Der Chaoszerstoiber

Was der Oberlehrer von Bayern wirklich will

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Neuerdings hat es viel Spekulation über die Motive und Ziele des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber im laufenden Bundestagswahlkampf gegeben. Die einen sprechen von einer Kette von Versehen, die anderen sehen eine Strategie am Werk, die den schwarzen Sieg im Bund über Regionalchauvinismus im Süden holen will. Alles falsch. In Wahrheit ist Stoiber ein linksradikales U-Boot, ein Manchurian Candidate (vgl. Botschafter der Angst – The Manchurian Candidate), ein roter Schläfer, der die CDU/CSU durch die Erzeugung von möglichst viel Chaos in den Keller reißen will. Dafür gibt es nicht erst seit gestern Beweise, die eigentlich jeden Verschwörungstheoretiker überzeugen müssten.

Edmund Stoiber. Bild: stoiber.de

Seinen Parteifreunden immerhin hätte schon lange ein Verdacht kommen müssen. Die Stoiber nachgesagte Abneigung gegen Bier, die begründeten Vermutungen, bei seinen Auftritten befinde sich in dem Humpen am Rednerpult in Wirklichkeit Apfelschorle, hätten doch eigentlich schon alle Alarmglocken läuten lassen müssen: das kann ein rechter Bayer nicht sein, der wo ein Bier nicht trinken tut. Aber Verschwörer müssen auch im Eifer des Gefechts einen klaren Kopf bewahren und meiden deswegen den Alkohol. Verdachtsmoment Nr. 1.

Nieder mit Kötzting!

So richtig tief in die Trickkiste der Unterwanderung griff Stoiber aber erst im Bundestagswahlkampf 2002. Die Veröffentlichung der Tatsache, dass er seine Frau daheim "Muschi" nennt, war in diesem Zusammenhang wohl noch eher Teil einer allgemeinen Verwirrungsstrategie. Politisch konkreter wurde die Sache schon, als er während einer Wahlkampfveranstaltung im oberpfälzischen Kötzting auf eine CSU-Anhängerin schoss - zwar nur mit einem Fußball, aber die blutende Kopfwunde der Frau war ein erster klarer Beweis für den Hass Stoibers auf alle Konservativen. Er versuchte sofort, seine Tarnung durch wortreiche Entschuldigungen wiederherzustellen, aber dem aufmerksamen Beobachter konnte nicht entgehen, dass sich hier Edmund Stoiber von seinen wahren Gefühlen hatte mitreißen lassen.

"Nieder mit Kötzting!", hatte es ihn durchzuckt, "Nieder mit dieser hinterwäldlerischen Bayernbagage!", und er hatte die arme Frau niedergestreckt. Es ist ein Zeugnis für seinen Fanatismus, dass er bald danach erneut eine ultraradikale Offensive wagte. Angestachelt vom antiimperialistischen Friedenswahlkampf Gerhard Schröders bekannte er, dass unter ihm als Kanzler amerikanische Militärmaschinen mit dem Einsatzziel Irak in Deutschland nicht mehr willkommen wären. Diese Androhung eines partiellen Austritts Deutschlands aus der NATO erinnert so sehr an ältere Forderungen aus dem linksradikalen Spektrum (von der Friedensbewegung bis zu gewaltbereiten Autonomen und "Antiimps"), dass man sich nur wundern kann, wie ihre wahre Natur von der gesamten politischen Öffentlichkeit verkannt wurde. Im Nachhinein muss man erleichtert sein, dass Stoiber doch nicht Kanzler wurde - wahrscheinlich hätte die BRD prompt ein strategisches Bündnis mit Nordkorea geschlossen und auch in Bayern würde bereits bitterer Hunger herrschen.

Aber hat der Rückschlag von vor drei Jahren Stoiber dazu bewogen, seine Wühl- und Unterwanderungsarbeit aufzugeben? Nicht im geringsten. Er hat ihn eher noch radikalisiert. Wie anders ist es zu deuten, dass er erneut einen Bundestagswahlkampf benutzt, um mit der Spalterei fortzufahren? Wie anders sind seine Ausfälle gegen die Ostdeutschen strategisch einzuordnen?

Und das Theater um Stoibers Herausforderung an Oskar Lafontaine zu einem Fernsehduell kann doch wohl nur als eine Maßnahme zur Aufwertung des angeblichen Gegners begriffen werden. Stoiber steht jetzt als Maulheld da, der im entscheidenden Moment Angst vor der eigenen Courage bekommt und auf ein Papierduell ausweicht; Lafontaine hingegen als ein Mann, der sich gelassen seinen Gegnern stellen würde, wenn sie es denn nur wirklich mit ihm aufnähmen. Aber in Wirklichkeit ist Stoibers geheime Rechnung aufgegangen.

Günther Oettinger und Edmund Stoiber. Bild: cdu-bw.de

Achse des Chaos im Süden der Republik

Um Verschwörungen aufzudecken, muss immer eine Antwort auf die Frage "cui bono?" gefunden werden. Die Antwort ist in diesem Fall klar: Die Linkspartei schöpft den Rahm ab und lässt die Union, in deren Diensten Stoiber angeblich steht, im wahlentscheidenden Osten endgültig auf den zweiten Platz absinken. Langzeitstrategisch befindet sich Stoiber in einer Win-Win-Situation: Entweder der Osten spaltet sich ab, und die DDR kommt wieder oder die Linkspartei baut ihre Stimmenanteile in ganz Deutschland bis hin zur Regierungsbeteiligung aus. Perspektiven, nach denen sich die Linke jahrelang die Finger geleckt hat. Und wer hat diese Entwicklung maßgeblich mit herbeigeführt? Edmund Stoiber, der angeblich konservative Ministerpräsident Bayerns.

Ungute Erinnerungen an den Milliardenkredit kommen auf, den Franz Josef Strauß 1983 zugunsten der wirtschaftlich schon schwer angeschlagenen DDR in die Wege leitete. Ist Stoiber etwa nur der Erbe einer Tradition des Wühlens und Unterwanderns, die lange vor ihm einsetzte, mit ihm aber zu einem bisher undenkbaren Höhepunkt gelangt? Welche Rolle spielt der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger, der Insidern bisher als Freund aller drei Strophen der Nationalhymne bekannt war, und nun zusammen mit Stoiber auf die Spaltung Deutschlands abzielt?

Gibt es da eine Achse des Chaos im Süden der Republik? Wo bleibt der brutalstmögliche Aufklärer Roland Koch, wenn in seiner eigenen Partei Tendenzen am Werk sind, die auf eine Wiedererrichtung der SED-Diktatur hinauslaufen? In der Tat, brutalstmögliche Aufklärung tut not. Sie sollte bald einsetzen, um Schlimmeres zu verhindern.