Der Kampf geht weiter

In den palästinensischen Gebieten geht die Intifada in ihr sechstes Jahr

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Vor genau fünf Jahren begann auf dem Jerusalemer Tempelberg die al Aksa-Intifada - ein Konflikt, den keine der beiden Seiten gewinnen konnte: Rund 4500 Menschen starben; die Lebensgrundlage von Zehntausenden wurde zerstört. Und eine Lösung ist nicht in Sicht.

Polizisten feuern in der Jerusalemer Altstadt Tränengas auf Demonstranten ab (6.10.2000)

Es war alles wie immer gewesen: In der warmen Sonne des Jerusalemer Herbstes sonnten sich die Menschen in den Parks Westjerusalems, oder genossen Eiscreme in einem der vielen Straßencafés. Am Abend drängten sich in den Kneipenvierteln der Stadt Hunderte um einen Platz an der Bar. Und über den Köpfen braute sich, gut übersehbar für jeden, der es nicht wissen wollte, Unheil zusammen. In den Zeitungen und Fernsehnachrichten wurde es nur am Rande erwähnt.

Abendessen in Ramallah, Einkaufen in Kalkilja, Zahnarztbesuch in Tul Karem: Es war die Oslo-Ära, jene Zeit der vorgetäuschten Normalität, in der viele Israelis die niedrigeren Preise im Westjordanland genossen und fest glaubten, dass nun endgültig Frieden herrscht - warum auch nicht: Bombenanschläge hatte es schon lange keine mehr gegeben und in den palästinensischen Gebieten wurden die zahlungskräftigen Kunden mit offenen Armen empfangen. Wie es den Menschen auf der anderen Seite ging, fragte kaum jemand.

In den Teehäusern und Restaurants im arabischen Osten Jerusalems gab es derweil nur ein Thema: Scharon wolle den Haram al-Scharif besuchen, im Ausland besser bekannt unter seinem jüdischen Namen Tempelberg, erzählte man sich und schüttelte entrüstet den Kopf: ein Ausdruck des israelischen Besitzanspruchs über die drittheiligste Stätte des Islam, an der bis zum Jahre 70 nach Christus der zweite Tempel des Judentums stand, von dem heute nur die Klagemauer übrig geblieben ist; eine ungeheuerliche Provokation also für die meisten Palästinenser. Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, für jene, die in Westjordanland und Gazastreifen mit der ständigen Präsenz des israelischen Militärs, den jüdischen Siedlungen, dem tatsächlichen oder empfundenen Gefühl der Diskriminierung lebten.

Ein paar Tage vorher hatte die Familie Schweiki im Jerusalemer Stadtteil Ras al-Amud auf der Straße gesessen. Hinter ihr: Die letzten Überreste von dem, was einst ihr dreistöckiges Haus gewesen war. "Ich habe es mit meinen eigenen Händen gebaut", hatte Vater Khalid geklagt, fast zehn Jahre hätten er und seine Söhne gebraucht, bis alles fertig war. Es dauerte nur knapp eine Stunde, ihre Arbeit in einen Haufen Schutt zu verwandeln.

In den frühen Morgenstunden waren Angestellte der Stadtverwaltung gekommen und hatten gleich Polizei und Bauarbeiter mitgebracht: Es gebe keine Baugenehmigung, hatten sie gesagt; man werde das Gebäude jetzt abreißen. Ein paar Meter weiter entstand derweil eine neue Siedlung: Rechte Israelis hatten sich vor Gericht einen Besitzanspruch auf Land in dem Stadtteil erstritten - die unübersichtliche Rechtslage in bezug auf Grund- und Hausbesitz machte es möglich. "Ich schwöre, dass ich immer wieder versucht habe, eine Baugenehmigung zu bekommen", hatte Khalid die Stadtbediensteten angefleht: "Aber ich habe auf meine Anträge nie eine Antwort bekommen. Ich solle abwarten, hat man mir gesagt."

Palästinensische Jugendliche werfen am Dammaskustor in der Jerusalemer Altstadt Steine (6.10.2000)

Es waren Ereignisse wie dieses, die sich im kollektiven Bewusstsein der Palästinenser festsetzten und dort für ein tiefsitzendes Gefühl erlittenen Unrechts sorgten: Die Osloer Abkommen, die der palästinensische Präsident Jassir Arafat und Israels Regierungschef Jitzhak Rabin 1994 unterzeichnet hatten, hätten den Palästinensern gar nichts gebracht: Zwar war die Kontrolle über die palästinensischen Bevölkerungszentren schnell an die neugeschaffene Autonomiebehörde übergeben worden.

