustgeschäft, Kirch musste Insolvenz beantragen und sein Imperium wurde zerschlagen. ProSiebenSat.1 wurde von dem US-Milliardär Haim Saban aufgekauft. Dieser sanierte das Unternehmen, alle Sender schreiben inzwischen schwarze Zahlen.

Jetzt bot Saban das ehemalige Tochterunternehmen der Kirch-Gruppe Springer zum Kauf an. 2,5 Mrd. € will der dafür auf den Tisch blättern - größtenteils bar. Das dürfte die Beschäftigten des deutschen Weltkonzerns brennend interessieren, denn in den vergangenen Jahren wurden kräftig Stellen abgebaut. 2002 läutete Vorstandsvorsitzender August A. Fischer einen „rigorosen Sparkurs“ ein. Angeblich war das Anzeigengeschäft enorm zurückgegangen und die Druckkosten übermäßig gestiegen. Fischer wollte „Grundlagen für Wachstum in unseren Printmärkten und den Multimediamärkten der Zukunft“ schaffen, wie er in einer Pressemitteilung verkündete. Dabei wollte er das „vorhandene Rationalisierungspotential konsequent ausschöpfen“, was nichts anderes hieß, als 1.400 Arbeitsplätze abzubauen, 400 davon im Hamburger Stammhaus. Die Sanierung auf Kosten der Beschäftigten hat sich für den Konzern offenbar gerechnet, denn vor zwei Jahren konnte sich Springer noch nicht leisten, ProSiebenSat.1 aufzukaufen. Im Vergleich zu heute wäre das damals marode Unternehmen allerdings zum Schnäppchenpreis zu haben gewesen.

Die Zahlenangaben sind entnommen aus:

Möwe, Friedrich, Tamm-Tamm, HH, 2005
Hachmeister, Lutz, Rager, Günther, Wer beherrscht die Medien? München 2000
Liedtke, Rüdiger, Wem gehört die Republik 2001? Frankfurt/Main 2000