Selbstmörderische Regierungspolitik und Intrigen in Washington

Die Kritik an der Außenpolitik der Bush-Regierung nimmt zu, nun haben sich auch Wilkerson, ehemaliger Stabschef im Außenministerium unter Powell, sowie der ehemalige Sicherheitsberater Brzezinski lautstark eingeschaltet

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Zwei Schwergewichte in der amerikanischen Politik üben derzeit beißende Kritik an der Außenpolitik des US-Präsidenten. Sie bescheinigen ihm eine katastrophale und selbstmörderische Ausübung seines Amtes und werfen Bush vor, zugelassen zu haben, dass eine Clique die Außenpolitik kapern konnte. Sie erhöhen damit öffentlich den Handlungsdruck auf den US-Präsidenten, der seine zweite Amtszeit in der Defensive verbringt. Wirklich neu ist ihre Formulierung der Kritik allerdings nicht.

Die öffentliche Zustimmung ist so niedrig wie noch nie zuvor bei einem Präsidenten in der zweiten Amtsperiode. Das irakische Verfassungsreferendum hat dem Irakkrieg nicht die erhoffte Wendung gebracht. Innenpolitisch ist Bushs Führung ebenfalls schwer ramponiert. Seit seinem Versagen beim Katastrophenmanagement während des Hurricanes in New Orleans, bekommt er Kritik aus dem konservativen Lager. Deren Senatoren und Abgeordneten fürchten um ihre Wiederwahl im nächsten Jahr.

Der Vorschlag des Präsidenten, seine Vertraute Harriet Miers, die über keinerlei Erfahrung als Richterin verfügt, auf Lebenszeit in das oberste Bundesgericht zu berufen, rief selbst im neokonservativen Lager heftige Ablehnung hervor.

Karl Rove, der Politstratege der Republikaner im Weißen Haus1 und Lewis „Scooter“ Libby, der Stabschef in Cheneys Büro, stehen seit dieser Woche unter dem Verdacht, den Namen einer Geheimagentin Preis gegeben zu haben.2 In Kürze erwartet man die strafrechtliche Anklage (The White House Iraq Group and the Case for War in Iraq.

Nun haben sich zwei weitere Kritiker zu Wort gemeldet. Zibigniew Brzezinski, der ehemalige Sicherheitsberater, Elder Statesman und Kritiker des Irakkriegs, bringt in einer äußerst scharfen Form das Urteil über die Staatskunst des US-Präsidenten auf den Punkt:

Suicidal statecraft. Sadly for President George W. Bush's place in history but - much more important - ominously for America's future, it has lately seemed as if that adroit phrase might be applicable to the policies pursued by the United States since the cataclysm of 9/11.

Zibigniew Brzezinski in der International Herald Tribune

Bushs selbstmörderische Politik habe Amerikas „globale Position gefährlich unterhöhlt, weil er ernste Herausforderungen, die aber handhabbar und lokal begrenzt waren, in ein internationales Debakel transformiert hat“.

Brzezinski fährt mit einer Auflistung sämtlicher Brandherde fort, die Bushs Außenpolitik angefacht hat. Sie hat das außenpolitische Bild der USA in der Welt, sei es im Nahen Osten oder unter den Alliierten, ernsthaft beschädigt. Erst kürzlich schickte Bush seine eigens dazu ins Außenministerium berufene Vertraute Karen Hughes auf PR-Mission in den Nahen Osten, um das schlechte Image in der Region auf zu polieren. So simpel der Slogan des US-Präsidenten ist, „wir bekämpfen die Terroristen im Ausland, so dass wir sie nicht zu Hause bekämpfen müssen“, so kontraproduktiv stellt sich der „Krieg gegen den Terror“ dar.

Das Ergebnis dieser demagogischen Politik, so wirft Brzezinski ihm vor, ist, dass die Opfer nun in Madrid, London oder Bali zu finden sind. Ebenso hat die überflüssige Irakinvasion nichts dazu beigetragen, um die Gefahr der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen zu reduzieren. Im Gegenteil: Nordkorea und besonders der Iran sind die eigentlichen Gewinner des Krieges. Und im Hintergrund wartet China nur darauf, dass sich die USA selbst besiegen. Dass Bush nun "Hals über Kopf vor dem Irakkrieg davon rennt, nach dem er in ein Wespennest gestochen hat, ist ein Beispiel für eine katastrophale Amtsführung“, die seines Gleichen suche.

Ähnlich sieht dies Lawrence Wilkerson, der ehemalige Stabschef im Außenministerium unter Colin Powell. Er geht zum ersten Mal mit der Schilderung an die Öffentlichkeit, wie durch eine "Intrige zwischen Vizepräsident Cheney und Verteidigungsminister Rumsfeld in wichtigen Fragen Entscheidungen getroffen wurden, von denen die restlichen Ministerien nicht wussten, dass sie gemacht wurden.“ Er bezeichnete die jetzige Außenministerin Rice als Teil des Problems und Bush als jemanden, der "in der Außenpolitik unerfahren und daran auch gar nicht interessiert ist".

Vor einer Konferenz der New America Foundation in Washington bekannte der ehemalige Oberst, dass „nun Amerika die Kosten dieser im Geheimen getroffenen Entscheidungen bezahlen muss“.

Wilkerson und Brzezinski fügen sich in die Reihe hochrangiger Kritikern ein, die schon vor einiger Zeit mit der Schilderung des präsidialen Entscheidungsprozess an die Öffentlichkeit gegangen sind, wie z.B. der Chef der Terrorismusabwehr Richard Clarke oder der gefeuerte Finanzminister Paul O'Neill. 3

Die Kritikpunkte sind nicht neu und die Lösungsvorschläge dürftig. Brzezinski fordert zur Einleitung des Rückzugs aus dem Irak einen parteiübergreifenden Konsens, um dann in der Lage zu sein, sich dringenderen Problemen, wie dem Iran, widmen zu können, den israelisch-palestinänsischen Friedensprozess in Gang zu setzen und Amerikas Führungsposition in der Welt wieder her zu stellen.

Woher der parteiübergreifende Konsens aber kommen soll, dafür bleibt er eine Erklärung schuldig. Nicht einmal die Demokraten sind fähig, aus der Defensive des Präsidenten Kapital zu schlagen und konzertiert und geschlossen aufzubegehren. Ihre Ideen für einen sicherheitspolitischen Kurs sind überdies nicht originell (A Democratic National Security Strategy for the 21st Century. Sie lesen sich nicht wie ein alternatives Programm zu Bush, sondern wie eine verbesserte Auflage desselben.

So sieht auch Wilkerson eher schwarz und wirft dem US-Kongress vor, in seiner Kontrollfunktion völlig versagt zu haben.

Die Kritik von Brzezinski und Wilkerson ist besser als ein Zeichen dafür zu sehen, dass sich auch vier Jahre nach den Terroranschlägen das politische System der USA noch immer nicht erholt hat.

Die Kritik und die negativen Meinungsumfragen werden Bush nicht dazu bewegen, seinen Politikstil zu ändern. Für große Kurskorrekturen ist es mittlerweile schon zu spät. Die zweite Amtszeit des Präsidenten ist - politisch gesehen – schon abgelaufen.

Olivier Minkwitz ist Experte für US-amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik und ist zurzeit Visiting Fellow des Carnegie Endowment for International Peace in Washington DC.