Update: 80.000 Katholiken und ein paar schwarze Schafe

Während die Vorbereitungen für den XX. Weltjugendtag auf Hochtouren laufen, ziehen sich Kirchengegner in die „religionsfreie Zone“ zurück

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Wenn von Dienstag an Hunderttausende Anhänger von Papst Benedikt XVI nach Köln strömen, dann ist das vor allem eines: eine Großveranstaltung. Wie beim rheinischen Karneval, dem Münchner Oktoberfest oder der Berliner Love-Parade werden auch in Köln diejenigen das Weite suchen, die mit Marienfeiern, Vigilien oder der Katechese nichts anfangen können oder wollen. Denn eines ist klar: Am Weltjugendtag kommt in Köln vom 16. bis zum 21. August niemand vorbei. Allein zur Eröffnung am Dienstag werden 400.000 Katholiken und deren Sympathisanten erwartet. Bei der Predigt von Ratzinger am kommenden Samstag sollen es sogar 800.000 werden, unter ihnen 700 Bischöfe und 7.000 Priester. Die eintausend Veranstaltungen werden von 4.000 Polizisten geschützt, auch sonst sind die Sicherheitsmaßnahmen hoch (NATO-AWACS für den Papst).

Update

Kurz vor Beginn von Weltjugendtag und Gegenveranstaltungen wurde der Vortrag von Hubertus Mynarek nun abgesagt. "Das Kölner Heidenspaß-Komitee hat Herrn Mynarek ausgeladen", heißt es in einer Pressemitteilung. Die Organisatoren hätten erst spät erfahren, dass dem Theologen "ein rechtsesoterischer Ruf" anhafte. In der Kürze der Zeit sei es nicht möglich gewesen, ein ausgewogenes Urteil abzugeben. Begründet wird die Ausladung nicht mit der eigenen Überzeugung, sondern mit dem "öffentlichen Bewusstsein", in dem der "rechtsextreme Leumund Mynareks nach wie vor existent" sei. Der Theologe sei jedoch als Kritiker des Erzbischofs Meisner eingeladen worden, andere Themen hätten keine Rolle spielen sollen.

Mynareks Ansichten über die sogenannte ökologische Religion werden weder von der Giordano-Bruno-Stiftung noch von anderen Mitgliedern des Heidenspaß-Komitees geteilt!

Pressemitteilung der Organisatoren der "religionsfreien Zone

Bedauerlich sei, dass die Kritik an Kardinal Meisner, die Mynarek als anerkannter Experte übernehmen sollte, nun nicht öffentlich vorgetragen werden kann. Besonders die Giordano-Bruno-Stiftung habe als Mitveranstalter dafür plädiert, "Herrn Mynarek selbst zu Wort kommen zu lassen und zu rehabilitieren". Diese Auseinandersetzung mit der Kritik am Referenten sei aus Zeitgründen jedoch nicht mehr möglich gewesen.

Bezeichnend ist, dass die öffentlichen Wahrnehmung, besonders die der Medien also, über diesen Punkt kaum hinausreicht. Der Weltjugendtag wird als Mega-Event wahrgenommen, der Papst geradezu als Popstar. Dabei lohnt sich die Auseinandersetzung mit der Veranstaltung, ihrer Geschichte und den ideologischen Hintergründen durchaus. Seit der Weltjugendtag 1986 von Ratzingers Amtsvorgänger Karol Wojtyla initiiert wurde, hat er sich zum zentralen Instrument der katholischen Missionierung entwickelt.

Es geht den katholischen Kirchenoberen nicht nur um den Kampf gegen die zunehmende Säkularisierung der Gesellschaft. Die über Jahrzehnte für die klerikale Macht unerreichbaren Gesellschaften Mittel- und Osteuropas sollen wieder zurückgewonnen werden. Dass die religiöse Großoffensive nun in Deutschland zelebriert wird, hat nichts mit der Herkunft des amtierenden Papstes zu tun. Schließlich hat schon Wojtyla den Veranstaltungsort ausgewählt. An der ehemals innerdeutschen Grenze beginnt vielmehr das Gebiet, in dem der Vatikan während der realsozialistischen Ära an Einfluss verloren hat. Die Auswirkungen sind bis heute zu beobachten: Während in den alten Bundesländern jeder zweite Bewohner an Gott glaubt, trifft diese Aussage in Ostdeutschland nur jeder Dritte.

„Die katholischen Länder, in denen die Modernisierung am weitesten vorangeschritten ist, sind häufig zugleich auch am stärksten entkirchlicht“, schreibt der Kultursoziologe Detlef Pollack. So sei das höher entwickelte Ostdeutschland stärker säkularisiert als Lettland oder Estland. Kein Wunder also, dass die katholische Kirchenspitze in Deutschland in dem Treffen die Chance sieht, die eigenen Wertevorstellungen auch hierzulande wieder zu stärken.

Debatten und Gegenveranstaltungen

Wo das aber hinführt, hat der Kölner Kardinal Joachim Meisner (Das Gift der "Inquisition light") mit seiner Predigt zum Dreikönigstag Anfang des Jahres bewiesen.

