"33 Cent am Tag, das tut niemandem weh"

Children's Help - dubiose Geschäfte mit dem Kinderschutz

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Im Namen des Kinderschutzes erfolgt momentan aggressive Telefonwerbung. Doch Children's Help, die "internationale Kinderschutzorganisation", ist weitgehend unbekannt. Dafür finden sich bei näherer Recherche einige Merkwürdigkeiten. Der Verdacht der Abzocke liegt nahe.

"Ich rufe Sie an von der internationalen Kinderschutzorganisation Children's Help."

Die Stimme klingt freundlich und durch Nennung des Nachnamens fühlt sich der Angerufene etwas beruhigt. Außerdem - Kinderschutz, das ist ja etwas Wichtiges. Und, wie die Dame bzw. der Herr am anderen Ende der Leitung sagt, hätte man mich ja schon angeschrieben. Leider habe ich das "nette Anschreiben und die Informationsbroschüre mit dem Titel *Children's Help - wir gegen den Missbrauch unserer Kinder in Deutschland" aber nicht erhalten.

Das ist aber kein Problem, beruhigt man mich. Denn natürlich kann man mir auch am Telefon erzählen, worum es geht. Um arme, hilflose, missbrauchte Kinder nämlich, die ihre Lebensfreude zurück erhalten sollen und ein Lebensziel bekommen müssen. Denn auch in Deutschland ist der Kindesmissbrauch erschreckend angestiegen, teilt man mir mit - und es könne doch nicht angehen, dass der kleine Ladendieb härter bestraft wird als der pädophile Mensch. Das sei doch ein Riesenskandal und da stimme ich doch sicherlich zu, oder?

In dem Moment spätestens läuten bei mir die Alarmglocken. Aber ich bin ja ein geduldiger und vor allen Dingen neugieriger Mensch und so höre ich auch fast bis zum Ende zu.

Children's Help (international, daher der englische Name) benötigt Mitgliedsbeiträge, keine Spenden, heißt es. Denn Spenden können nur zweckgebunden verwandt werden und man weiß ja nie, wie viel Spenden hereinkommen. Und man kann doch nicht plötzlich ein wichtiges Projekt abbrechen weil keine Spenden mehr da sind; nein, genau deshalb setzt Children's Help auf Mitgliedsbeiträge, die übrigens so bemessen sind, dass es jedem möglich ist zu helfen.

Zwei Aktionsjahre soll ich unterstützen, mit einem kleinen monatlichen Beitrag. "10 Euro im Monat, 33 Cent am Tag, das tut niemandem weh und ist überschaubar." So und ähnlich lauten die beruhigenden Informationen über die Höhe der Hilfe, die Länge des Vertrages usw. Natürlich gibt es auch für all meine Bedenken in Bezug auf das Lastschriftverfahren, die fehlenden schriftlichen Unterlagen etc. beruhigende Argumente. Sogar eine Rückrufnummer gibt es, die mir für alle Fragen zur Verfügung steht.

Nachdem ich das alles gehört habe, habe ich dann doch kein Interesse mehr und lege auf. Hätte ich schon vorher aufgelegt, müsste ich vielleicht mit einem recht unfreundlichen weiteren Anruf rechnen, so wie ihn mein Bekannter erhielt. Dieser hatte, genervt von zu vielen Anrufen von Werbetreibenden und Callcentern, schnell aufgelegt und sich nichts weiter über die internationale Kinderschutzorganisation angehört. Daraufhin wurde er von einer sehr gereizt klingenden Frau angerufen, die ihm vorwarf, kein Benehmen zu haben. Sich wehren konnte er nicht, die Nummer war unterdrückt.

Club, Organisation oder Initiative?

Da ich von Natur aus neugierig bin, rufe ich die Homepage von Children's Help auf. Dafür, dass man schon seit über 5 Jahren gezielt Einrichtungen unterstützt, in denen "missbrauchte Kinder wieder ihre Lebensfreude zurück bekommen sollen, so sie den Missbrauch überleben", findet man auf der Homepage ziemlich wenig darüber. Lediglich die 15.000 Euro, die zuletzt an Einrichtungen wie die Lahn-Dill-Nothilfe, Children's Project sowie Menschen für Kinder e.V. gespendet wurden, sind plakativ erwähnt, natürlich mit lächelnden Spendenempfängern und "Mitarbeitern von Children's Help" darauf. Ansonsten hält sich die in der Schweiz beheimatete Organisation bedeckt, wenn es um ihre Aktivitäten geht. Allerdings ist auf der Homepage nicht von einer Organisation oder einem Verein die Rede, sondern von einem Club.

