Der Jäger ist des Faultiers Tod

Nur gut getarnte Faultiere in den Kronen des Regenwalds überlebten die Ankunft des Menschen

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Einst bevölkerten riesige Tiere, die so genannte Megafauna, alle Kontinente. Dann starben sie aus und die Rolle, die der Mensch dabei spielte, wird bis heute heftig diskutiert. Waren es Klimaveränderungen, die den Lebensraum so veränderten, dass die Giganten nicht mehr genug Futter fanden und eingingen – oder war es die frühen Jäger, die so viel von ihnen erlegten, dass sie diesen Arten den Garaus bereiteten? Jetzt legte ein Forscherteam neue Beweise dafür vor, dass amerikanische Ureinwohner einen maßgeblichen Anteil an der Ausrottung der Riesenfaultiere hatten.

David W. Steadman vom Florida Museum of Natural History und Kollegen von anderen Institutionen in den USA und auf Kuba veröffentlichten in den Proceedings of the National Academy of Sciences ihre neuen Erkenntnisse zum Aussterben der prähistorischen Faultierarten (Asynchronous extinction of late Quaternary sloths on continents and islands). Sie untersuchten sowohl die Fossilien von nordamerikanischen Riesenfaultieren als auch die ihrer Verwandten auf den westindischen Inseln Kuba und Hispaniola.

David Steadman mit zwei Schädeln ausgestorbener Faultierarten. In der Hand hält der Zoologe den kleinen Schädel eines auf dem Boden lebenden Faultiers, das vor 5.000 bis 6.000 Jahren ausgestorben ist. Seine Fossilien fanden sich in einer Höhle auf Haiti. Im Vordergrund liegt der Schädel eines Riesenfaultiers, das zu Lebzeiten vor mehr als 15.000 Jahren mehr als 2,7 Tonnen wog. Seine versteinerten Knochen wurden in einer Höhle in Ormond Beach in Florida ausgegraben. (Bild: University of Florida/Kristen Bartlett)

Faultiere verdanken ihren Namen ihrer besonders langsamen und bedächtigen Bewegungsweise. Auch ihre riesigen Vorfahren, die bis zu sechs Meter lang und mehrere Tonnen schwer werden konnten, bewegten sich eher schwerfällig und im Zeitlupentempo, wie versteinerte Fußabdrücke dieser Tiere beweisen. Die behäbigen Tiere waren eine einfache Beute für die Steinzeitjäger.

In Nordamerika verschwanden diese Giganten vor 11.000 Jahren von der Bildfläche, in Südamerika vor 10.500 Jahren. Zu dieser Zeit fand ein einschneidender Klimawandel statt, der die Pflanzenwelt Amerikas stark veränderte. Dieser Übergang von Eiszeit zu Zwischeneiszeit könnte der Grund für das Ableben der Megafaultiere gewesen sein, weil sie möglicherweise nicht fähig waren, sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Unter Verdacht stehen auch unbekannte Infektionskrankheiten, die der Homo sapiens eingeschleppt haben könnte.

Massensterben

Zur gleichen Zeit breitete sich der Mensch über den amerikanischen Kontinent aus (Ran an die Knochen und Von Schädeln und Vorfahren) und mit Sicherheit gehörte der Fleischberg namens Megafaultier, der vor lauter Trägheit nicht fliehen konnte, zu seiner Jagdbeute.

Der Verdacht gegen die frühen Ureinwohner verhärtete sich, als das Forscherteam jetzt Fossilien von Faultieren vom Kontinent und von den westindischen Inseln genauer unter die Lupe nahm. Die Radiokarbon-Datierung von Knochen und versteinertem Kot ergab, dass die Tiere auf dem amerikanischen Festland vor rund 10.000 Jahren endgültig in die ewigen Jagdgründe eingingen, auf den Inseln in der Karibik dagegen erst vor 4.400 Jahren. Die genaue Bestimmung des Todeszeitpunkts beweist, dass auf Kuba und Hispaniola das Klima nicht für das Ende der bodenbewohnenden Faultiere verantwortlich gemacht werden kann, denn auf den Inseln gab es in dieser Epoche keine nachhaltige Veränderung der Wetterverhältnisse. Und die Analyse des Kots vom Kontinent zeigte, dass die Giganten sich hauptsächlich von Pflanzen ernährten, die auch heute noch gedeihen.

Für die Ausstellung „El mamífero misterioso. Das Riesenfaultier und seine Verwandten“ rekonstruiertes Lebendmodell in Originalgröße (Bild: Zoologisches Museum der Universität Zürich)

Dem Massensterben der Tiere ging zwar in Nord- und Südamerika ein Klimawandel voran, aber nicht auf den Antillen. Aber dort wanderte genau im entsprechenden Zeitraum der Mensch ein – und er veränderte seine Umwelt offensichtlich nachhaltig. David Steadman kommentiert:

Wenn das Klima der Hauptfaktor für das Aussterben der bodenbevölkernden Faultiere gewesen wäre, könnte man erwarten, dass das Aussterben zur selben Zeit sowohl auf den Inseln als auch auf dem Kontinent stattgefunden hätte, weil Klimaveränderung ein globaler Vorgang ist.

Eine ähnlich verhängnisvolle Wirkung hatten auch die frühen Aboriginies, als sie nach Australien kamen (Link auf 20488). Auch am Aussterben der meisten Mega-Rüsseltiere (Massenschlachten im Pleistozän) und Riesenhirsche (Gärtner mit ausladendem Geweih) war der Mensch wohl maßgeblich beteiligt. Das für die Tiere anhaltend schlechte Wetter mag ein zusätzlich schwächender Faktor gewesen sein.

In Nord- und Südamerika verschwanden nach dem Erscheinen des Menschen innerhalb weniger tausend Jahre nicht nur die Megafaultiere, sondern auch Mammuts, Mastodonten, Säbelzahntiger und Riesenbären. „Es war ebenso dramatisch wie das Aussterben der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren“, meint David Steadman.

Die Faultiere in den Bäumen der Regenwälder überlebten, weil sie dort in Symbiose mit Algen fast unsichtbar bis zu zwanzig Stunden am Tag schliefen, um dann den Rest der Zeit ganz langsam Blätter zu fressen. So gut getarnt sind sie keine leichte Jagdbeute. Vieles über diese seltsamen Tiere ist noch nicht bekannt, noch nicht einmal ihre genaue Lebensspanne. Die Zoologen gehen davon aus, dass sie 30 bis 40 Jahre alt werden können.

Illustration des Mapinguari

Für Kryptozoologen ist das Riesenfaultier eine der Kreaturen, die gut versteckt möglicherweise bis heute überlebt haben soll, ohne das bisher seine Existenz nachgewiesen werden konnte. Ähnlich wie der Yeti im Himalaya (Der Yeti haart) und der australische Beutelwolf (Teuflische Bedrohung des tasmanischen Teufels) wurde der mehrere hundert Kilo schwere Mapinguari angeblich im südamerikanischen Regenwald entlang des Amazonas immer wieder gesichtet. Das mystische Wesen soll sich auf dem Boden bewegen, aber so faulig stinken, dass keiner ihm wirklich zu nahe kommen möchte (Der Yeti Amazoniens).