Taschenfußball

Das Gegenstück zu HDTV: TV auf dem Handy glotzen

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Nicht nur die besonders großen, nein auch die besonders kleinen Fernseher waren auf der Internationalen Funkausstellung 2005 ein Thema: DVB-H sollte zur Fußballweltmeisterschaft 2006 eigentlich schon Ballspiele auf dem Handy- oder PDA-Display ermöglichen, doch DMB wird es nun tatsächlich tun.

Endlich: Auch beim Fernsehen abstürzen! (Bild: W.D.Roth)

Die Rundfunktechnik der Zukunft sah man in Berlin weniger an den Ständen der Hersteller als beim Fraunhofer-Institut und dem Institut für Rundfunktechnik (IRT). Jedenfalls wenn es um die erträumten neuen Systeme wie DVB-H geht, das Überall-Handyfernsehen. Das sollte zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 bereits im Markt sein, doch daraus wird nichts: Es wird immer noch an den Instituten und Hochschulen wie dem seit einiger Zeit zum Fraunhofer-Institut gehörenden Heinrich-Hertz-Institut fleißig optimiert und entwickelt.

Sicher nicht zum Nachteil des Verfahrens: Durch intelligente Bandbreitenverteilung je nach Bildinhalt (der Sportkanal bekommt in dynamischen Szenen mehr Bandbreite, der Theaterkanal in relativ statischen Szenen dafür entsprechend weniger) kann in einem Paket mit 15 Signalen ein DVB-H-Signal mit H.264 als Bildkompression und AAC V2 (Coding Technologies' Advanced Audio Coding, bekannt auch von DRM) für den Ton durchschnittlich mit nur 384 KBit/s auskommen – 40% weniger als bei den bisherigen, fest zugeteilten Kanälen.

Glück gehabt: Der normale Zuschauer muss nur ein DVB-H-Programm ansehen, nicht alle 15 (Bild: W.D.Roth)

Für normale große Fernsehgeräte wird so natürlich keine ausreichende Bildqualität erreicht, das Signal ist wirklich nur für Mini-Bildschirme von Handys und PDAs bestimmt. Doch kann DVB-H später mit dem bereits laufenden DVB-T im selben Multiplex ausgestrahlt werden, was die Einrichtung und Kombination mit anderen Angeboten erleichtert. Die Stromersparnis bei DVB-H wird durch gepulste Sendesignale (Time Slicing) erzielt, die kein durchgehendes Einschalten des Empfängers verlangen – dieser wird dann ebenfalls getaktet.

Diverse DVB-H-Versuchsempfänger auf PDA-Basis und das DVB-H-Radio der Technischen Universität Braunschweig (Bild: W.D.Roth)

Ja sogar DVB-H-Radio wurde bereits als noch etwas unhandlicher Prototyp in der Vitrine gezeigt, das im Gegensatz zum nicht sehr tempotauglichen DVB-T angeblich bis zu Geschwindigkeiten von Mach 1 – also auch an Bord von Flugzeugen – funktionieren soll. Hier werden nur 64 KBit/s benötigt, was aber – da in AAC übertragen – mit der Qualität von 128 KB/s bei MP3 oder 192 KB/s bei DAB vergleichbar sein soll.

Real existent ist allerdings gerade erst DVB-T, das „Überall-Fernsehen“ (Fußballballett). Hierfür gibt es neben Set-Top-Boxen für den heimischen Fernseher nun auch etliche USB-Sticks und -boxen für Notebooks und Lösungen für PDAs. Letztere leiden allerdings unter hohem Stromverbrauch; ein Problem, das sie mit DVB-T-Radio teilen, welches in Berlin erstmals im Testbetrieb mit 26 Stationen abgestrahlt wird und für das der Hersteller Technisat extra einen knallroten Empfänger zeigte.

Das Technisat DVB-T-Radio hat auch einen Scart-Anschluss für Fernseher (Bild: W.D.Roth)

Das seit 10 Jahren von Rundfunk- und Medienanstalten je nach deren geografischer Lage in Deutschland und der Laune ihrer Chefs abwechselnd gepushte und dann wieder sabotierte digitale Rundfunksystem Digital Audio Broadcast DAB schlägt sich dagegen nach wie vor wacker: Während es in Deutschland lange nur zur Autoradioversorgung bestimmt war, gibt es in England inzwischen jede Menge DAB-Koffer- und Taschenradios.

Über 150 Geräte konnte die IMDR in der Halle 5.2 präsentieren, darunter auch solche im Design der 50er oder 70er-Jahre und neben deutschen, englischen und koreanischen Herstellern sind inzwischen auch Japaner wie Sharp oder Kenwood mit DAB-Empfängern vertreten. Mit lediglich 5 KBit/s zusätzlicher Bandbreite kann es nun auch 5.1-Kanal-Surround wiedergeben und bekommt wie die diversen DVB-Varianten einen Electronic Program Guide (EPG).

