Die versteckten Bilder von Abu Ghraib

Bislang wurde nur ein kleiner Teil der Bilder von den Misshandlungen irakischer Gefangener bekannt, erneut wurde nun von einem Gericht angeordnet, diese nach dem Informationsgesetz freizugeben

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Der Rechtsstreit über die Freigabe weiterer Bilder, die Misshandlungen im Gefängnis Abu Ghraib zeigen, geht weiter. Bürgerrechtsorganisationen hatten nach dem Informationsfreiheitsgesetz die Herausgabe weiterer Bilder vom Pentagon verlangt, die bislang nur unter Geheimhaltungspflicht Mitgliedern des Senats gezeigt wurden (Schlimmeres kommt noch; Foltern soll geheim bleiben). Nun hat ein Richter noch einmal angeordnet, dass das Pentagon trotz aller Bedenken 70 Bilder und 3 Videos nach dem Informationsfreiheitsgesetz (FOIA) weitergeben muss.

Bislang hat das Pentagon erfolgreich die Strafverfolgung von Soldaten, die gemäß der Freigabe von Rechtsberatern des Weißes Hauses, u.a. vom jetzigen Justizminister Gonzales, Gefangene in Abu Ghraib und anderswo misshandelt und gefoltert haben, in Grenzen halten können. Offiziere wurden bestenfalls gerügt, nur einige wenige Soldaten im untersten Rang wurden wirklich bestraft. Zuletzt sollte die dreijährige Gefängnisstrafe von Lynndie England zeigen, dass man die wenigen "bad apples" zur Verantwortung zieht. Demonstriert wurde aber gleichzeitig, dass die systematische Folterung oder zumindest der Freiraum, der den Soldaten gelassen wurde, nicht zum Thema werden soll.

Dass es noch viele weitere Fotos und Videos gibt, die zeigen, wie US-Soldaten irakische Gefangene in Abu Ghraib gedemütigt und gefoltert haben, ist lange bekannt. Bekannt ist auch, dass die Bilder noch Schlimmeres als das zeigen, was bislang bekannt geworden ist. Angesichts der für die Politik der US-Regierung verheerenden Wirkung der veröffentlichten Folterbilder ist durchaus verständlich, dass man weitere nicht herausgeben will. Das würde dem Widerstand im Irak neue Legitimation verschaffen und dem Ansehen der militärischen Interventionen der US-Regierung schaden, zumal wenn sie mit der Begründung erfolgt, damit Demokratie und die Beachtung von Menschenrechten zu fördern.

Das Pentagon hatte denn auch die Herausgabe der Bilder verweigert, weil dies den Widerstand stärken und damit das Leben der US-Soldaten gefährden könne (Foltern soll geheim bleiben). Zunächst hatte man den Grund vorgeschoben, dass man nach den Genfer Konventionen, die die US-Regierung nach Bedarf instrumentalisiert, die Würde der (misshandelten) Gefangenen schützen müsse. Das Gericht hatte daraufhin verlangt, die Gesichter unkenntlich zu machen, worauf das Pentagon mit der Gefährdung der im Irak befindlichen Amerikaner reagiert hatte.

Gestern hat der Richter Alvin K. Hellerstein angeordnet, dass das Pentagon nun endlich die Bilder freigeben muss. In seiner Begründung sagte er, dass die USA Erpressungen nicht gehorche. Zudem bräuchten die islamistischen Terroristen keinen Vorwand, um ihre Anschläge auszuführen. Die Praxis der Freiheit, die die USA vertreten, sei mindestens ebenso wichtig wie der Einsatz der Waffen:

Our nation does not surrender to blackmail, and fear of blackmail is not a legally sufficient argument to prevent us from performing a statutory command. Indeed, the freedoms that we champion are as important to our success in Iraq and Afghanistan as the guns and missiles with which our troops are armed.

Und auch in anderer Hinsicht wurde der Richter deutlich. Mit der Freigabe der Bilder würde nicht nur weitere Aufklärung über das illegale Verhalten von US-Soldaten geschaffen, sondern auch über die "Kommandostruktur", die solche Misshandlungen durch mangelnde Kontrolle nicht verhindern konnte. "Damit unser Kamf siegt", so Hellerstein in seinem Urteil, "muss er ohne die Opferung der Transparenz und der Verantwortlichkeit der Regierung und der Militärführung zustande kommen." Die Unterdrückung von Information sei die beste Möglichkeit, deren Bedeutung zu verstärken und die Kritik zu schüren.