Zerreißproben für die Linkspartei

Die Linkspartei ist nach dem Berliner Landesparteitag jetzt bundesweit etabliert - aber ihre Zukunft ist noch offen

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Seit dem Wochenende heißt auch in Berlin die PDS Linkspartei. Als letzter Landesverband hat auch die Berliner diese Namensänderung mit großer Mehrheit beschlossen. Operation geglückt, könnte man denken. Doch nach dem Landesparteitag herrscht Katerstimmung vor allem bei der Berliner Wahlalternative. Denn die sieht ihre Wünsche nach fairer Berücksichtigung ihrer Kandidaten bei der Listenaufstellung nicht erfüllt. Der von der WASG vorgeschlagene Gewerkschafter Ralf Krämer wurde statt auf den siebten jetzt schon auf den sechsten Platz der Landesliste gewählt und hat damit etwas mehr Chancen, in den Bundestag einzuziehen. Ansonsten wurden alle WASG-Vorschläge nach Kandidaten auf führenden Plätzen von der Berliner PDS abgebürstet.

Das Verhältnis der beiden Linkspartner ist in der Hauptstadt besonders gespannt. Denn dort regiert die PDS bekanntlich mit und wird daher wohl oder übel auch für die Sparpolitik des Senats in die Verantwortung genommen. In den letzten Jahren sind daher einige PDS-Mitglieder in die Wahlalternative eingetreten, die im letzten Sommer noch zusammen mit der Berliner Polizeigewerkschaft ein Volksbegehren zu Neuwahlen und damit zur Abwahl des SPD/PDS-Senats unterstützte. Das hat schon im letzten Herbst zu Querelen mit den Gründern der Wahlalternative geführt. Die Bundespolitiker wollten sich durch den Berliner Landesverband nicht die damals schon in Hinterzimmern diskutierte Option einer gemeinsamen Kandidatur bei den Bundestagswahlen schmälern lassen.

Nun könnte man denken, in Berlin ist die Situation zwischen den beiden Linksparteien besonders verfahren. Doch könnte Berlin im Gegenteil zeigen, welchen Konflikten die Linkspartei noch ausgesetzt sein wird. Denn seit in Meinungsumfragen eine liberal-konservative Koalition keine absolute Mehrheit mehr besitzt, bekommt die neue politische Formation ein besonderes Gewicht. Schon wird vereinzelt diskutiert, ob SPD, Grüne und Linkspartei zusammen eine konservative Mehrheit verhindern könnten. Bei der nächsten Wahl ist dieser Fall noch nicht aktuell, sagen führende Politiker sowohl der Linkspartei als auch der SPD. Auch Parteienforscher bestätigen bestätigten, dass es auf beiden Seiten für eine solche Zusammenarbeit noch zu früh ist. Aber nach den nächsten Wahlen kann die Situation schon ganz anders aussehen. Wie schnell der Schwur, nie mit der PDS zusammen zu arbeiten, über Bord geworfen wurde, als es die politischen Verhältnisse erlaubten, zeigte sich in Berlin.

Für die Linkspartei könnte eine solch frühe Debatte über die Tolerierung oder gar die Beteiligung an einer Regierung aber sehr schnell zu einer Zerreißprobe führen. Gerade die aus der SPD ausgetretenen WASGler dürften mit einer Regierungsbeteiligung ebenso wenig Probleme haben wie gestandene Gewerkschafter mit langjährigen sozialdemokratischen Hintergrund. Lafontaine wird sogar nachgesagt, noch immer von neuem Einfluss auf die SPD zu träumen. Vielleicht käme er diesem Ziel in der Post-Schröder-Ära näher, wenn die Linkspartei in einigen Bundesländern vor allem im Osten stärker als die SPD wird und auch im Bund ein mindestens zweistelliges Wahlergebnis einfährt.

Für solche Ziele haben hingegen linke Basismitglieder der WASG nichts übrig, die die PDS in den letzten Jahren verlassen haben oder noch nie in einer Partei waren. Der Konflikt könnte vor der Berliner Abgeordnetenhauswahl im nächsten Jahr akut werden. Der Berliner Landesverband der WASG will an einer eigenen Kandidatur auch gegen die Linkspartei festhalten. Es ist aber noch gar nicht ausgemacht, ob es wirklich zu einer Kampfkandidatur zwischen WASG und Linkspartei in Berlin kommt, oder ob nicht ein Teil der Berliner WASG aus der Partei gedrängt wird.

Währenddessen gehen die Spekulationen, ob die Linkspartei aus rechtlichen Gründen überhaupt in allen Bundesländern eigene Landeslisten aufstellen kann, weiter. In Bayern will man prüfen, ob alle Kandidaten der Linkspartei auch die gleichen politischen Ziele verfolgen. Das kann man sich allerdings bei fast allen Parteien fragen. Dieses Vorgehen zeigt auch ein Stück Hilflosigkeit der Etablierten, die nicht wissen, wie sie die Linkspartei klein halten sollen. Die harschen Töne vom "Hassprediger Lafontaine" zumindest haben dieses Ziel nicht erreicht. Auch den Versuch, die neue Partei in eine rechte Ecke zu rücken, dürfte gescheitert sein. Die angebliche Unterwanderung der neuen Partei durch Neonazis hat sich als Propagandatrick der Rechten erwiesen.