Mehr Staub als Schnee

Erste Auswertungen des Einschlags der Sonde Deep Impact in Tempel 1 liefern Erkenntnisse über die Beschaffenheit von Kometen

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Früher galten Kometen als Vorboten kommender Katastrophen. Diesen schlechten Ruf haben sie längst verloren, aber immer noch ist vieles an den Schweifsternen rätselhaft. Aktuelle Missionen zeigen jetzt, dass viele Annahmen revidiert werden müssen. Die neueste wissenschaftliche Erkenntnis räumt mit der Vorstellung auf, Kometen seien so etwas wie schmutzige Schneebälle. Tatsächlich sind sie eher eisige Staubbälle.

Die Aufregung war groß, als im Juli diesen Jahres ein mehr als 350 Kilo schweres Kupfer-Projektil der Sonde Deep Impact in den Kometen Tempel 1 einschlug ("Dieses Foto muss auf alle ersten Zeitungsseiten!"). Alles verlief nach Plan und die Wissenschaftler waren begeistert. Der Einschlag erzeugte einen Lichtblitz und eine riesige Trümmerwolke, die sich in den Himmel erhob und sich dann um das kartoffelförmigen Brocken legte.

Komet Tempel 1 im sichtbaren Licht und Infrarot. Die verwendeten Daten für die Illustration stammen vom Hubble-Weltraumteleskop und dem Spitzer Space Telescope, Bild: NASA/JPL-Caltech

Kometen sind Boten aus der Entstehungszeit unseres Sonnensystems und sie bestehen aus Gesteinsbrocken, Geröll und Eis. Wenn sie sich auf ihren lang gezogenen Umlaufbahnen der Sonne nähern, tauen sie an und beginnen, den Wasserdampf und darin enthaltenen Staub als feurigen Schweif hinter sich her zu ziehen (Kometen mit Gefrierbrand).

Der Komet Tempel 1 wurde bereits 1867 vom Autodidakten Ernst Wilhelm Leberecht Tempel entdeckt, der einer der bedeutendsten Astronomen seiner Zeit in Deutschland wwar. Der kleine Schweifstern hat eine Länge von 14 Kilometern und einen Kern von ungefähr 6 Kilometern Durchmesser. Er umläuft zwischen Mars und Jupiter in nur 5,5 Jahren einmal die Sonne, dadurch wurde er zum beliebten astronomischen Beobachtungsobjekt.

Analyse der Staubwolke

Die Astronomen werten seit dem Einschlag die vielen Bilder aus, die unter anderem aus dem Projektil und der Muttersonde geschossenen wurden. Das bei dem Aufprall in den Weltraum geschleuderte Kometenmaterial wird analysiert, um mehr über die Zusammensetzung und Dichte von Tempel 1 zu erfahren. Inzwischen liegen schon einige Erkenntnisse vor.

Sekunden nach der kontrollierten Kollision des Impactor mit Tempel 1. Bild: NASA/JPL-Caltech/UMD

Der Komet ist so etwas wie eine riesige Schneewehe, sehr locker und flockig. Er besteht hauptsächlich aus pudrigen Partikeln und innerer Leere. Zusammengehalten wird er durch Gravitation, die allerdings so schwach ist, dass ein Mensch sich mit einem einfachen Sprung von seiner Oberfläche in den Weltraum katapultieren könnte. Das ist der Grund, warum so viel Material ins All geschleudert wurde, als der Impactor mit einer Geschwindigkeit von 10 Kilometer pro Sekunde auf ihn prallte. Der Kometenkern ist offensichtlich extrem porös und besteht aus verschiedenen, noch nicht genau definierten Schichten. Die Analyse der ins All geschleuderten Partikel zeigte, dass viel organisches Material enthalten war. Andere Forscher untersuchten anhand der Deep Impact-Daten, aus welchen Zutaten eine Suppe gekocht werden muss, um einen Kometen zu ernähren, sprich zu formen.

Blick ins Innere

In den aktuellen Ausgaben der Wissenschaftsmagazine Nature und Science veröffentlichen jetzt europäische Wissenschaftlerteams rund um Michael Küppers vom Max-Planck Institut für Sonnensystemforschung in Lindau ihre Einblicke ins Innere von Tempel 1. Mithilfe des OSIRIS-(Optical, Spectroscopic, and Infrared Remote Imaging System) Kamerasystems an Bord der Raumsonde Rosetta gelang ihnen die ausführliche Beobachtung.

Die Kameras filmten den Kometen von fünf Tagen vor dem Einschlag bis zehn Tage nach dem Einschlag von einem Logenplatz aus, denn Rosetta parkte nur 79 Millionen Kilometer entfernt und spähte mit ihren künstlichen Augen rund um die Uhr. Dieser andauernde Blick ermöglichte den Forschern nun einen direkten Vergleich des Schweifes vor und nach dem Ereignis. Das Sonnenlicht wird vom Staub reflektiert und OSIRIS beobachtete die Vorgänge sowohl mit einem Teleobjektiv, das eine Auflösung von 3000 Kilometern am Kometen hatte, als auch mit einem Weitwinkelobjektiv. Nach der Kollision mit dem Impactor bildete sich zunächst eine halbkreisförmige Wolke, später wurde der Staub durch den Strahlungsdruck von der Sonne weg beschleunigt.

Entwicklung des Kometenstaubs. Bilder des Kometen vor dem Einschlag wurden von den Bildern subtrahiert, so dass nur die beim Einschlag erzeugte Wolke sichtbar ist. Die projizierte Richtung zur Sonne ist nach oben, v zeigt die Bewegungsrichtung des Kometen an. Bild: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung und Laboratoire d'Astrophysique de Marseille

Der Anstieg der Helligkeit nach dem Einschlag dauerte ungefähr 40 Minuten. Es wird vermutet, dass ein Großteil des Materials aus dem Kometenkern als eishaltige Staubkörner (icy grains) aufstieg. Danach waren die einzelnen Körner dem Sonnenlicht ausgesetzt und zerbröselten. Mehr Staub hat eine größere Oberfläche und reflektiert so mehr Sonnenstrahlung, deshalb steigt die Helligkeit an. Eine Messung der Helligkeit lässt also Rückschlüsse auf die Masse der Staubpartikel zu. Die Wassermoleküle werden durch die ultraviolette Strahlung der Sonne zerlegt, größtenteils in OH + H. Die OH-Radikale fluoreszieren und konnten daher mit der Weitwinkelkamera von OSIRIS gemessen werden.

Aus all diesen Daten konnten das Team um Küppers die Menge an Wasser berechnen. 4.500 Tonnen Wasser stiegen demnach vom Kometen empor und das ist deutlich weniger als die geschätzte Gesamtmasse der Staubteilchen in der Wolke. Tempel 1 ist also eher ein eisiger Staubball als ein schmutzigen Schneeball – wie die Kometen seit den 50er Jahren gerne genannt werden.