"Pack den Blechroboter in den Tank"

Metallpulver - Treibstoff der Zukunft?

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Benzin könnte in der Zukunft zu knapp und teuer werden, um es in Autos zu verbrennen. Wasserstoff ist wiederum schwer zu transportieren. Nanometalle sollen eine mögliche Alternative darstellen.

Metalle oxidieren sehr gut, wie jeder weiß, der einen alten Wagen fährt, der ihm unter dem Hintern wegrostet. Leichtmetalle wie Aluminium oder Magnesium oxidieren noch viel schneller als Eisen, wenn ihre Oberfläche und die angewandte Temperatur groß genug ist – ob Großopas Blitzlicht aus Magnesiumspulver oder die Rohrbombe aus Aluminiumpulver und Kaliumpermanganat: die Reaktion ist ziemlich heftig. Auch Feuerwerksraketen enthalten Metallpulver, die zu den leuchtenden Farben am Himmel führen

Dass Laptops mit Magnesiumgehäuse oder Fahrräder mit Aluminiumchassis sich nicht mit einem Blitz und Knall auflösen, wenn eine brennende Zigarette auf sie fällt, liegt lediglich daran, dass sich ihre Oberfläche sofort bei Kontakt mit der normalen Luft mit einer Oxidschicht überzieht und eine weitere chemische Reaktion stoppt. Die große Fläche und die gute Wärmeleitfähigkeit der Leichtmetalle verhindert außerdem, dass die für eine Entzündung notwendigen Temperaturen um die 2000°C erreicht werden, bei der die Oxidschicht verdampft und das blanke Metall zugänglich wird. Bei Eisen stoppt die Oxidation bei Anwesenheit von Wasser und Säure dagegen nicht, weshalb sich der Rost immer weiter ins Metall frisst.

Eine Feuerwerksrakete mit Aluminiumpulver abzuschießen, ist trotz Explosionsgefahr trivial: die hohen Verbrennungstemperaturen sind kein Problem, da die Rakete nur kurze Zeit brennen muss und nicht wieder verwendet wird. Auch das zurückbleibende Metalloxid, die Asche, ist hier kein Problem. Einen normalen Automotor mit Metallpulver zu betreiben, klingt dagegen ziemlich absurd: es dürfte bei unzureichender Verbrennung in Sekundenbruchteilen die Motorenwände abschleifen und den Motor unbrauchbar machen.

Motoren mit Knalleffekt?

Andererseits sind Motoren schon mit ganz anderen Dingen betrieben worden, von Gas oder Kohlenstaub bis zu Schießpulver oder Nitroglycerin. Und zumindest Gasturbinen oder Stirlingmotoren sollten sich mit fast jedem Brennmaterial betreiben lassen, ohne darunter zu leiden. Doch immer noch sind die Zünd- und Brenntemperaturen unangenehm hoch und können den Motor zum Schmelzen bringen.

Mit Nanotechnologie, also noch deutlich feiner gemahlen Metallen, soll es einfacher werden, den Metallstaub zu entzünden, wie der New Scientist in seiner aktuellen Ausgabe berichtet: hier reichen nun 250°C oder schon ein Funke, um die Reaktion einzuleiten. Diese allerdings ist immer noch sehr heftig – sie läuft in etwa einer Millisekunde ab – und auch wenn die normalen Automotoren als Explosionsmotoren bezeichnet werden, würden sie mit einem derartigen Treibstoff nicht fertig. Werden jedoch Metallpartikeln in verschiedenen Größen gemischt beziehungsweise die Nanopartikel zu größeren Clustern gepresst, läuft die Verbrennung etwas sanfter ab.

Solomon D. Labinov, heute Forscher im amerikanischen Oak Ridge National Laboratory, versuchte schon in den frühen 80er-Jahren, damals in Kiew in der Ukraine als Direktor eines Forschungsinstituts mikrometergroße Eisenpartikel als Treibstoff in einem Verbrennungsmotor zu verwenden, doch die Metallasche verstopfte Ventile, Zylinder und Zuführungen. Heute experimentiert er mit 50 nm großen Eisenpartikeln. Statt 2000°C verläuft die Verbrennung nunmehr bei nur 800°C, welche den Motor nicht mehr zum Schmelzen bringt. Wird das entstehende Eisenoxid bei 425°C in Wasserstoff erhitzt, so entstehen wieder Nano-Eisenpartikel daraus – der Treibstoff lässt sich also recyceln, ohne dass deswegen der Wasserstoff selber im Auto mitgeführt werden muss. Pro Volumen hat Eisen die doppelte Energie wie Benzin, Bor gar die fünffache.

Nanopartikel zünden leichter

Um zu verhindern, dass das verbrannte Eisenpulver durch den Auspuff entschwindet, sollen Magnete verwendet werden: Im Gegensatz zum normalen Rost, der nicht magnetisch ist, ist das Eisenoxid aus der Verbrennung durchaus magnetisch – so wie jenes in Tonbändern und Kassetten. Es käme dann wie beim Toner im Laserdrucker oder Fotokopierer wieder in einen Tank, der an der Tankstelle gegen einen frischen Tank mit Eisenpulver ausgetauscht würde. Emissionen von Kohlendioxid, Stickstoffoxid oder anderen gefährlichen Substanzen sollen unterbleiben, falls die Brenntemperatur bis 525°C gesenkt werden kann.

Ein 33-Liter-Tank voll Eisenpulver sollte genau so weit reichen wie 50 Liter Benzin oder Diesel. Ein Problem ist allerdings das Gewicht: 33 Liter Eisen sind natürlich erheblich schwerer als 50 Liter Benzin – mit etwa 100 kg ist zu rechnen, also doppelt soviel wie bei Benzin oder Diesel. Außerdem wird der Wagen auch mit leerem Tank natürlich nicht leichter, da nun das Eisenoxid eingelagert werden muss. Mit Aluminium- oder Borpulver fallen allerdings nur noch 1/4 oder 1/6 des Gewichts an, auch wenn die Erstausrüstung mit Metallpulver hier zunächst einmal teurer ist.

David Keith, ein Physiker an der Universität von Calgary in Kanada, glaubt deshalb, dass Wasserstoff als Treibstoff doch geschickter ist: pro Gewichtseinheit kann er zwölfmal soviel Energie liefern wie Eisen. Doch muss er bislang in Gastanks oder Metallschäumen gespeichert werden, was dann den Gewichtsvorteil zunichte macht. Außerdem ist Wasserstoff in der Lagerung wesentlich gefährlicher als das Metallpulver. Und einige Wissenschaftler befürchten sogar, dass der vermeintlich ungefährliche bei Wasserstoffautos durch den Auspuff entschwindende Wasserdampf die globale Erwärmung beschleunigen könnte. Beim Recyceln des Metalloxids entsteht zwar ebenfalls Wasserdampf, doch kann dieser leichter eingefangen und verflüssigt oder gar wieder in Wasserstoff und Sauerstoff getrennt werden. Ebenso wäre eine Reduktion mit Kohlenmonoxid möglich, was dann allerdings wieder zu Kohlendioxid führt, das man ja gerade vermeiden wollte. Eine primäre Energiequelle ist das Metallpulver halt nicht.

Das ganze ist noch Zukunftsmusik, und ob die Metallpulvertechnologie jemals eine Alternative zu heutigen Treibstoffen sein wird, ist fraglich. Aber vielleicht kann man eines Tages sein altes Auto an der Tankstelle abliefern, wo es dann pulverisiert wird und das neue Auto antreiben kann…