Im Auftrag der Geschichte – oder Gottes?

In seiner Apologie für den globalen Krieg gegen den Terror warnt US-Präsident Bush vor einem totalitären Weltreich des Bösen und fordert den Kampf bis zum totalen Endsieg über die "Feinde der Menschheit"

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Lange hat die Strategie der Bush-Regierung gezogen, den globalen Krieg gegen den Terror, der mit GWOT auch seine Abkürzung fand, mitsamt der Angst vor dem "Bösen" nach dem 11.9. in den Mittelpunkt der Politik zu stellen. Für Jahre hatte dies die Nation wie gewünscht zusammen geschmiedet und den Präsidenten nahezu sakrosankt gemacht. Schon seit einiger Zeit wird aber offenbar mehr und mehr US-Bürgern deutlich, dass der Krieg gegen den Terror, wie er im Irak angeblich geführt wird, den Terrorismus genährt hat und bestenfalls auf der Stelle tritt. Dahinter treten mehr und mehr Unzulänglichkeiten, allen voran wohl der Umgang mit der Flutkatastrophe, zu Tage. Selbst im Senat hat Bush trotz der Drohung mit einem Veto eine Niederlage erleiden müssen, als die meisten Abgeordneten für ein Gesetz stimmten, dass dem Pentagon strenge Regeln bei Verhören vorschreibt. Bush versuchte nun in einer Rede vor dem von Reagan gegründeten National Endowment for Democracy die Trumpfkarte des Kriegs gegen den Terror noch einmal zu stärken. In einigen Hinsichten hat sich dabei die Argumentation verschoben.

Möglicherweise wird eine BBC-Dokumentation Aufsehen erregen, in der behauptet wird, dass Bush nach eigenem Bekunden angeblich im Gottesauftrag gehandelt habe, als er die Kriege gegen Afghanistan und gegen den Irak begonnen hat, um die Welt vom Übel zu erlösen. Nach seiner ersten Assoziation des von ihm ausgerufenen globalen Kriegs gegen den Terrorismus mit einem neuen Kreuzzug hatte sich Bush bzw. seine Redenschreiber mit expliziten religiösen Anspielungen zurück gehalten, auch wenn in der stets vorgetragenen Erlösungsbestimmung der USA und im Kampf gegen das Böse ein religiöser Manichäismus stets präsent war.

Man wird nicht unbedingt den in der BBC-Dokumentation "Elusive Peace: Israel and the Arabs" wieder gegebenen Berichten von Abu Mazen (Mahmud Abbas), dem palästinensischen Ministerpräsidenten, und Nabil Shaath, seinem Außenminister, über ihre erste Begegnung mit US-Präsident Bush im Juni 2003 wörtlich Glauben schenken. Aber ganz abseitig erscheint es nicht, wenn Bush sich hier, abseits von der Medienöffentlichkeit, als von Gott Beauftragter geschildert hat. Vielleicht wollte er damit seine Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit nicht nur im kriegerischen Handeln, sondern auch in der Unterstützung der Forderung der Palästinenser nach einem eigenen Staat demonstrieren. Wie auch immer, so soll er nach Nabil Shaath gesagt haben:

President Bush said to all of us: 'I'm driven with a mission from God. God would tell me, "George, go and fight those terrorists in Afghanistan." And I did, and then God would tell me, "George, go and end the tyranny in Iraq …" And I did. And now, again, I feel God's words coming to me, "Go get the Palestinians their state and get the Israelis their security, and get peace in the Middle East." And by God I'm gonna do it.'

Allerdings ist diese Äußerung nicht ganz neu. Die israelische Zeitung Haaretz hatte sie damals schon berichtet. Abbas hatte damals die Worte von Bush so wieder gegeben:

"God told me to strike at al Qaida and I struck them, and then he instructed me to strike at Saddam, which I did, and now I am determined to solve the problem in the Middle East. If you help me I will act, and if not, the elections will come and I will have to focus on them.

Öffentlich äußert sich Bush natürlich nicht in dieser Weise, der Sprecher des Weißen Hauses hat die angeblichen Zitate auch gleich abgestritten. Allerdings hatten viele Passagen seiner Rede religiöse Untertöne. Wieder schilderte er den 11.9. als den Auftritt des "großen Bösen" und als einen "großen Wendepunkt unserer Geschichte". Daraus habe sich ein "Aufruf" ergeben, gegen das Böse zu kämpfen, bis es besiegt ist. Das war auch schon so in der letzten Rede in der Stiftung National Endowment for Democracy (Im Auftrag der Weltgeschichte). Vergleicht man die Rede gestern mit der vor zwei Jahren, so haben sich nur Nuancen geändert. Das ist erstaunlich, denn heute müsste sich Bush wohl der Rückendeckung mit neuen Argumenten sichern, die nicht verbraucht und unglaubwürdig sind.

US-Präsident Bush verteidigt seine Politik mit den alten Argumenten. Foto: Weißes Haus

Erstmals versucht Bush, die Motive der islamistischen Terroristen, die eine "globale Kampagne der Furcht" gestartet haben, auf die Bush mit einer "Kampagne der Freiheit" reagiert hat, nicht nur als irrationalen Neid und als Hass zu schildern. Die Terroristen folgten, so Bush, einer "klaren und deutlich ausgerichteten Ideologie", ihre Überzeugungen und Ziele seien "böse", aber nicht "verrückt". Bush nimmt wieder den Islam als Glauben in Schutz und erklärt, dass der "islamische Radikalismus" oder "islamische Faschismus" nur den Islam für eine "gewalttätige politische Vision" ausbeute, man könnte auch sagen, wie Parasiten gekapert habe: Dabei aber fällt er doch wieder ins manichäische Weltbild zurück. Die Terroristen würden durch Anschläge, Subversion und Widerstand ein "totalitäres Reich" erzwingen wollen, in dem es keinerlei "politische und religiöse Freiheit" gibt.

