Nachwachsende Gliedmaßen

Ein britisches Forschungsprojekt untersucht, ob sich die Regenerationsfähigkeiten von Amphibien mit Hilfe der Gentechnik auch auf den Menschen übertragen lassen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Während man bei der Darpa versucht, möglichst schnell Soldaten, denen Hände oder Beine amputiert werden mussten, perfekte künstliche Gliedmaßen zur Verfügung zu stellen (Neuroprothesen ziehen in die Gehirne der Menschen ein), will man in Großbritannien einen anderen Weg gehen. Hier fördert die Healing Foundation mit 15 Millionen Euro ein Forschungsprojekt an der University of Manchester, um amputierte Gliedmaßen durch gentechnologische Eingriffe wieder nachwachsen zu lassen.

Bei Amphibien wie Fröschen oder Salamandern wachsen nach schweren Verletzungen im frühen Alter noch ganze Gliedmaßen und andere Körperteile wie Augen oder Teile des Herzens in relativ kurzer Zeit nach. Ausgewachsene Fröschen haben die Regenerationsmöglichkeit verloren, während sie bei Salamandern besonders eindrucksvoll ist, da sie Zeit ihres Lebens vorhanden sind. Im Unterschied etwa zu Eidechsen, die ihren Schwanz selbst abwerfen können, wächst etwa bei einem Axolotl nicht nur Bindegewebe nach, bei ihm wächst nach Abtrennung des Schwanzes ein vollständiger neuer mit Rückgrat, Nerven und Muskeln. Dabei müssen genetisch programmierte Mechanismen dafür sorgen, dass sich die nachwachsenden Zellen zu den unterschiedlichen Zelltypen umbauen und das Wachstum einstellen, wenn der Regenerierungsprozess abgeschlossen ist. Bei Salamandern wachsen an der Wunde zunächst ungeordnet ein Zellhaufen, den man Blastem nennt. Erst ab einer gewissen Größe differenzieren sich die Zellen aus und formen das verlorene Organ.

Mit der Entdeckung von so genannten adulten Stammzellen, die man auch in vielen Organen des Menschen gefunden hat, hofft man auch darauf, mit diesen ganze Organe regenerieren lassen zu können. Die Forscher unter der Leitung des Molekularembryologen Enrique Amaya, der nun zum ersten Professor für Geweberegeneration in Großbritannien wurde, haben bislang die für die Entwicklung verantwortlichen Genstrukturen bei normalen und transgenen Froschembryos untersucht, um die Wachstumsfaktoren zu erkennen. Im Zuge eines Forschungsprojekts am Sanger Institute des Wellcome Trust haben die Wissenschaftler bei Fröschen bereits unter den 10.000 sequenzierten Genen auch einige entdeckt, die am Wachstum beteiligt sind. Amphibien und Menschen haben einen Großteil der Gene gemeinsam.

Im Rahmen des neuen Forschungsprojekts sollen die gewonnenen Erkenntnisse auf Säugetiere übertragen werden. Dabei geht es nicht nur darum herauszufinden, ob sich tatsächlich durch ein irgendwann entwickeltes Medikament, das man in eine Wunde injiziert, eine Hand, ein Finger oder ein Fuß nachwachsen lässt. Interessant wäre auch schon die Heilung von Wunden ohne Narben, wie dies bei Fröschen und auch noch bei menschlichen Embryonen im Mutterleib geschieht.

Amaya hofft, in Säugetieren und schließlich bei Menschen die Gene herauszufinden, die während der Wundheilung bei Embryos unter sechs Monaten noch aktiv sind. "Wir wissen, dass wir alle diese Gene in uns haben", sagte Amaya auf einer Pressekonferenz zur Vorstellung des Projekts. "Das Potenzial der Wundheilung ohne Narbenbildung und der Regeneration von Gewweben ist bei uns allen vorhanden." Bei erwachsenen Salamandern könne man, so Amaya zum Ergebnis von Experimenten, so oft, wie man will, einen Fuß abschneiden. Der würde immer wieder vollständig nachwachsen.

Die Frage ist allerdings, ob die Regenerationsfähigkeit tatsächlich bei erwachsenen Menschen noch vorhanden ist und ob man, falls man die entsprechenden Wachstumsfaktoren erkennen kann, auch in der Lage sein wird, hier gentherapeutisch einzugreifen. Amaya gibt sich natürlich optimistisch und verspricht schnelle Erfolge: "Innerhalb einer Generation wird es möglich sein, neue Behandlungen für Menschen zu entwickeln, bei denen Gliedmaßen amputiert wurden, die schwere Verletzungen oder Traumata überlebt haben und bei denen nach Operationen, Krankheiten oder Geburtsschäden Narben zurück geblieben sind."