Zuerst Herodes, der die Kinder von Bethlehem umbringen lässt, dann unter anderem Hitler und Stalin, die Millionen Menschen vernichten ließen, und heute, in unserer Zeit, werden ungeborene Kinder millionenfach umgebracht.

Kardinal Meisner

Diese Gleichsetzung von Auschwitz und Abtreibung hatte damals empörte Reaktionen hervorgerufen. Eine Distanzierung blieb bis heute aus. Die Äußerung ist indes nur ein Beispiel für das erzreaktionäre Gedankengut, das im Mantel eines Jugendhappenings daherkommt.

Damit sind natürlich nicht alle Kölner einverstanden. „Ist ganz Köln papstbesoffen?“, fragt ein Bündnis aus humanistischen und atheistischen Organisationen, um zum Besuch von Gegenveranstaltungen aufzurufen. Die religionsfreie Zone bietet nicht nur allen Flüchtlingen vor dem Weltjugendtag Asyl, sondern auch ein breites Programm an. Unter dem Motto „Heidenspaß statt Höllenqual“ wollen die Organisatoren eine „Kirchenaustrittsparty“ oder eine „Enttaufungszeremonie“ organisieren.

Man wende sich dagegen, sagt Bündnis-Sprecher Michael Schmidt-Salomon, „dass eine Religionsgemeinschaft die ganze Stadt in Anspruch nimmt“. Der Bildhauer Jacques Tilly drückt es so aus: „Radio Vatikan sendet auf allen Kanälen“ Für die Gegenaktionen hat Tilly eine Art Karnevalswagen entworfen. Darauf zu sehen ist der Papst als Dinosaurier über einer Herde Schafe. Das einzige schwarze Schaf – zugleich das Maskottchen der Kirchengegner – läuft gegen den Strom. Der Wagen mit der Skulptur, so die Organisatoren, soll während des Weltjugendtages „im Stadtbild präsent sein“. Neben solchen Spaßaktionen werden aber auch Diskussionen und Politveranstaltungen angeboten. Tilly übte schon im Vorfeld scharfe Kritik an Meisner, weil dieser Menschen, die ohne religiöse Erziehung aufgewachsen sind, als „geistige Krüppel“ bezeichnet hatte.

Opposition auch von rechts

Dass die Veranstaltung aber nicht nur bei humanistischen Gruppen Abwehrreaktionen hervorruft, zeigte sich wenige Tage vor Beginn. Eine Gruppe rechter Jugendlicher verübte auf ein Zeltlager von Kirchentagsteilnehmern in Thüringen ein Attentat. Zunächst hatten die Täter im Alter von 15, 18 und 21 Jahren das Zeltlager im thüringischen Volkenroda in der Nacht zum Freitag mit einem Luftgewehr beschossen. Bevor sie einen zweiten Angriff mit Brandsätzen führen konnten, griff die Polizei zu. Weil in einer der Wohnungen der Angreifer eine Reichkriegsflagge gefunden wurde, gilt ein „fremdenfeindlicher Hintergrund“ als sicher.

Politisch fragwürdige Opposition zu dem Weltjugendtag wird aber auch bei der Kölner Gegenveranstaltung anzutreffen sein. Der Theologe Hubertus Mynarek ist im Programm der „religionsfreien Zone“ als Redner angekündigt. Es ist äußerst fragwürdig, ob sich die Organisatoren damit einen Gefallen getan haben. Mynareks Thesen sind zum einen alles andere als frei von religiösen Attitüden. Die Ansichten des Philosophen weisen zudem Parallelen zu rechtem Gedankengut auf. Die Online-Enzyklopädie Wikipedia verweist auf die Geschichte Mynareks:

In den 70er Jahren erfolgt seine Annäherung an die Deutsche Unitarier Religionsgemeinschaft (DUR), in deren Verlag und in deren Auftrag er 1979 sein Buch "Orientierung im Dasein" verfasst. Die DUR wurde 1947 aus ehemaligen Mitgliedern der nationalsozialistischen Deutschen Glaubensbewegung und der Deutschen Christen gegründet und wird von Kritikern als völkisch-rassistische Sekte bezeichnet.

Seine politischen Gegner diffamiert der ehemalige katholische Priester mitunter als „Irrläufer der Evolution“. Das Böse sieht er im „Judaochristentum“, von dem das biblische Motto "Machet Euch die Erde untertan" verbreitet werde. Dem entgegen stellt der umstrittene Kirchengegner sein Konzept einer „ökologischen Religion“. Wegen der Aussage „Das schlimmste Konzentrationslager bereiten wir Tieren“ wird ihm die Relativierung des Holocausts vorgeworfen. Mynareks Polemik bewegt sich damit bedenklich nahe an der von Joachim Meisner. Dieser hatte die Abtreibungspille RU 486 mit dem in Auschwitz verwandten Giftgas Zyklon B verglichen.