Die Mitgliedschaft im Club "Children`s Help" steht grundsätzlich allen interessierten natürlichen Personen offen, die ihren ständigen Wohnsitz in Deutschland, Österreich und der Schweiz haben, mindestens 18 Jahre alt sind sowie zur Abgabe entsprechender Willenserklärungen berechtigt sind.

Auch die Regelungen der Mitgliedsbeiträge im "Club" sind interessant zu lesen:

2. Mitgliedsbeitrag und Laufzeit der Mitgliedschaft
(1) Der Mitgliedsbeitrag richtet sich der Höhe nach der gewünschten Clubmitgliedschaft (Children`s Help I: 7,50 Euro monatlich; Children`s Help II: 10,00 Euro monatlich, Children`s Help III: 12,50 Euro monatlich Children_s Help IV: 15,00 Euro monatlich). Children`s Help ist berechtigt, die Mitgliedsbeiträge nach billigem Ermessen durch Veröffentlichung im Internet zu verändern.

Ein Blick in die Who Is-Daten zeigt, dass Children's Help recht spät auf die Idee kam, eine Homepage für die "seit über fünf Jahren Einrichtungen unterstützende" Organisation zu registrieren, denn als Creation Date findet sich der 18. Januar 2005.

Vom Tierschutz zum Kinderschutz

Als Registrant findet sich dann ein bekannter Name: Die SOS Internet AG aus der Schweiz war in den letzten Jahren im Zuge des großen Tierschutzskandals rund um das "Arche"-Imperium ins Gerede geraten. Mit aggressivem Telefonmarketing versuchte "SOS Arche2000", Mitglieder zu gewinnen. Drückermethoden wurden beklagt, es kam zu Hausdurchsuchungen und Veruntreuungsvorwürfen. Die von den Arche Organisationen geförderten Tierschutzverbände und -einrichtungen standen vor immensen Problemen weil das Geld, auf das sie sich verlassen hatten, nun nicht mehr eintraf.

So schrieb unter anderem der Verein SOS Pferdehilfe e.V. an die Medien:

Sehr geehrte Redaktion

stellvertretend für viele Tierschutzvereine die durch den Spendenskandal um den Tierschutzverein Arche 2000 betroffen sind, möchten wir Sie bitten, unserer unverschuldeten Notlage einige Zeilen in Ihrer Zeitung zu widmen.

Nur aufgrund der Förderung durch den TSV Arche 2000 haben viele der Kooperationspartner ihren Tierbestand sicher versorgen können. Dieses ist jetzt von einem auf den anderen Tag unmöglich geworden.
[...]
Kaum einer der Betroffenen kann sich aus den verbliebenen Einnahmen finanzieren, ein schlimmer Schlag gegen die aktiven und überwiegend ehrenamtlichen Tierschützer. Können Sie sich unsere derzeitigen Sorgen und Nöte vorstellen?
[...]
Wir bitten Sie daher im Namen aller Tiere um einen Bericht in einer Ihrer nächsten Ausgaben. Die Leser müssen auf die unendliche Not aufmerksam gemacht werden und sensibilisiert werden, nun unmittelbar den Tieren zu helfen.

Als Registrant der Domain "Arche2000.org" findet sich Ruth Stutz von der SOS Internet AG. Diese AG hat laut Handelsregistereintrag folgende Aufgabenfelder:

Vermittlung von Service- und Beistandsleistungen [...] Vermittlung von Mitgliedschaften in Umweltorganisationen, insbesondere in der Schweiz. In diesem Zusammenhang auch Vermittlung von Produkten, Dienst- und Versicherungsleistungen in Bezug auf Tier- und Umweltschutz [...]