Doch auch DAB bekommt in der Form von DMB (Digital Multimedia Broadcast) nun ein Fernsehbild spendiert. DMB-Geräte gab es auch tatsächlich bei DAB-Herstellern wie Perstel und unter anderem bei Samsung zu sehen, da das System in Südkorea bereits eingeführt ist. Diese Geräte könnten also tatsächlich zur Fußballweltmeisterschaft 2006 bereits auf dem deutschen Markt sein, wenn die Fernsehsender entsprechende Angebote einrichten – auf der Messe war dies bereits testweise der Fall und Samsung zeigte bereits in Auftritten eines Alleinunterhalters, wie sie sich den Fußballfan 2006 vorstellen.

DMB: Dödel mit Bällen? (Bild: W.D.Roth)

DMB soll so nach Ansicht von T-Systems, die die Ausstrahlung übernehmen würden, auf dem Handy schon Schüler auf dem Weg in die Schule berieseln. Zwar bietet DMB weniger Fernsehkanäle als DVB-H, doch kann es das L-Band bei 1,4 GHz nutzen, das allerdings schon für normales DAB gnadenlos versagt hat. Dies bedeutet: Freie Frequenzen, aber schwieriger Empfang.

Problematisch wird es allerdings, wenn Systeme wie DVB-H oder DMB eines Tages in Handys so selbstverständlich werden wir heute die Fotokamera: Schließlich wird dann auch eine Fernsehgebühr fällig, die privat zwar mit dem im Wohnzimmer vorhandenen Fernseher verrechnet werden kann, bei beruflich benutzen Empfängern jedoch pro Gerät gezahlt werden muss. Ärger ist hier vorprogrammiert; so ist es heute bereits bei Siemens verboten, das hauseigene Handy-Modell SX1 dienstlich zu benutzen, da es Radio empfängt und der Konzern massive Nachforderungen der GEZ zu befürchten hätte. Autoradios, die mit DMB auch noch ein Fernsehbild anzeigen, könnten sich da schnell als Kostenfalle erweisen.

DAB und DRM firmieren nun gemeinsam unter DR (Bild: W.D.Roth)

Ein Problem, das sich bei DRM (Digital Radio Mondiale, Opas Radio wird mit neuer Technik wieder aufpoliert) nicht stellt: Hier werden zwar durchaus auch zusätzliche Textinformationen übertragen, wie beispielsweise der Nachrichtendienst Journaline, Wetter- und Verkehrsberichte; Video gibt aber die geringe Bandbreite nicht her, die auf die Benutzung auf Lang-, Mittel- und Kurzwelle ausgelegt ist.

DRM-Nachrichtendienst Journaline (Bild: W.D.Roth)

Von Texas Instruments und Radioscape gibt es jedoch inzwischen auch DRM-taugliche Chips und auch Kombinationen von DRM und DAB. Die Zeit, wo man zum DRM-Empfang einem Softwaredekoder brauchte und somit ein Computer mitlaufen musste (Digital Radiohören im Urlaub: Bloß den Notebook nicht vergessen!), dürfte also bald vorbei sein; als Prototypen waren bereits Autoradios und Kofferradios mit DRM und auch DAB und DRM kombiniert in einem Gerät zu sehen. Folgerichtig geht nicht nur RTL sondern auch die BBC mit DRM in den Regelbetrieb und Radio Niederlande in den Testbetrieb. Die etwas geringere Tonqualität von DRM macht die höhere Reichweite der Aussendungen wieder wett.

Erste DAB/DRM-Kombiempfänger (Bild: W.D.Roth)

Von der Zweckentfremdung von Telekommunikationsmedien für Broadcast-Zwecke (Radio und Fernsehen über Internet) oder umgekehrt Broadcast-Medien für Telekommunikationszwecke (Internet über Satellit) hörte man auf der IFA 2005 kaum mehr. Lediglich Teles zeigte neben SkyDSL für DSL über Satellit noch SkyDSL-T als Lösung, Internet über DVB-T zu übertragen – ein System, das nur dann erfolgreich sein kann, wenn es schwach genutzt wird oder alle dieselben Webseiten anschauen wollen und an E-Mail hoffnungslos scheitern dürfte: Es dürfte wenig Begeisterung hervorrufen, wenn die eigene, private E-Mail bei der Abholung über DVB-T in der ganzen Stadt empfangbar ist.

DAB-Kofferradio im 70er-Retrodesign (Bild: W.D.Roth)

Auch problematisch dürfte sein, dass Teles die UHF-Band-V-Kanäle 65 in Berlin und 64 in München verwenden will und als auch hier notwendigen teuren Rückkanal UMTS verwendet: Ist kein UMTS verfügbar und es wird auf GSM als Rückkanal zurückgeschaltet, so liegen die DVB-T-Kanäle sehr nah an den Handy-Frequenzen und Störungen des DVB-Empfangs sind zu erwarten.

Vodafone hatte aus genau diesem Grund die DVB-H-Erprobung in München auf dem dafür zugeteilten Kanal 66 bereits vor Beginn der Tests als unter diesen Umständen sinnlos abgeblasen. Die Rundfunkanstalten empfehlen inzwischen für DVB-H einen Mindestfrequenzabstand von 180 MHz zu den GSM-Frequenzen, also Belegungen unter Kanal 60 für DVB-H. Andernfalls ist im kleinen Handy-Gehäuse einfach keine ausreichende Entkopplung zwischen GSM und DVB-H möglich.

Tragbarer DVD-Spieler mit DMB-Empfänger von Samsung (Bild: Samsung)