Doch mit der Ermordung Rabins Anfang November 1994 kam der Friedensprozess ins Stocken: 1996 wurde der rechts-nationalistische Benjamin Netanjahu Premierminister, der nur zaghaft und mit großer Verspätung die Kontrolle über Hebron, Standort des von Juden und Muslimen verehrten Grabs der Patriarchen, an die palästinensische Führung übergab, und damit eine geteilte Stadt schuf, in der die Menschen mit Dutzenden von Kontrollpunkten der Armee und den Launen jüdischer Siedler leben müssen - bis heute. Abgesehen davon verfolgte Netanjahu eine Politik der Nadelstiche: Der Siedlungsbau ging unverändert weiter; als in Jerusalem ein Fußgängertunnel unter dem Tempelberg eröffnet wurde, lieferten sich palästinensische Demonstranten zwei Wochen lang Straßenschlachten mit der Polizei; mehr als 40 Menschen starben.

Nach einem Anschlag in der Jaffa Straße in Jerusalem am 27.01.2002

Wenige Monate später musste Netanjahu, von seinen rechten Koalitionspartnern verlassen zurück treten - ein Schicksal, dass auch seinen sozialdemokratischen Nachfolger Ehud Barak ereilte: Er war ein Premierminister mit guten Absichten und schlechten Ausgangsvoraussetzungen: Obwohl sich Barak in Direktwahlen (ein Verfahren, das 2001 wieder abgeschafft wurde) mit großem Vorsprung gegen Netanjahu durchsetzte, musste er in einer Knesseth nach Mehrheiten suchen, in der rechte und religiöse Parteien mit ihren Forderungen nach verstärktem Siedlungsbau und Subventionen für religiöse Schulsysteme die Mehrheit hatten. Netanjahu war es aufgrund seiner eigenen politischen Überzeugungen leicht gefallen, darauf einzugehen; Barak hingegen blieb nichts anderes übrig. Die Erfüllung der Osloer Übereinkünfte wurde für beide unmöglich. Doch Barak weist auch heute noch jede Verantwortung für die Entwicklungen von sich: "Arafat hat einen Fehler gemacht", sagt er. "Ich habe ihm in Camp David alles angeboten, was ich ihm anbieten konnte, und er hat abgelehnt. Die Intifada hätte sofort beendet, Tausende noch am Leben sein können."

Bei den Körpern am Boden handelt es sich um Schaufensterpuppen

Doch Saeb Erekat, Verhandlungsführer der palästinensischen Autonomieverwaltung winkt ab: "Barak hat doch damals gar nichts mehr zu sagen gehabt. Niemand konnte garantieren, dass er seine Zugeständnisse auch hätte umsetzen können. Wir hätten dann wieder einmal mit leeren Händen dagestanden." Barak regierte damals ohne sichere Mehrheit im Parlament und trat drei Monate später zurück.

"Die Zeit war reif"

Warum er Scharon auf den Tempelberg gelassen hat? "Es ist ein freies Land", sagt Barak: "Ich hatte keine Möglichkeit, dies zu verhindern." Was der ehemalige General und Falke Scharon mit seinem Besuch damals bezweckte, liegt bis heute im Dunkeln. Es sei eine kalkulierte Provokation gewesen, mit der er die Ära Oslo, die er für fatal für die Sicherheit Israels hielt, habe beenden wollen, sagte danach eine ganze Reihe von Kommentatoren im In- und Ausland. Ein solcher Schritt liege einfach in seiner Natur, sagen andere.

Es war Ende September 2000. Es herrschte Stillstand. Kaum jemand, kaum ein Politiker, und nur wenige Analysten, suchten nach Auswegen aus der festgefahrenen Situation.

