Palästinensische Krise

Palästinenser wollen neue Regierung bis zum nächsten Wochenende

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Die palästinensische Krise ist augenscheinlich. Die Verhandlungen mit Israel kommen nicht in die Gänge. Politische Entführungen häufen sich. Und der Machtkampf zwischen der Regierungspartei Fatah und der islamistischen Opposition wird mit allen Mitteln ausgetragen. Das palästinensische Parlament (PLC) gab dem Kabinett von Ministerpräsident Ahmad Kureia deshalb eine Gnadenfrist. Wenn innerhalb von zwei Wochen keine neue Regierung geformt wird, will das Parlament der jetzigen ihr Vertrauen entziehen. Das Kabinett habe nichts getan, um das anhaltende Sicherheits-Chaos zu beenden, hieß es, und müsse abgelöst werden.

„Das Parlament fordert die Bildung einer neuen Regierung“, so Präsident Abbas am Samstag gegenüber Journalisten, „und wir führen jetzt Gespräche mit den verantwortlichen Stellen und Personen, bis wir den Forderungen des Parlaments entsprechen.“ Dabei hat das Ende Februar eingesetzte Kabinett schon länger durchgehalten als viele erwarteten. Viele neue Minister wurden wegen ihrer Fähigkeiten und ihres Fachwissens ernannt und erhielten ihre Ämter nicht nur aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Fatah-Bewegung. Palästinenser kritisieren die Parlamentsmitglieder aber vor demselben Hintergrund. Die Abgeordneten sind seit Januar 1996 im Amt und die meisten haben sich seither wenig profiliert und die Politik der Autonomiebehörde oft mitgetragen. Viele haben ihre Ämter zur Förderung von Familienmitgliedern und zur Selbstbereicherung genutzt. „Sie wissen, dass ihre Zeit bald abgelaufen ist“, so ein ranghohes Mitglied der Autonomiebehörde gegenüber Telepolis. „Viele begreifen ihr Mandat als Amt auf Lebenszeit. Und jetzt haben sie diese Debatte angestoßen, um den Wählern zu zeigen, dass sie sich für das Wohl der Bevölkerung einsetzen.“

Falls bis zum nächsten Wochenende keine neue Regierung gebildet wird, will das Parlament Abbas jedenfalls zur Formung eines verkleinerten Notstandskabinetts befähigen, das die Geschäfte bis zu den Parlamentswahlen am 25. Januar weiterführen soll. Die Diskussionen in den Lokalmedien gehen von dieser Lösung aus. So will sich der derzeitige Premier offenbar mit seiner Unbeliebtheit abfinden und sich auf die Parlamentswahlen konzentrieren. Hier könnte er mit Hilfe der Stimmen seiner riesigen Verwandtschaft auf einen Sitz hoffen.

Unterdessen ist eines klar. „Innenminister Naser Jusef sollte einer neuen Regierung aber nicht mehr angehören“, spezifizierte der Abgeordnete Abdel Karim Abu Sallah. Jusef ist im Februar angetreten mit dem Auftrag, die konkurrierenden Polizeidienste zu vereinigen und damit die interne Sicherheit zu erhöhen. In der Woche seit dem Ultimatum kam es deshalb zu mehreren Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Militanten der Hamas-Bewegung. Zudem gingen die Beamten in Yatta im Süden des Westjordanlands gegen Kriminelle vor. 30 Verdächtige wurden verhaftet.

Aber Naser und vor allem der schwieriger anzugreifende Ministerpräsident Kureia haben vor allem mit Unordnung in den eigenen Reihen zu kämpfen. Die internen Auseinandersetzungen forderten bereits Menschenleben. Und letzte Woche wurden drei Führungsmitglieder der Hamas im Westjordanland kurzzeitig entführt, nach Aussage derselben von Fatah-Leuten. „Das ist unsere erste Reaktion auf das Verhalten von Hamas und ihre Nichtbeachtung der palästinensischen Gesetze“, so ein Schreiben der bisher unbekannten Omar bin al-Khattab-Gruppe. Die Autonomiebehörde lehnte die Verantwortung für die Entführung ab.

Die palästinensische Regierungskrise ist als hilfloser Wahlkampfauftakt für den 25. Januar zu werten. Nachdem sich die Hamas-Bewegung zur Mitarbeit entschlossen hat, gerät die Fatah-Bewegung jetzt ins Schwitzen. Beobachter rechnen damit, dass sich die Fraktionsstärken von Hamas und Fatah gleichen. „Hamas denkt jetzt sogar über eine Anerkennung Israels nach“, erklärt ein Fatah-Mitglied. „Wenn das passiert, wo sind dann die Unterschiede zu uns?“

Die Fatah begreift sich noch als Bewegung für alle Palästinenser. Ihr Programm ist oberflächlich. Nun wollen viele aus dem Sammelsurium der Ideen eine Partei mit festem Programm und geordneter Mitgliederstruktur formen. Zudem will die junge Generation mitreden, gegen den Widerstand der einflussreichen Fatah-Kader wie dem Kreis um Ministerpräsident Kureia. Hamas hat zudem in den diesjährigen Kommunalwahlen gepunktet und kann bereits in Gemeinden Entwicklungserfolge vorweisen, wo die Fatah jahrzehntelang schlampte.