Nacktmulle: Afrikas wilde Wichte

Aus dem Leben der freilaufenden bezahnten Schniedel

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Nacktmulle? Ja, genau, so sehen sie auch aus, wie eine Karikatur eines männlichen Körperteils mit Zähnen oder ein blinder Mausembryo. Im Kuriositätenkabinett werden sie gerne gehandelt. Doch außer ihres auffälligen und eher bemitleidenswerten Aussehens weiß man eher wenig über sie. Eine Arte-Dokumentation hat sich nun der Nacktmulle angenommen.

Das Tier scheidet durch sein hässliches Aussehen die Geister. Die einen verspotten die Nacktmulle, für die anderen sind sie schlicht Kult. Die fünf bis acht Zentimeter langen und um die 30 Gramm schweren Nacktmulle buddeln wie die Maulwürfe und ähneln fleischfarbenen Würstchen mit Schlabberhaut und Zähnen vorne dran. Tatsächlich scheint es, als hätte sich Mutter Natur mit den mausgroßen Wesen einen Scherz erlaubt.

Die mausgroßen Nacktmulle sind eine perfekte Anpassung an ihre Umgebung: Nahezu haarlos mit kräftigen Baggerzähnen und einer dehnbaren Schlabberhaut ausgestattet (Bild: ZDF)

Vieles aus dem Leben der afrikanischen Bodenbewohner ist weitgehend unbekannt. Sie leben nur im Boden Ostafrikas, sind verwandt mit den Stachelschweinen und weisen eine Vielzahl biologischer Besonderheiten auf: Die Nager tragen kein Fell, können im Gegensatz zu den meisten anderen Säugetieren ihre Körpertemperatur nicht regulieren, sind unempfindlich gegen Schmerz und werden über 20 Jahre alt.

Die deutsche Biologin Rosie Koch interessiert sich in Afrika nicht für Löwen, Tiger und Elefanten. Große Tiere lassen sie kalt. Stattdessen ist sie den Geheimnissen der Nacktmulle auf der Spur. Im kenianischen Meru-Nationalpark gräbt sie ganze Kolonien der Nager aus. Sie fängt, misst, wiegt und markiert Tausende der bissigen Tierchen. Der Film dokumentiert zum ersten Mal umfassend das verborgene Leben der außergewöhnlichen Erdwichte und Rosie Kochs Leidenschaft für eine Spezies, die von manchen nur mit Kopfschütteln bedacht wird.

Das auffälligste Merkmal der Nacktmulle ist übrigens ihre Sozialstruktur: Alle rund 100 Tiere einer Kolonie werden wie in einem Insektenstaat von einer tyrannischen Königin regiert. Arbeiter, Haushälter und Soldaten bilden eine Art Superorganismus, der weitgehend isoliert in Inzucht lebt.

Nein, keine Maden! Egal ob Haushälter, Soldat, Arbeiter oder Königin: Nacktmulle suchen stets die Nähe und Geborgenheit ihrer Kolonie-Gefährten. (Bild: ZDF)

Bei den Afrikanern sind die Nacktmulle unbeliebt, denn ihr Appetit auf Wurzeln und Knollen von Ackerpflanzen zerstört jedes Jahr einen Teil der Ernte. Die Farmer wehren sich mit Hacken, Wasser und Feuer. Außer vor Menschen müssen sich die Tiere vor allem vor Sandschlangen fürchten. Und leben sie wirklich nur unter der Erde oder kommen sie in der Nacht auch an die Oberfläche?

Nacktmulle: Afrikas wilde Wichte, Dokumentation, Regie: Herbert Ostwald, ZDF, Deutschland 2005, 43 Minuten.
Erstausstrahlung Arte TV, Donnerstag, den 20. Oktober 2005, 19.00 Uhr, Wiederholung: Donnerstag, den 27. Oktober 2005 um 14.00 Uhr