Es fehlt der direkte digitale Link vom Satellit zur DVD

Zur Funkausstellung 2005 fuhren alle Hersteller ähnliche Strategien

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Wenn die Film- und Musikindustrie – also der Software-Ast der Unterhaltungselektronik – merkt, was der Kunde will, setzt sie mitunter alles daran, es ihm bloß nicht zu bieten. Zumindest momentan scheinen die Unterhaltungselektronik-Hardware-Hersteller aber ein ähnliches Problem zu haben.

Was kam nun eigentlich Neues zur Internationalen Funkausstellung dieses Jahr? Im Audio-Bereich war eher wenig Innovatives zu sehen. Ja, ok, fast jeder Hersteller hatte einen tragbaren MP3-Player mit Flash-Speicher oder Festplatte, um gegen Apples Ipod anzustinken. Mancher Hersteller baute nun auch MP3-Player in Radiowecker oder Mini-Ghettoblaster (sog. Ghettohuster) wie die Philips „Shoq Box“ PSS 120 ein. Allerdings stellt sich die Frage, wie diese zukünftig noch legal befüttert werden können, wenn die Musikindustrie nur noch CDs mit Kopierschutz liefert, von denen maximal noch kopiergeschützte WMA-Formate erzeugt werden können (Kopitus interruptus), auch die deutschen Online-Musikläden „alles außer MP3“ bieten, die Abmahnhaie auch Ogg aufs Korn nehmen (Faules Marken-Ei bei Ebay) und der Link auf geeignete Online-Musikquellen im Ausland nur noch von der Musikindustrie selbst gefahrlos gesetzt werden kann

“Ghettohuster“ oder Ipod mit Lautsprechern? Philips „Shoq Box“ PSS 120 (Bild: Philips)

Nur Panasonic hat in der normalen Mini-Stereoanlage SC-PM71S für 300 Euro einen SD-Kartenslot vorgesehen, von dem MP3-Dateien auf eingeschobenen Speicherkarten nicht nur wiedergegeben werden können, sondern auf die auch gleich digital aufgenommen werden kann. Das kennt man sonst nur von digitalen Radios mit DAB, wie dem Woodstock 53 von Blaupunkt. Auch Sharp kommt erstmals mit einem DAB-Radio, dem FV-DB2ES zu 230 Euro, bei dem man, wenn man ein Lied noch mal hören oder es gar aufnehmen möchte, wie bei einem Timeshift-Fernsehsatellitenreceiver in Tivo-Manier bis zu 16 Minuten zurückspulen kann. Damit könnte das im Napster-Rip-Zeitalter fast vergessene legale „Mitschneiden vom Radio“ wieder interessant werden, denn was ist wohl komfortabler, als einen Song, den man gerade gehört hat und der einem gefällt, per Knopfdruck einfach nachträglich abzuspeichern, statt einem Musikerkennungssystem den Song zur allgemeinen Belustigung vorzusingen und ihn dann über Handy herunterzuladen, wie die feuchten Phantasien der Branche noch letztes Jahr lauteten?

Sharp DAB-Radio FV-DB2ES: Ohne Rausch(en), dafür mit Zeitmaschine (Timeshift) (Bild:Sharp)

Philips bot wiederum mit dem „Streamium Wireless Music Center“ ein spezielles Audio-Wireless-Streaming-System, das wie ein PC-Server mit WLAN und MP3-Abspielern à la Noxon (Funk-Webradio für die HiFi-Anlage) funktioniert – nur ohne PC, doch stattdessen einfacher bedienbar mit Flachmännern im Bang & Olufson-Stil: Ein Gerät hat eine 40-GB-Festplatte und liest bis zu 750 Audio-CDs aus, so diese das noch erlauben, der Rest greift drahtlos auf dieses Gerät zu. Wahlweise kann dann auf allen Geräten dasselbe Musikprogramm laufen oder auch ein unterschiedliches. Im Vergleich zu High-End-Lösungen wie dem Cyrus Linkserver (HiFi und Heimkino im Kampf gegen den Kopierschutz) ist diese Lösung mit knapp 1000 Euro für einen Server mit zusätzlichem drahtlosen Empfänger und 300 Euro je weiterem Empfänger günstig – dafür handelt es sich allerdings auch nicht um HiFi, sondern eine gehobene Kompaktlösung.

So richtig gut klingt das Philips Streamium Wireless Music Center erst im harten Kücheneinsatz mit einem Fettschmierfilm auf der hochglänzenden Oberfläche (Bild: Philips)

Webradio empfangen kann das Wireless Music Center übrigens ebenso wenig wie der Wireless Music Receiver SLA 5500, der ansonsten dem schon erwähnten Terratec Noxon verdächtig ähnlich sieht und wie dieser 130 Euro kostet. Wobei der Noxon in der neuesten Version II nun auch einen optischen Digitalausgang hat und Microsoft WMA abspielen kann. Außerdem hat das Gerät nun einen USB-2-Port für externe Festplatten oder MP3-Spieler, ist also nicht mehr auf einen laufenden Netzwerkserver angewiesen. Dafür kostet das neue Modell nun allerdings auch knapp 200 Euro.