Im Unterschied zu früher, räumt Bush die großen Unterschiede zwischen einzelnen Gruppen und Bewegungen ein, die höchstens ein loses Netzwerk bilden, meint aber, dass sie alle dieselbe Ideologie und dasselbe Ziel hätten: Sie würden den "amerikanischen und westlichen Einfluss" aus ihren Ländern vertreiben wollen, weil dieser für "Demokratie und Freiheit" stehe. Nach dem Rückzug würden sie das hinterlassene "Vakuum" ausbeuten, um ihre Vision durchzusetzen. Und hier kommt der Irak ins Spiel, der für die Islamisten zur "zentralen Front" geworden sei, wobei Bush selbstverständlich nicht sagt, dass er dies erst durch die Invasion der Koalitionstruppen geworden ist, schließlich – so das Argument - hätten islamistische Terroristen schon vor dem Einmarsch in den Irak die USA angegriffen. Man dürfe sich jedenfalls jetzt nicht aus dem Irak zurückziehen, weil das den Feind nur stärke. Der verfolge nämlich in Analogie zur eigen Dominotheorie, in der der Irak zur ansteckenden wirtschaftlichen und politischen Musterdemokratie für den Mittleren Osten werden sollte, die Strategie, nach der Machtübernahme im Irak ein "islamisches Imperium" aufbauen, das von Spanien bis zu den Philippinen reicht.

Der Kampf um die Weltherrschaft

Mit der Ausweitung der territorialen Macht würde sich der Islamismus dann auch dem "Reich des Bösen" annähern, das einst in den Augen des Bush-Vorbilds die Sowjetunion war. Damit und mit dem Kommunismus vergleicht Bush die islamistischen Extremisten auch wörtlich, im Hinblick auf die Grausamkeit, die Unterordnung unter einer Ideologie, den Kampf gegen Freiheit und den Willen zu einer totalitären Macht. Sie würden dann endlich Massenvernichtungswaffen herstellen, Israel vernichten, Europa einschüchtern, Amerikaner angreifen und die US-Regierung in die Isolation zwingen können. Das klinge zwar nach Fanatismus, aber Menschen wie Bin Laden oder Sarkawi seien wie Hitler oder Pol Pot fanatisch. Und solche entschlossenen "böse Menschen" müsse man ernst nehmen und bekämpfen, "bevor ihre Verbrechen sich vermehren können". Irgendwie aber will auch nicht recht zusammen passen, dass es zwar um einen Schicksalskampf zwischen den Kräften des Guten und des Bösen geht, bei dem es nur einen Endsieg geben darf, andererseits die Bösen aber wie einst der Kommunismus sowieso auch ohne Kampf aufgrund inhärenter Widersprüche zusammenbrechen wird. Danach könnte man also durchaus "containment" betreiben und müsste nur abwarten, bis das richtige System sich durchsetzt.

Bush behält seine Ideologie allerdings bei, dass die Entstehung des Terrorismus nichts mit der Politik der USA oder anderen Staaten in Vergangenheit und Gegenwart zu tun habe. Das Aufkommen des Terrorismus bleibt ebenso grundlos, wie die USA unschuldig ist und sowieso nur das Gute vertritt. Daher kann man auch gar nichts verändern oder irgendwelche Ursachen beheben, es bleibt einzig der Kampf bis zum "völligen Sieg" gegen die, die auch nur auf Gewalt setzen

No act of ours invited the rage of the killers -- and no concession, bribe, or act of appeasement would change or limit their plans for murder.

Wie schon im Kalten Krieg werden die Guten und die Bösen mit ihren Helfern und Mitläufern säuberlich betrennt und unvereinbare Gegensätze aufgebaut. Dabei geht es nicht um die USA oder auch westliche Werte, sondern um den Endkampf gegen die "Feinde der Menschheit" und einen Kampf, zu dem man durch den "Ruf der Geschichte", die dann wohl einen Endzweck hat, verpflichtet ist. Natürlich zählt Bush die angeblichen Erfolge des Kriegs gegen den Terrorismus auf, hält aber gleichzeitig trotz der Erfolge die Gefahr, die von ihm ausgeht, aufrecht. Und er droht nicht nur Gruppen, sondern auch Staaten – namentlich Syrien und Iran -, die Terroristen unterstützen, mit Gewalt. Man unterscheide nicht zwischen Terroristen und ihren Unterstützern:

Any government that chooses to be an ally of terror has also chosen to be an enemy of civilization. And the civilized world must hold those regimes to account.

Letztlich also will Bush an der nach dem 11.9. eingeschlagenen Politik und dem dahinter stehenden Weltbild trotz mancher kleiner Verschiebung unbeirrt festhalten. Zweifel wird selbstverständlich keiner laut, aber auch nicht der leiseste Ansatz einer Selbstkritik oder einer Korrektur. Das kann wohl auch nicht sein, wenn man dem "Ruf der Geschichte" folgt Weltgeschichte schreiben will, indem man deren Endzweck verfolgt. Der aber ist mitsamt der immerfort beschworenen Freiheit und der selbstlosen Opferung im Dienste der Freiheit doch eine Art Missionierung, schließlich ist die Freiheit eben ein Geschenk Gottes an alle Menschen. Und sie wird von der geschichtlich beauftragten Nation nun allen Menschen gebracht.