Der Spieledesigner als geisteswissenschaftlicher Ingenieur

Medienschulen im Überblick. Folge 3: Game Design

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Zu den Wunschberufen vieler Jugendlicher zählt der Games Designer. Wer sich jahrelang beim Daddeln Fingerfertigkeit erworben hat, viel Zeit und Geld in seine Passion investiert und sich obendrein für kreativ hält, für den liegt der Gedanke nahe, sein "Hobby zum Beruf" zu machen – so zumindest werben viele Schulen für die Ausbildung zum Game Designer.

Gemessen an Großbritannien, wo es über 400 Ausbildungsmöglichkeiten gibt, sind die Ausbildungswege hier zu Lande noch rar gesät. Außerdem müssen Anwärter meist tief in die eigenen Taschen greifen. Das Metier existiert bei uns noch nicht lange. Seit gut fünf Jahren bieten einige Privatschulen eine Ausbildung zum Game Designer an. Inzwischen haben einige staatliche Ausbildungsstätten nachgezogen.

Zuletzt auf der Leipziger Games Convention konnte man den Boom der Spielebranche mit eigenen Augen verfolgen (vgl. Großereignis der Spaßgesellschaft). 134000 Besucher und 2000 Journalisten drängelten sich auf dem Messegelände im Norden Leipzigs. Die zweistelligen Wachstumsraten der Spieleindustrie ließen sich nicht nur an den proportional angewachsenen Ausstellerständen ablesen. Auch der Nachwuchs profitiert davon. So konstatiert der Bundesverband der Entwickler von Computerspielen (G.A.M.E) einen ungebrochenen Bedarf an versierten Spieleentwicklern.

In der Jobbörse von G.A.M.E.S sind augenblicklich achtzig Stellenausschreibungen enthalten. Darunter viele Praktika, aber auch qualifizierte Stellen als Senior Programmer, 3D-Grafiker, Game- und Leveldesigner oder Projektleiter. Auf vielen Websites von Entwicklerfirmen finden sich ebenfalls Jobbörsen.

Im Jahr 2000, auf dem Höhepunkt der so genannten New Economy, hatten sich in Berlin zwei Privatschulen gegründet, die sich eigens der Ausbildung von Multimedia-Berufen mit dem Schwerpunkt auf Computerspielen widmeten. Bei "L4 - Institut für Neue Medien" und der Games Academy konnte man sich zum Level-Designer ausbilden lassen. Damals gab es zwar noch keine staatlichen Ausbildungswege, doch waren Fördergelder noch reichlich vorhanden. Die als Weiterbildungsmaßnahmen anerkannten Seminare wurden etwa von der Berliner Senatsverwaltung und dem Europäischen Sozialfond großzügig unterstützt oder waren BaföG-fähig. Wer keinen darauf Anspruch hatte, musste allerdings zahlen. "Traditionell ist die Bereitschaft für Bildung zu bezahlen, in Deutschland jedoch nicht sehr entwickelt", räumte damals Thomas Dlugaiczyk, Leiter der Games Academy, ein.

Privatschulen haben die Nase vorn

Das sieht heute nicht viel anders aus. Doch von den 31 Absolventen der Games Academy, die in diesem Jahr abschließen, haben die meisten 870 Euro pro Monat im Ausbildungsgang Game Design beziehungsweise 675 Euro für den Kursus Game Art & Animation bezahlt. Kein Pappenstiel! Doch dafür dauern die Seminare bloß zwölf beziehungsweise 24 Monate. Bei L4 kostet die viersemestrige Ausbildung zum Game Designer monatlich 650 Euro. Die MediaDesign Schule für Grafik und Informatik, eine neben Berlin auch in Düsseldorf und München ansässige Schule, bietet ein dreijähriges Studium mit dem Abschluss Bachelor of Science (BSc) für 800 Euro an. Ohne Frage bleibt ein solches Studium ein Wagnis, dessen finanzieller Aufwand wohlüberlegt sein will – falls man ihn sich überhaupt leisten kann. Kleiner Trost: Um die Berufsaussichten steht es nicht allzu schlecht.

Alle Schulen kooperieren mit zahlreichen Spieleentwicklerfirmen, deren Fachleute dort als Dozenten wirken. Auf diese Weise kommen die Studenten mit der Praxis in Kontakt und treten in der Regel gleich im Anschluss ein Praktikum an. "Wer gut ist und sich einigermaßen gut bewirbt", glaubt Thomas Dlugaiczyk, "der hat im Moment jede Chance". Den Aussagen des Schulleiters zu Folge haben alle Absolventen der Games Academy in diesem Jahr einen Job gefunden. Einige sind sogar im Ausland, bei den Streamline Studios in den Niederlanden und bei Blizzard Entertainment in San Diego untergekommen.