Elta Duschradio… (Bild: Elta)

Die Design-Sensation der Billigmarke Elta, das intern „Dildo“ genannte Duschradio mit Seifenspender, aber dummerweise ohne Vibrator, das im Frühjahr im Karneval verkauft wurde, soll allerdings nicht mehr aufgelegt werden. Stattdessen setzt man dort ganz seriös auf einen DVD-Spieler mit Netzwerkfähigkeiten. Und auch sonst stürzen sich alle Hersteller eher auf Video als Audio, und zwar speziell auf Flachbildschirme, Handy-Fernseher (Taschenfußball) und DVD-Rekorder.

…im Einsatz??? (Bild: Philips)

Bei den Flachbildschirmen ist nun das digitale Kopierschutzsystem HDCP überall ein Thema – was natürlich noch nicht heißt, dass es auch wirklich durchgängig eingebaut ist und funktioniert. Dem Wunsch des Käufers entspricht es ohnehin nicht. Die Begeisterung für HDTV hat angesichts dieser Problematik bereits nachgelassen (Analog, Digital - sch...egal, Hauptsache TV-Gucken wird illegal!). Zudem ist der Normalbürger verwirrt – er hört vom digitalen Antennenfernsehen DVB-T und vom hochauflösenden Digitalfernsehen HDTV und realisiert nicht, dass gerade diese beiden Begriffe nun absolut nichts miteinander zu tun haben und sich auch nicht kombinieren lassen: Terrestrisch ist keine ausreichende Bandbreite für HDTV verfügbar, selbst wenn man bei DVB-T von der aktuell verwendeten MPEG2-Kodierung auf MPEG4 umsteigen würde, wie es über Satellit für HDTV gerade geschieht. Es gingen dann nach Anschaffung neuer DVB-T-Empfänger nur ein HDTV-Sender in einen Analog-Fernsehkanal statt deren vier beim normalen DVB-T, weshalb man derartige Pläne für Deutschland gleich verworfen hat.

DVD-Player gibt es inzwischen auch mit Digital-HDCP-Ausgang und Upscaling des PAL-Signals auf HDTV. Zwar könnte dies auch der HDTV-Fernseher tun, doch ist die digitale Übertragung ab DVD-Player natürlich qualitativ besser, als von dort analog zum Fernseher zu übertragen und dann erst in diesem zu digitalisieren und hochzuskalieren. Allerdings haben die neuen Fernseher meist nur einen Digitaleingang – man muss sich also entscheiden, ob man gutes DVD-Bild oder HDTV beispielsweise von Premiere haben will. Und da ist ein Hindernis, dass im Videobereich immer mehr mit Einzelkomponenten gearbeitet wird. Ein Gerät wie der klassische VHS-Videorekorder, das selbstständig empfangen, zwischenspeichern, abspielen und archivieren kann, aber nicht analog mit Band, sondern auf moderner Digitalbasis mit DVD, das ist absolut nicht in Sicht.

Panasonic Mini-Stereoanlage SC-PM71S mit SD-Slot (Mitte links) (Bild: Panasonic)

Stattdessen gibt es einerseits Satelliten- oder DVB-T-Empfänger als eigenständige Geräte, die inzwischen durchaus auch mit Festplatten bestückt werden. Doch gibt es da eine geheimnisvolle Grenze von 80 GB, die kaum ein solches Gerät überschreitet. Größere Festplatten sind den Satellitenempfänger-Herstellern anscheinend suspekt, weil ihre Hard- und Firmware dafür nicht ausgelegt ist – oder schlicht zu teuer. Und 80 GB sind unerwartet schnell voll. Werden schon einmal 160 GB spendiert, wie beim Premiere-zertifizierten Humax PDR 9800, dem Nachfolger des PDR 9700 ("Premiere" digital auf Festplatte aufzeichnen), so sind 80 GB davon für einen neuen Dienst von Premiere reserviert, der Videos on Demand über Nacht speichert – der Käufer kann wieder nur 80 GB für seine eigenen Aufnahmen nutzen. Für DVB-T sieht es ähnlich aus. In England sind sogar nur 40 GB in den teuren Sky-Plus-Pay-TV-Receivern mit Festplatte, da größere Platten als von den Filmlizenzen her nicht geduldete Archivierung gelten.