Und hier landen wir wieder bei Children's Help, einer "Initiative der SOS Internet AG". Das eingangs zitierte Telefongespräch erinnert nicht zufällig an die Forderungen der "Alzev" (Aktion lebenswerte Zukunft e.V.). Die Alzev hatte sich als Hauptforderung "Höhere Strafen für Kinderschänder" auf die Fahne geschrieben, das ehemalige Gründungsmitglied, Michael Stenzel (zurückgetreten 2001) war bis 1.9.2002 1. Vorsitzender von Arche2000. Auch bei alzev waren Diskrepanzen in Bezug auf Mitgliederbeiträge und deren Verwendung zu beklagen, das LKA Hamburg ermittelt bereits in dem Fall.

Querverbindungen

Die Mitgliederwerbung für Children's Help übernimmt unter anderem die Firma Media Concept, deren Büros in Köln und Essen sind. Über Media Concept findet sich, ungewöhnlich für eine Marketingfirma, fast nichts im Internet, auch im Telefonbuch ist sie nicht eingetragen. Nach Aussage eines Mitarbeiters sind im Büro in Essen drei Mitarbeiter permanent tätig, in Köln zwei oder drei. Die Firma Media Concept hatte übrigens auch die Mitgliederwerbung für SOS Arche 2000 übernommen.

Für neue Mitglieder bei Children's Help (denen wahrscheinlich nicht bewusst ist, dass sie lediglich einem Club beitreten) ist es beruhigend, wenn sie am Ende des Gespräches sowohl Name des Anrufers als auch eine Rufnummer für Fragen erhalten. Schließlich wird beim Anruf der "Mitarbeiter der Kinderschutzorganisation" ja die Rufnummer unterdrückt. Wer diese Rufnummer wählt, wähnt sich im Kölner Büro von Children's Help, denn man meldet sich mit "Children's Help". Tatsächlich aber landet man im Kölner Büro von Media Concept.

Gleichermaßen meldet man sich im Essener Büro mit "SOS Arche2000", wenn ein bestimmtes Handy klingelt. Man erreicht also keineswegs Büros der betreffenden Organisationen, sondern Media Concept, welche auch den Leitfaden für die Gespräche erstellt hat, die im Namen von Children's Help geführt werden.

Beinhaltet also das Marketing von Media Concept die fortwährende Betreuung der Mitglieder der betreffenden Organisationen? Und warum wird dem neuen Mitglied nicht mitgeteilt, dass unter der Rufnummer keine Mitarbeiter von Children's Help, sondern nur Mitarbeiter von Media Concept zu erreichen sind? Warum wird während des Vertragsabschlusses keine Adresse angegeben und warum erhalten die neuen Mitglieder erst 2-3 Wochen nach dem Telefonat ihre Unterlagen? Eine naheliegende Möglichkeit wäre, dass man so die Stornierungen bzw. Rücktritte gering halten will.

Zur Firma Media Concept schreibt eine ehemalige Mitarbeiterin, die laut eigener Aussage wegen Drohungen anonym bleiben möchte:

Mein Eindruck war das es keinen Mitarbeiter gab, der sich ernsthaft mit dem Tier und Umweltschutz auseinander gesetzt sowohl gewusst hat, was mit den Geld passiert.

. Wie bereits beim Thema Callcenter (Der Callcenter Agent - das Chamäleon am Telefon) erläutert, ist dies auch nicht notwendig. Mit Dingen wie der Kriminalstatistik verdirbt man sich bei Media Concept jedenfalls nicht das vermeintliche Engagement. Ob denn der Missbrauch wirklich in Deutschland so angestiegen sei? Na, das sähe man doch tagtäglich in den Medien. "Sehen Sie kein fern? Lesen Sie keine Nachrichten?", fragt der Teamleiter denn auch leicht ungläubig, wenn der Mitarbeiter nachfragt.

Dass die Kriminalitätsstatistik für das letzte Jahr im Bereich des sexuellen Missbrauchs eine Stagnation konstatiert, ist entweder nicht interessant oder soll nicht wahrgenommen worden. Wie viele Ladendiebe höhere Strafen bekommen als Kindesvergewaltiger ist ebenso unbekannt, aber warum sich mit Nebensächlichkeiten befassen, wenn die bisherige Praxis reicht, um Menschen zur Mitgliedschaft in dem unbekannten, wenig seriös agierenden Club zu überreden?