Geschmeidige Schleichwerbung auf Antenne Bayern

Deutschlands erfolgreichstem Privatradiosender droht Ärger. Seit Monaten macht Antenne Bayern in redaktionellen Wortbeiträgen unverhohlen Schleichwerbung für das T-Online-Angebot „Musicload"

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Melitta Varlam ist 30 Jahre jung und liebt nach eigenem Bekunden die Musik von Bob Marley oder der Gruppe „Faith no More“. Spielen darf die Moderatorin von Antenne Bayern ihre Favoriten allerdings nur dann, wenn diese auch auf der Titelliste für ihre Sendungen verzeichnet sind - und das kommt eher selten vor. Auch in ihren Moderationen ist Frau Varlam eingeschränkt. Am 8. August beispielsweise schwärmte sie in ihrer Mittagssendung von „Bayerns großem Schwiegersohntest“. Das war nicht etwa eine spontane Idee der munteren Radioplauderin, sondern die vorgegebene aktuelle Marketingaktion des Senders mit dem Ziel, Hörer an das eigene Programm zu binden. Und da muss sie mitsamt ihren Hörern durch, auch wenn’s noch so dümmlich klingt. Heiratswillige Antenne Bayern-Hörer sollen sich allen Ernstes eine Woche lang an ihre Schwiegermütter in spe ketten lassen. Überlebenden dieser Aktion verspricht die Moderatorin „eine Traumhochzeit mit Brautkleid, Ringen, und Flitterwochen“.

„Geschmeidiger Link zu Musicload“

Kurz vor halb eins hatte Melitta Varlam an diesem Tag dann Neuigkeiten für Fans des Altrockers Bruce Springsteen parat. Der wolle für einen neuen Plattenvertrag 40 Millionen Dollar kassieren, verriet sie den Antenne-Hörern. Häufig werden diese „bunten Meldungen“ genutzt, um den nächsten Musiktitel anzukündigen. Wer sich nun allerdings auf „Born in the U.S.A.“ oder „Philadelphia“ gefreut hatte, wurde enttäuscht. Statt ein Stück vom „Boss“ zu spielen, empfahl die Moderatorin einen Blick auf die Antenne-Homepage im Internet. Dort gäbe es einen „geschmeidigen Link“ zu „Musicload.“, wo man die Springsteen-Musik bequem herunterladen könne.

Muntere Schleichwerbung

Auch das war kein spontaner Einfall der Radiofrau. Weil’s so schön illegal ist, wies Kollegin Kathie Kleff am 9. August gegen 11.50 Uhr erneut auf „Musicload“ hin. Diesmal wurde den Hörern empfohlen, Titel von Robbie Williams „legal und schnell downzuloaden“.

Schon seit Monaten werden in redaktionellen Wortbeiträgen auf Antenne Bayern gezielte Hinweise auf das Musikportal von T-Online gegeben. Während die ARD wegen verbotenen Produktplatzierungen in Fernsehserien wie „Marienhof“ und „Tatort“ seit Juni unter Dauerbeschuss der Medien steht und bei Produktionsfirmen wie der Bavaria schon „Köpfe rollten“, betreibt der landesweite Privatsender aus Ismaning bei München munter Schleichwerbung, ohne dass die Aufsicht führende Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) daran Anstoß genommen hätte.

Verstöße gegen Werberichtlinien

Dabei verstößt Antenne Bayern nachhaltig gegen die Werberichtlinien des Bayerischen Mediengesetzes und des Rundfunkstaatsvertrags. Dort ist unter anderem klar geregelt, dass „Werbung als solche klar erkennbar“ - und „durch akustische Mittel eindeutig von anderen Programmteilen getrennt sein“ müsse. Und weiter heißt es explizit: „Schleichwerbung und entsprechende Praktiken sind unzulässig.“

Doch für den Primus im bayerischen Radiomarkt scheinen solche gesetzlichen Vorgaben offenbar nichts als Makulatur zu sein. Statt die Werbebotschaften für „Musicload“ deutlich zu kennzeichnen, werden ganz offensichtlich redaktionelle Themen wie Springsteens Honorarforderungen absichtlich ins Programm gehievt, um auf das kommerzielle Downloadangebot von T-Online verweisen zu können.

Bauernfängerei per Internet

Selbst wenn die Antenne-Macher die „Musicload“-Hinweise als Werbung kennzeichnen würden, verstießen sie immer noch gegen den Rundfunkstaatsvertrag, weil die Hörer in der Regel nicht darüber informiert werden, dass diese Musikdownloads kostenpflichtig sind. In den Werberichtlinien steht jedoch ausdrücklich „Werbung und Teleshopping dürfen nicht irreführen und den Interessen der Verbraucher nicht schaden“.

