Deutsche Bildungsexporte in den Nahen Osten

Mit Hochschulkooperationen sollen Chancen für junge Menschen in Nahost geschaffen werden, die auch den Nährboden für den Extremismus abgraben könnten

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Als einer der Gründe für den Erfolg des Islamismus wird die latente Frustration der jüngeren Generation angesehen, die in Ihren Ländern im Zwiespalt zwischen geforderter Unterordnung und Übernahme tradierter Denk- und Wirtschaftsformen und der täglich durch die Medien vorgeführten Omnipotenz der globalisierten Weltwirtschaft heranwächst. Um Perspektiven jenseits dieses Dilemmas zu entwickeln, installiert ein Netzwerk deutscher Hochschulen in Kooperationen mit lokalen Akteuren Ausbildungsgänge nach dem deutschen Fachhochschulmodell mit einem besonders hohen Praxisanteil. Die Studierenden sollen befähigt werden, zukünftig in Ihren Ländern neue Industrien zu entwickeln und die einseitige Abhängigkeit vom Rohstoffexport zugunsten eigener weiterverarbeitender Produktionszweige zurückzufahren.

Vor zwei Jahren nahm die Deutsche Universität in Kairo ihren Betrieb auf, vor ein paar Tagen begann die deutsch-jordanische Fachhochschule in Amman mit dem Unterricht und auch in Syrien und Saudi-Arabien sind Hochschulen geplant. Deutscher Bildungsexport ist in der arabischen Welt gefragt. Ein Entwicklungsbericht der Vereinten Nationen konstatierte, sie laufe Gefahr, den Anschluss an den Rest der Welt bei der Bildung zu verlieren. Deutsche Hochschulkooperativen sind nicht nur aus fachlichen Gründen attraktiv, sondern auch weil sie in der Region nicht ideologisch vorbelastet sind, weder durch ihre Kolonialvergangenheit noch durch aktuelle Kriegseinsätze.

An den Erfolg der GUC soll die "German-Jordanian University" anknüpfen. Jordanien beherbergt schon heute viele deutsche Einrichtungen, denn das Königreich gilt als einzig stabiles Land inmitten einer Region, die von Krieg und Unruhen gezeichnet ist. Der Standort Jordanien soll Studierende aus der ganzen Region anziehen. Mehr als die Hälfte aller Studierenden der neuen staatlichen Hochschule werden aus Palästina und Syrien, dem Irak und den Golfstaaten kommen.

Die neue Fachhochschule in Jordaniens Hauptstadt Amman soll die Kluft zwischen Theorie und Praxis, die in der nahöstlichen Gesellschaft Jordaniens besteht, überwinden helfen. Mittels industrie- und arbeitsmarktorientierter Studiengänge. Und mittels zahlreicher Praktika, die die Studierenden in Unternehmen und in Fabriken absolvieren müssen. Mitinitiator Professor Ronald Mönch spricht von einem Novum für eine Gesellschaft, in der es Akademikern nicht ansteht "mit anzufassen", vielmehr gilt als bisheriges Ausbildungsziel der bequeme Posten irgendwo im staatlichen Dienst:

Ich denke, ein Großteil der Probleme der orientalischen Gesellschaften liegt darin, dass die jungen Leute die Normen der Älteren problemlos übernehmen. Sie sind eigentlich junge Alte. Und wir wollen die jungen Leute zu jungen Jungen machen. Wir wollen ihnen zeigen, diese Gegend hat eine Zukunft. Und diese Zukunft kann heute nur noch in einem Mix aus Normen quer durch die Welt bestehen. Da muss man seinen eigenen Weg finden, sein eigenes Normensystem entwickeln und wir wollen sie eigentlich mit diesem großen Input aus Europa zu einem eigenem Denken, zu einer Eigenständigkeit bringen.

Ronald Mönch
Vertane Chancen - Erdöleinnahmen wurden nicht in Bildungschancen umgesetzt. Grafik: www.asien.s-cool.org/

Die Bildungsinitiative soll beiden Seiten langfristig Vorteile im Bereich des wirtschaftlichen Austauschs über die Absolventen als zukünftige Entscheider in Jordanien und anderen, größeren Gesellschaften wie Syrien, Irak und den Golfstaaten bringen. Entwicklungsperspektiven werden hoffentlich auch zu einer politischen Stabilisierung der Länder des Nahen Ostens beitragen. Bisher haben die Länder der Region - einige trotz hoher Erdöleinnahmen - große strukturelle Defizite. Obwohl weltweit größter Erdölexporteur weist Saudi-Arabien eine offizielle Arbeitslosenquote von 25 Prozent und eine Analphabetenrate von 21 Prozent auf. Die ärmeren Länder wie Jordanien und Ägypten stehen besser da mit Arbeitslosenquoten unter 10%.

Die Länder des nahen Ostens müssen sich sputen eine eigene tragfähige Wirtschaft unabhängig vom reinen Rohstoffexport aufzubauen, denn die Einnahmen aus dem Erdölgeschäft werden voraussichtlich nur noch zwei Dekaden auf heutigem Niveau laufen. Von den meisten Experten wird mit einem Fördermaximum zwischen 2010 und 2020 gerechnet.

Bisher gelingt es vielen arabischen Ländern aufgrund ihrer strukturellen Entwicklungshemmnisse nur zum Teil, Einnahmen aus dem Exportgeschäft in allgemeine Wohlfahrt zu überführen. Vielmehr ist auffällig, dass insbesondere die mit reichen Erdölvorkommen ausgestatteten Länder der Region bei Defiziten wie Analphabetismus und Arbeitslosigkeit Spitzenpositionen einnehmen. Die Einsicht, dass Modernisierung Chancen bietet und sehr wohl mit traditionellen orientalischen Werten, wie Gemeinschaftssinn und Familie, zusammengeht kann den jungen Leuten im Nahen Osten Zukunftsperspektiven eröffnen und extremistischen Strömungen den Nährboden entziehen.