Schutz der Menschenaffen

Die nächsten Verwandten des Menschen könnten bald ausgestorben sein, ein internationales Abkommen, das am Wochenende von 22 Staaten unterzeichnet wurde, lässt auf ein Umdenken hoffen

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Das Überleben unserer nächsten Verwandten ist bedroht. Dass ausgerechnet die Menschenaffen – Gorillas, Schimpansen, Orang-Utans und Bonobos – vor allem durch die zunehmende Zerstörung oder Veränderung ihres Lebensgebietes sowie durch Jagd und Gefangennahme am Rande ihrer Auslöschung stehen, ist nicht neu (Endlich keine Verwandten mehr - oder neue Einsamkeit?). Der von der Unep Anfang September veröffentlichte erste World Atlas of Great Apes and their Conservation hat noch einmal gewarnt, dass innerhalb von 25 Jahren die Menschenaffen auf freier Wildbahn praktisch ausgestorben sein könnten.

Allerdings scheint es jetzt einen Hoffnungsschimmer zu geben. Zum Abschluss einer fünftägigen Konferenz, die in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa vom 2001 gegründeten Great Apes Survival Project (GRASP) der Unep und der Unesco veranstaltet wurde, haben bereits 22 Länder ein Abkommen unterzeichnet, das konkrete Maßnahmen zum Schutz der Lebensräume und der Menschenaffen vorsieht. Bis auf Malaysia haben alle Staaten, in denen Menschenaffen leben, zugesagt, dem Abkommen beizutreten.

Erstmals würde damit ein ernsthaftes weltweites Abkommen in Kraft treten, das ähnlich wie das Abkommen zum Schutz der Wale auch gewisse Verpflichtungen mit sich bringt und zumindest ein Abbremsen der Entwicklung zur Folge haben könnte. Als erster Schritt sollen bestehende Initiativen koordiniert, die Populationen überwacht, weitere Ressourcen und Finanzierungen gesichert und schließlich nationale Aktionspläne erarbeitet werden. Das Ziel freilich ist ehrgeiziger, denn mit dem Abkommen, das sich auf eine globale Kooperation von Staaten, NGOs und Unternehmen stützen will, sollen langfristig überlebensfähige Populationen erhalten werden. "Die Erklärung bekräftigt zum ersten Mal in der Geschichte der Menschenaffen politische Entschlossenheit auf höchster Ebene", sagte Matthew Woods von GRASP.

Praktisch alle afrikanischen Staaten, auf deren Territorien Menschenaffen leben, gehören zu den ärmsten Ländern der Welt. Zwar sind in allen Ländern die Menschenaffen bereits gesetzlich geschützt, aber Armut, Konflikte, Korruption und Ausbeutung der Ressourcen treiben die Zerstörung der Lebensräume und die Vernichtung der Tiere voran. Natur- und Tierschutz werden unter solchen Bedingungen nicht sehr wichtig genommen.

Für einen wirksamen Schutz können die Staaten meist nicht alleine sorgen, Unterstützung von Geberländern ist notwendig. Hier hat Großbritannien die Führung bei der Finanzierung übernommen. Neben der EU gehören zu den Geberländern bislang Belgien, Dänemark, Deutschland, Irland und Norwegen. GRASP hat das Abkommen daher auch weniger primär auf den Schutz als solchen gelegt, auch wenn die Nähe der Menschenaffen zu den Menschen und die ökologische Bedeutung von deren Lebensräumen als Indikator für biologische Vielfalt herausgestrichen werden. Der Erhalt liege im eigenen Interesse der Staaten und ergebe sich vor allem durch die wirtschaftlichen Möglichkeiten, die sich den armen Ländern in Zukunft durch den Tourismus zu den in der "Wildnis" lebenden Menschenaffen erschließen könnten.

Das Abkommen ist ein kleiner Schritt auf dem Weg zum Schutz der Menschenaffen, ob es erfolgreich sein wird, ist jedoch zweifelhaft. Voraussetzung wäre die Bekämpfung der Armut und die Beendigung des legalen und illegalen Abholzens. Bevor die lokale Bevölkerung tatsächlich ausreichend Arbeit in den Reservaten finden könnte, müsste wohl erst einmal viel Geld in die Projekte gesteckt werden. Die Bereitschaft dazu fehlt aber auch schon auf anderen Gebieten der Armutsbekämpfung, gerade in Zeiten des "Kriegs gegen den Terror".

Ethiker wie Peter Singer treten freilich dafür ein, die Menschenaffen nicht nur deswegen zu schützen, weil sie unsere Vorfahren sind und viele Eigenschaften gemeinsam mit den Menschen haben, sondern weil sie als leidensfähige, intelligente und bewusste Lebewesen auch Anspruch auf Menschenrechte erheben könnten und moralisch als gleichwertig mit Menschen behandelt werden müssten, also ihnen auch so etwas wie Würde zustünde und sie daher weder getötet noch erniedrigend oder grausam behandelt werden dürften (Menschenrechte für Menschenaffen?). Für Singer wäre es an der Zeit, den durch die Religionen aufgerichteten Anthropozentrismus zu durchbrechen. Schließlich gehört der homo sapiens ebenso wie die Menschenaffen zu den Primaten.