Noch vor einigen Jahren bildeten solche Schulen allein Level-Designer aus. Inzwischen hat sich ihr Angebot diversifiziert. Bei L4 werden auch Mediendesign, Medienberatung und Medienmanagement angeboten. Die Games Academy unterscheidet zwischen den grafischen Prozessen (Art & Animation) und der eigentlichen Spieleentwicklung (Game Design).

Der Game Designer ist jemand, der sehr viel über ein Spiel nachdenkt, es analysiert, 'proof of fun' betreibt, Qualitätskontrollen durchführt und das Feedback organisiert.

Thomas Dlugaiczyk

Im Grunde also eine Art von Projektleiter, der weder in die gestalterischen Abläufe bei der 3D-Grafik involviert ist, noch selber programmieren muss. Dafür gibt es Animatoren und Informatiker.

Probleme, mit denen sich ein Game Designer bei seiner Arbeit herumzuschlagen hat, ist beispielsweise das Antizipieren von Technologie. Ein Computer- oder Videospiel zu entwickeln, braucht seine Weile. Oft vergehen Jahre, bis die ersten Beta-Versionen fertig gestellt worden sind. In dieser Zeit geschehen nicht selten technologische Quantensprünge. 64-Bit-Architekturen, Dot.net-Strategien und "Next-Gen"-Konsolen sind für Game Designer längst allgegenwärtig, obwohl sie in den Alltag der Konsumenten noch nicht eingezogen sind. Die Schulen kooperieren deshalb mit Hardware-Hersteller, deren neueste Produkte und Entwickler-Tools sie weit im Vorfeld eines Markt-Release erhalten. Die Games Academy rühmt sich etwa damit, als einzige deutschsprachige Schule ein lizenziertes Developer-Kit für Nintendos GameCube zu besitzen.

Behäbige Hochschulen

Gemessen an dem schnellen Reagieren auf Marktanforderungen und –entwicklungen seitens der privaten Schulen nimmt sich ein Studium an einer staatlichen Hoch- oder Fachhochschule in gleichen Teilen behäbiger wie bodenständiger aus. Es hat lange Zeit gebraucht, bevor Universitäten den Spielemarkt überhaupt als Ausbildungsinhalt erkannt und entsprechend reagiert haben. Inzwischen existieren einige Ausbildungswege. Allerdings dauert ein vollwertiges Universitätsstudium dort viel länger. Dafür erhält man aber auch eine fundiertere Ausbildung als es den Privatschulen möglich ist. Wer also Wert auf eine breite, auch intellektuelle Ausbildung legt, ist hier sicher besser aufgehoben.

An der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich (HGKZ) ist der im deutschsprachigen Raum erste Bachelor-Studiengang Game Design im Herbst 2004 eingerichtet worden. Er dauert drei Jahre und seine Philosophie klingt viel versprechend:

Wir glauben, dass Game DesignerInnen diejenigen sind, die die Entertainment-, Edutainment- und Infotainment-Soft- und Hardware von morgen bereits heute konzipieren, gestalten, verfassen, prototypisieren, produzieren und kreativ vordenken. Wir meinen, dass kritische Reflexion und bedenkendes Gestalten die Entwurfshaltung für diejenigen sein muss, die diese Interaktivität erfinden.

Man darf schon heute gespannt sein auf die ersten Produkte, die diesem Studiengang entspringen. Sowohl Spiele für PCs, Konsolen, Handys, interaktives Fernsehen und "tangible Medien" sind an der HGKZ in der Entstehung. Ganz kostenfrei ist allerdings auch dieses Studium nicht, doch mit 700 Schweizer Franken Semestergebühr deutlich günstiger als eine Privatschulen. Ein Begabungstest ist Voraussetzung.

Bereits seit 1996 existiert das NC-Fach Computervisualistik an der Universität Magdeburg hinter dessen sprödem Namen "eine solide Grundausbildung in der Informatik angeboten (wird), mit einer Spezialisierung auf bildbezogene Themen, wie Computergraphik, Bildverarbeitung und Mustererkennung". Laut Juniorprofessor Maic Masuch eignet sich die Ausbildung zum Computervisualisten in der Praxis besonders gut für Teamleiter, der eine Schnittstelle zwischen Programmierern und Designern bildet. Wie es sich für eine Universität gehört, wird hier auch Spieleforschung betrieben, aus welcher innovative User-Interfaces und KI-Systeme hervorgehen. Last not least, bietet auch die Filmakademie Baden-Württemberg im Studienfach Animation eine in der Branche respektierte Ausbildung im Fach Character Animation an, über die bereits an anderer Stelle (vgl. Boom trotz Krise: Animatoren haben gut zu tun) berichtet wurde.