Am 28. besuchte der Abgeordnete Ariel Scharon, umringt von Dutzenden Sicherheitsbeamten, den Tempelberg. Am 29. lieferten sich nach dem muslimischen Freitagsgebet Hunderte eine erste Straßenschlacht in der Jerusalemer Altstadt. Es war der Beginn eines ungleichen Kampfes zwischen der desillusionierten palästinensischen Jugend, und den gut ausgerüsteten Polizisten und Soldaten der israelischen Regierung. Die angestaute Enttäuschung über die Ergebnislosigkeit des Osloer Friedensprozesses habe sich in einer "unglaublichen Druckwelle der Gewalt" entladen, sagte der Historiker Avi Schlaim damals. Die Proteste nach dem Besuch Scharons auf dem Tempelberg seien zu erwarten gewesen - und dennoch trafen sie die Regierung Barak unvorbereitet, der Mitte der 90er Jahre noch Generalstabschef war: Sie wies die Polizeiführung an, mit voller Härte gegen die Demonstranten vorzugehen. Schlaim: "Ich hoffe, er weiß was er da getan hat."

Ob die Scharon-Aktion der Auslöser der Intifada war oder ob sie auch ohne diesen Schritt begonnen hätte, daran scheiden sich bis heute die Geister. "Ich bin der Ansicht, dass der Besuch Scharons auf dem Tempelberg der Auslöser war", sagt der palästinensische Journalist Khaled Abu Toameh: "Ich glaube aber auch, dass es, hätte Barak Scharons Absichten unterbunden, irgendwann einen anderen Anlass gegeben hätte. Die Zeit war reif für eine zweite Intifada."

Über der Jerusalemer Altstadt hing in diesen Tagen eine dichte Wolke, eine Mischung aus Tränengas und verbrannten Reifen. In den engen Gassen des historischen Viertels lieferten sich beide Seiten erbitterte Straßenschlachten: Zunächst warfen die Demonstranten Steine; die Polizei reagierte mit Schlagstöcken, Tränengas und Gummipatronen. Dann kamen die Molotowcocktails; erste Schüsse wurden abgefeuert. Die ersten Toten waren zu beklagen.

Spirale der Gewalt

Inmitten des Gewühls war auch Abed, Khalid Schweikis 19jähriger Sohn, zu finden gewesen. "Was machst du hier?", wurde er gefragt. "Es ist vorbei", brüllte er, "wir werden nie wieder den Kopf hinhalten. Ich werde für die Freiheit kämpfen. Es wird alles besser werden." Eine Meinung, die damals viele Palästinenser geteilt hätten, sagt Schlaim: "Diesen Menschen war nach der Unterzeichnung der Osloer Übereinkünfte von der Politik versprochen worden, dass nun Gleichberechtigung und Gerechtigkeit herrschen würden. In der Realität hat sich aber kaum etwas geändert: Die Palästinenser waren weiterhin stark vom guten Willen der Israelis abhängig."

Doch Besserung brachte auch die Intifada nicht: Einer Statistik der israelischen Menschenrechtsorganisation BeTselem zufolge starben in den fünf Jahren seit dem Beginn der Intifada am 29. September 2000 bis zum 15. September 2005 mindestens 4.505 Menschen, unter ihnen 3.476 Palästinenser, 972 Israelis und 57 Ausländer. Außerdem wurde die Lebensgrundlage von Zehntausenden zerstört: Die israelische Armee riegelte kurz nach dem Beginn der Unruhen die palästinensischen Gebiete ab und baute ein System aus Hunderten von Kontrollpunkten und unbemannten Straßensperren aus Betonkübeln und Erdhügeln auf, die selbst kurze Reisen in Westjordanland und Gazastreifen zur Tortur und manchmal auch völlig unmöglich machten. So verloren viele Palästinenser ihre Arbeitsplätze in Israel, die zwar für hiesige Verhältnisse schlecht bezahlt waren, aber in den strukturschwachen palästinensischen Gebieten ein gutes Auskommen sicherten. In Gaza, einem der dichtbevölkertsten Landstriche der Welt, sank das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen auf 20 Schekel (3,60 Euro) am Tag.

Fast zwei Jahre später. 10. März 2002: "Ich treffe mich gleich mit Amnon auf einen Café im Moment", sagte Lital und schnappte sich ihre Handtasche. In den Parks der Stadt sonnte sich längst niemand mehr; die Straßen des Kneipenviertels waren menschenleer. Mehr als ein Jahr zuvor hatte die Hamas, eine islamistische Extremistengruppe, den jugendlichen Steinewerfern das Zepter aus der Hand genommen, die Intifada institutionalisiert und auf die Straßen Israels getragen - mit einer langen, blutigen Bombenserie.