Die bereits legendäre, doch immer noch nicht lieferbare Reel-Box (Bild: W.D.Roth)

Empfänger, die zumindest über relativ langsame USB-Verbindungen das Transferieren der Aufnahmen erlauben, die man behalten will, sind rar (MP3 und Filme zum Download über Satellit) – und auch dann wird noch ein teurer und störender PC im Wohnzimmer benötigt, um hieraus DVDs zu machen, was ganz bestimmt nicht dem Wunsch des Normalkäufers entsprechen dürfte. Und Satellitenempfänger mit der Möglichkeit, direkt auf DVD zu speichern, gibt es bislang nicht, abgesehen von der seit Jahren angekündigten und immer noch nicht lieferbaren Reel-Box oder der seit dem Frühjahr angekündigten, aber gerade erst mit dem vorgesehenen Softwareumfang ausgerüsteten DMC-Box von ITV. Lediglich Fujitsu-Siemens ist mit der Activity, die auf PC-Technik beruht, schon länger im Geschäft und zur Funkausstellung mit der neuen Activity 300 herausgekommen. Die Billigmarke Yakumo will zum Jahresende etwas Ähnliches in billiger herausbringen.

Das andere Lager sind die klassischen Unterhaltungselektronik-Hersteller wie Panasonic, Sony, JVC, Sharp oder Philips oder die Billigmarken wie Mustek oder Phocus. Hier sind größere Festplatten plötzlich kein Problem, DVD-Videorekorder mit Platten von bis zu 400 GB sind lieferbar, was für ein solides Archiv von Serien oder Filmen reicht. Und hier kann sogar recht flink in erhöhter Geschwindigkeit auf DVD ausgelagert werden, was bereits auf Festplatte ist.

Ein Blick auf die Innereien der Reel-Box (Bild: W.D.Roth)

Doch bei den Aufnahmefähigkeiten fallen auf einmal Begriffe wie Show-View und VPS statt EPG und Dolby Digital. Sollten die tollen DVD-Boliden etwa…? Ja, tatsächlich, sie haben zwar teilweise Firewire-Schnittstellen oder Steckplätze für Flash-Speicherkarten, aber nur einen Analog-Tuner. Schön für Kabelfernsehkunden. Der Rest empfängt dagegen in den Städten oft gar keine eigenen Programme mehr, da auf DVB-T umgestellt wurde. Doch DVB-T-Tuner finden sich nur ganz vereinzelt in den DVD-Videorekordern. Und Satelliten-Zuschauer schauen ganz in die Röhre, denn ihren schönen DVB-S-Receiver mit Festplatte können sie nur analog über Scart-Kabel mit dem schönen DVD-Rekorder mit Festplatte verbinden, um dann auf der einen Seite abzuspielen und zu dekodieren und auf der anderen neu zu kodieren und wieder aufzunehmen. Besser wird das Bild davon nicht und es belegt beide teuren Geräte je nach Filmlängen mehrere Stunden. Auch der Mehrkanalton bleibt auf der Strecke.

Begeisterung…oder Wut? (Bild: Philips)

Wenn man dann die Hersteller fragt, warum sie keine DVD-Rekorder mit DVB-S-Empfang anbieten, die das moderne digitale Äquivalent zum klassischen Videorekorder wären, so bekommt man die absurdesten Antworten, von „gute Idee, darüber sollte mal jemand nachdenken“ über „von der Satellitentechnik haben nur die Hersteller von Satellitenempfängern Ahnung, davon verstehen wir nichts“ bis zum Tiefpunkt bei Panasonic: „DVB-S ist im Gegensatz zu DVB-T nicht genormt, da müssten wir ja für jedes Land ein anderes Gerät bauen“. Ja klar, ausgerechnet die europaweite Satellitenabstrahlung soll Probleme mit Landesgrenzen haben – dabei hat sich außer Skandinavien mit MAC-Abstrahlungen und den innerhalb der nächsten Jahre aussterbenden Analog-Abstrahlungen mit DVB-S nun wirklich ein europaweiter Standard herausgebildet, im Gegensatz zu den vielen unterschiedlichen analogen terrestrischen Fernsehnormen, mit denen die Hersteller komischerweise keine Probleme haben. Als Höhepunkt des Fortschritts gilt es dann, wenn der DVD-Rekorder den Satellitenempfänger für eine Aufnahme oder Überspielung zumindest mitsteuern kann.

Immer noch am coolsten: "Pimp my Oma ihr Wohnzimmer" – der Heise-Showroom auf der IFA 2005 (Bild: W.D.Roth)

Über die DVD-Nachfolger HD-DVD und Blu-Ray-Disc mag man da gar nicht mehr nachdenken, denn aus Kopierschutzgründen wird der Kunde da dann sogar mit Absicht schikaniert und zu umständlichen Vorgehensweise oder gar einem Gesetzesbruch gezwungen werden, wenn ihm eine Sendung so gut gefallen hat, dass er sie dauerhaft archivieren will.