Erst auf der Internetseite des Senders wird vorsichtig angedeutet, dass der „Musik-Download legal & günstig“ sei. Ganz im Stil einer ausgemachten Bauernfängerei führt von dort ein Link direkt zum kostenpflichtigen Internetportal von „Musicload.de“, ohne dass die Nutzer ausdrücklich darauf hingewiesen werden.

Note „ausreichend“ für Musicload

Es ist wohl fraglich, ob es tatsächlich im Interesse der Antenne-Hörer liegen dürfte, dass ihnen regelmäßig ein Musikdownloadservice empfohlen wird, der nach Expertenmeinung keinesfalls zu den besten und „günstigen“ Angeboten im Markt zählt. Bei der Stiftung Warentest landete „Musicload“ mit der Note „ausreichend“ auf dem vorletzten Platz von 12 getesteten Internet-Musikshops.

Ein Grund für solch schwache Beurteilungen sind die vergleichsweise hohen Preise, die T-Online für das Herunterladen der Musikstücke aus dem virtuellen Katalog nimmt. Auch im Fall Bruce Springsteen könnte der Antenne-Tipp die Hörer teuer zu stehen kommen. Während „Musicload“ aktuell für den kompletten Album-Klassiker „Born in the U.S.A.“ 12,95 Euro verlangt, bezahlen beispielsweise Kunden von„Apple-iTunes“ oder „Mediamarkt“ lediglich 9,99 Euro. Noch gravierender ist der Unterschied bei Einzeltiteln. Hier berechnen „iTunes“ und „Mediamarkt“ pauschal 99 Cent pro Musikstück. Bei „Musicload“ werden gleich 1,49 Euro für jeden einzelnen Bruce Springsteen-Klassiker wie „Glory Days“ oder „Streets of Philadelphia“ fällig.

Glaubwürdigkeit leichtfertig aufs Spiel gesetzt

Das Wohl der Hörer kann das Antenne-Management bei der Kooperation mit T-Online also kaum im Sinn haben. Es müssen wohl schon handfeste finanzielle Interessen mit der regelmäßigen Schleichwerbung verbunden sein, wenn Programmchefin Valerie Weber die Glaubwürdigkeit des eigenen Programms dermaßen aufs Spiel setzt.

Über die tatsächlichen Beweggründe hält man sich bei Antenne Bayern bedeckt. Man wolle keine „Geschäftsinternas preisgeben“ teilte die Leiterin der Presseabteilung des Senders, Franziska Sigg, auf Anfrage mit. Ein Grund könnte jedoch darin liegen, dass Antenne Bayern trotz hervorragender Entwicklung seiner Hörerzahlen die Werbeumsätze im Gegensatz zur Radiobranche insgesamt nur mäßig steigerte. Während nach jahrlanger Flaute deutsche Privatradios im ersten Halbjahr 2005 ihre Umsätze aus Werbespots um 22,5 % erhöhten, musste sich Antenne Bayern mit eher bescheidenen 7,4% im Vergleich zum Vorjahr zufrieden geben. Da kämen weitere Einnahmen - zum Beispiel aus Schleichwerbung - wohl nicht ungelegen.

Saftige Geldstrafen

Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien will diesen Tricksereien jetzt offensichtlich den Garaus machen, weil man dort nach „einer ersten Einschätzung“ ebenfalls „von unzulässiger Schleichwerbung“ ausgeht. Aufgescheucht von den Recherchen zu diesem Bericht teilte BLM-Sprecher Wolfgang Flieger mit, dass man Antenne Bayern schriftlich zu einer Stellungnahme aufgefordert habe.

Damit dürfte dem Antenne-Management wohl gewaltiger Ärger ins Haus stehen. Immerhin werden im Landesmediengesetz des Freistaats saftige Geldbußen bis zu 500.000 Euro bei Verstößen gegen die Werberichtlinien angedroht. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" versicherte man gegenüber der BLM, die umstrittenen Praktiken ab sofort einzustellen. Hinweise auf „Musicload“ soll es im Programm von Antenne Bayern ab sofort nur noch in den Werbeblöcken geben. Da hätten sie von Anfang an auch hingehört.

Prof. Horst Müller MBA ist Inhaber des Lehrstuhls für Redaktionspraxis an der Hochschule Mittweida (FH), Fachbereich Medien. Die „bayerische Version“ des Artikels veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung am 11. August 2005.