Wer abends ausging, wählte deshalb lieber ein abgelegenes Etablissement mit großem Innenraum. Aber auch das war keine Garantie: Das Moment-Café liegt direkt gegenüber der Residenz des Premierministers, einem festungsartigen Gebäude, das auch damals schon von schwer bewaffneten Sicherheitsbeamten bewacht wurde.

Zuerst war über Kilometer hinweg ein lauter, dumpfer Knall zu hören; dann zeichnete sich gegen den Nachthimmel eine Rauchwolke in der Ferne ab. Dann wurde der Film im Fernsehen unterbrochen: Auf dem Bildschirm erschienen Dutzende Krankenwagen, zerfetzte Menschen, im Hintergrund das Moment Café, Treffpunkt der friedensbewegten Linken - kaum noch als solches zu erkennen. In der Nacht kamen drei Polizisten und sagten: "Es tut uns leid." Sie und ihre Kollegen wiederholten diesen Satz 13 Mal in dieser Nacht.

Bilder von der Jenin Offensive, aufgenommen am 5.4.2002

Längst war Ariel Scharon, ebenfalls ein ehemaliger General, mit dem Versprechen für Ruhe zu sorgen, zum Regierungschef gewählt worden. Doch er goss vor allem Öl ins Feuer, ließ jedem Bombenanschlag heftige Vergeltung folgen und gab den Extremistengruppen damit nur neue Anlässe für weitere Attentate. So war noch in der Nacht des Moment-Anschlags in den erhöht gelegenen Vierteln Jerusalems ein dumpfes Grollen zu hören: Die Armee bombardierte Nablus und Ramallah. Am nächsten Abend hatte jemand ein handgeschriebenes Schild in einen Baum gegenüber der Ruine gehängt: "Wir trauern, wir trauern, und fahren fort mit unserem Leben."

Anfang April 2002 begann die Armee mit ihrer Offensive in Jenin, die nach offiziellen Angaben das Ziel hatte, gegen die Extremistengruppen vorzugehen: Tagelang wurden die Stadt im nördlichen Westjordanland und das benachbarte Flüchtlingslager von einem Belagerungsring aus beschossen, bevor die Armee dann die beiden zusammenhängenden Städte besetzte. Einige Tage später machten der für eine ausländische Agentur arbeitende palästinensische Fotograf A und sein Kollege B Aufnahmen im Stadtzentrum von Jenin, als ein Panzer um die Ecke bog: "Obwohl wir deutlich als Journalisten gekennzeichnet waren, eröffneten die Soldaten sofort das Feuer mit ihrem Bordmaschinengewehr. Mein Kollege wurde in den Bauch getroffen, ich ins Bein", sagte A. Mehr als eine halbe Stunde lang lagen die Beiden blutend in einem Hauseingang, bis es der Besatzung eines Krankenwagens gelang, die Fotografen zu erreichen - zu spät für den Kollegen, der zu diesem Zeitpunkt seinen inneren Verletzungen erlegen war.

In fast 50 Aufnahmen dokumentierte A das langsame Sterben seines Kollegen, die die Öffentlichkeit ebenso wenig zu sehen bekommen wird, wie die rund 500 Fotografien, die er in dieser Zeit in zerstörten Häusern, Hospitalen und auf Straßen angefertigt hat: Auf mehreren sind vollständig verbrannte Körper zu sehen; ein Bild zeigt einen Kopf, das Gesicht Schmerz verzerrt, auf dem Boden über einer eingestürzten Betonwand liegen. Was er gefühlt hat, als er diese Aufnahmen gemacht hat? "Tiefe Trauer", sagte er damals, "Mitleid mit uns allen. Ich habe mich an die Bilder von den Toten der Bombenanschläge in Tel Aviv und Jerusalem erinnert gefühlt. Sterben war für mich immer etwas Abstraktes, Schockierendes, wenn ich es auf Bildern sah. Ich gestehe, dass ich mitgejubelt habe. Aber es mit eigenen Augen zu sehen, hat mir ein tiefes Gefühl der Abscheu gegeben. Was ist nur aus uns allen geworden? Es muss doch einen anderen Weg geben."

