Und wieder ist Montag

..und wer wird kommen? Was bleibt von den Anti-Hartz-Protesten?

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Es liegt nicht nur an den Medien, sondern auch an den Hartz-Gegnern selber, dass ihre Inhalte in der öffentlichen Debatte kaum mehr eine Rolle spielen. Ein "Aktionsbündnis Sozialproteste" zu dem sich Sozialbündnisse und Erwerbslosengruppen aus vielen bundesweit Städten zusammen geschlossen haben, ruft heute unter dem Motto "Hartz-Schluss" zu einem dezentralen Aktionstag auf.

In ca. 50 Städten sind an diesen Tag Demonstrationen, Kundgebungen oder andere Proteste geplant. Das Bündnis fordert eine Rücknahme der Hartz-Gesetze, ein Mindesteinkommen und eine konsequente Senkung der Arbeitszeit.

"Wir wollen mit den Forderungen der Anti-Hartz-Proteste vom letztem Jahr in den Wahlkampf intervenieren", erklärt Reiner Wahls vom Koordinierungskreis des Aktionstages auf einer Pressekonferenz in Berlin. Der Aktionstag soll auch jeder denkbaren Regierungskoalition deutlich machen, dass sie mit Protesten zu rechnen hat, wen sie die Politik des Sozialbaus fortsetzt oder verschärft.

So meldet sich eine Protestbewegung abermals zur Wort, die vor über einen Jahr von für einige Wochen zum Thema des Sommerlochs 2004 wurde. Im Herbst wurde die Proteste von den Medien für beendet erklärt, obwohl es durchaus weiterhin regelmäßige Aktionen gegen Hartz IV und die Folgen gab.

Symbolische Aktionen mit Langweilefaktor

In Berlin rufen sogar zwei unterschiedliche politische Spektren noch immer zu Montagsdemonstrationen auf. Natürlich kommen nicht mehr die Zigtausende wie im Spätsommer 2004. Es sind höchstens eine hundert Menschen, die von den Medien aber genau so konsequent totgeschwiegen werden, wie vor einem Jahr die Demonstrationen geradezu hoch gelobt wurden. Immer wieder beklagten die Protestgruppen, dass die Inhalte der Hartz-Gegner in den Medien ignoriert wurden. Tatsächlich suchte man fieberhaft nach Betroffenen, die vor der Kamera demonstrieren sollten, wie man mit Hartz eher schlecht als recht leben kann.

Allerdings sind die Hartz-Gegner nicht unschuldig, an der weitgehenden öffentlichen Ignoranz ihrer Inhalte. Das wird auch bei den Protesten am Montag wieder deutlich. Sehr liegt der Schwerpunkt auf symbolischen Aktionen mit Langweilefaktor. So sollen auf den Saalfelder Marktplatz alte Schuhe von Jugendlichen auf dem ausgestellt werden und die wachsende Kinder- und Jugendarmut erinnern. In Berlin soll es ein Begräbnis von Bundeswirtschaftsminister Clement vor dessen Ministerium und einen nicht näher definierten "Markt der Grausamkeiten" geben. In Magdeburg will man neben Schröder und Fischer gleich noch für Stoiber und Merkel den Sarg nageln.

Ob es ihnen mit solchen Aktionen wirklich gelingt, die Inhalte der Proteste im Wahlkampf zur Geltung zu bringen, muss bezweifelt werden. Es ist schon eine Niederlage, dass bisher im Wahlkampf eben gerade nicht die Forderungen der Hartz-Kritiker standen. Im Mittelpunkt steht die Politik eines "Weiter so" mit Hartz IV von Schröder gegen einen verschärften Kurs des Sozialbaus, wie er von Merkel und Westerwelle vertreten wird. Allein die Berufung von Kirchhoff und Pierer in das Team der CDU/CSU und die Reaktion darauf zeigt, wie wenig die Argumente der Hartz-Gegner in der Öffentlichkeit eine Rolle spielen.

Beide vertreten einen Kurs des verschärften Sozialabbaus und einen Umbau des Sozialstaats in wirtschaftsliberalen Sinne. Dass die Konservativen als Gegengewicht nicht auch eine Person aus dem Sozialflügel der Union wie Seehofer oder Blüm in das Team beriefen, zeigt den geringen Stellenwert, den die Bewegung im öffentlichen Diskurs hat.

Schnee von gestern?

Auch die SPD hat sich vor der NRW-Wahl mit Münteferings Heuschreckenrede nur kurz dem Mainstream der Protestbewegung angenähert. Heute steht sie geschlossen hinter Schröder und damit auch hinter Hartz IV. Auch für die SPD sind die Proteste Schnee von Gestern. Ein gutes Beispiel für mediales Hochloben und anschließendes Fallenlassen zeigt sich bei Andreas Erholdt. Für die Medien galt er als der Erfinder der Montagsdemonstrationen. Vor seinen Wohnhaus drängten sich vor einem Jahr die Kamerateams. Jetzt hat Andreas Erholdt selbst in Magdeburg nicht genug Unterschriften zusammen bekommen, um mit seiner eigenen Mittelstandspartei zum Bundestag zu kandidieren.

Er konnte eben nicht so gut auf der Klaviatur der Medien spielen, wie Lafontaine, der die Montagsdemonstrationen für eine Rückkehr in die Politik nutzte. So wird in der Öffentlichkeit vor allem am Abschneiden der Linkspartei bei der Wahl abgelesen, ob und welchen Einfluss die Hartzgegner noch haben. Bleibt von den Protesten wirklich nur die Linkspartei, fragen auch denn auch manche Protestaktivisten kritisch.

Beim heutigen Protesttag wird sich die Frage bestimmt noch nicht beantworten lassen. Zumal sich auch einige Gruppen wie Attac aus Mangel an Kapazitäten an dem Protesttag kaum beteiligen. Ob und was von den Hartz-Protesten bleibt, wird sich erst zeigen, wenn Merkel und ihr Team in welcher Koalitionskonstellation auch immer daran gehen, ihre Vorstellungen vom Wirtschaftsliberalismus umzusetzen. Manche hoffen, dass dann wieder die Massen auf der Straße sind und zwar nicht nur in Ostdeutschland.