Anfang Oktober 2005: Die Politik der harten Hand ist fehl geschlagen

Vor eineinhalb Jahren hat Scharon erstmals von einem einseitigen Abzug zu sprechen: Im August wurde Gaza geräumt; die Mauer, die Israel seit fast zwei Jahren rund um das Westjordanland baut, ist nun fast fertig. Die Zahl der Anschläge ist in der Tat zurück gegangen. In den Parks Jerusalems sonnen sich wieder die Menschen in der warmen Herbstsonne, oder sitzen in einem der vielen Straßencafés, die in den vergangenen Monaten aufgemacht haben.

In Jenin zeugen strahlend gelbe Häuserreihen vom Wiederaufbau der Stadt, finanziert mit Mitteln aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. In Ostjerusalem ist die Familie Schweiki dabei, ihr Haus wieder aufzubauen. Mit dabei: Sohn Abed. Mit Gewalt will er nichts mehr zu tun haben: "Der Preis war zu hoch", sagt er: "Hamas und Islamischer Dschihad haben uns den Kampf abgenommen und ihn für ihre eigenen Zwecke missbraucht. Ich wollte Freiheit, keinen zweiten Iran."

Zur gleichen Zeit bombardiert Israels Armee Gaza, als Vergeltung für die 32 Kassam-Raketen, die die Hamas an einem einzigen Wochenende auf israelische Städte in der Nachbarschaft abgefeuert hat. Kurz zuvor war bei einer Kundgebung ein Sprengkörper explodiert und hatte 20 Menschen getötet. Dieser Zwischenfall, für den die Hamas zwar Israels Regierung verantwortlich macht, der aber von allen anderen selber als Unfall gewertet wird, war für viele Palästinenser der Tropfen auf dem letzten Stein. Sie sind der Gewalt, des ständigen Ausnahmezustands müde. Der Preis für die Intifada sei zu hoch gewesen, ist immer wieder resigniert zu hören: „Wir haben heute weniger als in den Jahren vor der Intifada", hieß es am Dienstag in einem Zeitungskommentar: „Der Militarismus hat unsere Jugend verroht; bewaffnete Gruppen setzen ihr eigenes Gesetz durch."

Überall in den palästinensischen Gebieten fordern die Menschen deshalb, die Autonomiebehörde solle endlich dafür sorgen, dass die Waffen von den Straßen verschwinden. In der Tat begann die Autonomiebehörde in der vergangenen Woche damit, ein Verbot des Tragens von Waffen in der Öffentlichkeit durchzusetzen. Doch die Hamas weigert sich, der Anordnung Folge zu leisten. Am Freitag lieferten sich Polizei und Hamas-Kämpfer in Gaza ein stundenlanges Feuergefecht; außerdem griffen Mitglieder der Organisation eine Polizeistation an; der Kommandant des Postens kam dabei ums Leben. Am Sonntag stürmten daraufhin Polizisten ins Parlamentsgebäude, um gegen diese „Demütigung“ zu protestieren: „Wir haben nicht einmal genug Kugeln gehabt, um uns selbst zu verteidigen.“

Am Montag sprach das Parlament der ausgesprochen unbeliebten Regierung unter Führung von Ministerpräsident Ahmed Kureia das Misstrauen aus. Sie sei nicht dazu in der Lage, für Sicherheit zu sorgen, hieß es in dem Antrag, gegen den nur noch fünf der Abgeordneten stimmten. Der direkt gewählte Präsident Mahmud Abbas hat nun zwei Wochen Zeit, eine neue Regierung zu bestimmen.

Doch die wird es auch nicht einfacher haben, auf die neuen Bedingungen einzugehen: Die Hamas wetterte in einer Mitteilung, „die Kollaborateure in der Autonomiebehörde wollen die Hamas zerschlagen". Man werde das "Recht auf Selbstverteidigung wahrnehmen".

Derweil haben Scharon und Abbas sich auf baldiges Treffen geeinigt, während die Mauer, die an vielen Stellen ein Zaun ist, mehr und mehr zu einer Grenze wird. Schon bald, daran hat kaum noch jemand Zweifel, wird es einen palästinensischen Staat geben. Die Intifada hat sich deshalb verändert, ist zu einem Kampf über Macht und Vorherrschaft geworden. Doch sie geht weiter.