Wenn die Nächte nicht enden wollen…

Tipps gegen Schlafstörungen

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Schlafen ist gesund, schlafen ist lebenswichtig. Ungefähr ein Drittel seines Lebens verschläft der Mensch. Allein in Deutschland leiden jede Nacht Millionen Ermüdete unter Schlafstörungen, sie können nur schwer einschlafen, bewegen sich unruhig, während sie träumen, schnarchen oder haben Atemaussetzer. Andere leiden tagsüber unter Einschlafattacken, unkontrolliert überfällt sie ein Nickerchen im Büro oder am Steuer ihres Autos.

Was Schlaf genau darstellt, darüber wird bis heute heftig diskutiert. Es gibt keine allgemein akzeptierte Definition, nur die Minimalaussage, dass es sich beim Schlaf um den Zustand einer geänderten Bewusstseinslage, also nicht um einen Wachzustand handelt.

Einigkeit besteht dagegen darüber, dass der Schlaf eine wichtige Voraussetzung für das persönliche Wohlbefinden ist. Wer schlecht schläft, kann sich nicht regenerieren, und leidet bald unter verringerter Leistungsfähigkeit, physischen und psychischen Beeinträchtigungen. Schlafforschung und Schlafmedizin haben in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Die Wissenschaftler verstehen immer besser, was mit den Menschen passiert, die in Morpheus Arme sinken.

Großer schlafender Satyr („Barberinischer Faun“), Marmor (um 220 v. Chr.), Glyptothek München

Das Wissenschaftsjournal Nature präsentiert diese Woche ein Special zum Forschungsstand der Schlafforschung. Gleichzeitig erscheint ein neues Themenheft des Robert Koch-Instituts im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung des Bundes zum Thema Schlafstörungen

Schlaf Kindlein schlaf

Babys verschlafen im Durchschnitt 16 von 24 Stunden, Erwachsene etwas über sieben Stunden. In unserer hektischen Zeit halten immer noch viele das Schlafen für verlorene Zeit, der erfolgreiche Manager brüstet sich schon gern mal damit, mit nur vier Stunden Schlummer auszukommen und zitiert den Dichter Novalis: „Je weniger Schlaf man braucht - desto vollkommener ist man.“ Experten gehen dagegen davon aus, dass man sechs Stunden pro Nacht schlafen sollte, der echte Wohlfühlschlaf dauert neun, bei manchen sogar 10 Stunden.

Psychologen beklagen schon lange, dass wir eine unausgeschlafene Gesellschaft seien (Wir schlafen zu wenig). Schlafmangel bringt nachweislich den Stoffwechsel aus dem Gleichgewicht (Zuwenig Schlaf macht alt und krank), wer allerdings zu lange schläft, lebt ebenfalls ungesund und stirbt früher (Schlafen gefährdet die Gesundheit).

Schlaf wird durch das Gehirn gesteuert, das dabei eine Vielzahl von Substanzen ausschüttet und einen komplexen neurophysiologischen Vorgang verursacht. Eine wichtige Rolle spielt dabei die innere Uhr, die Chronobiologie (Im Takt). Der Schlafrhythmus verändert sich im Lauf des Lebens. Wer gerne spät zu Bett geht und morgens nicht aus den Federn kriechen mag, wird als „Eule“ bezeichnet, der Frühzubettgeher, der mit den Hühnern wieder, aufsteht als „Lerche“. Diese verschiedenen Chronotypen kristallisieren sich im Erwachsenenalter heraus. Kinder sind im allgemeinen Lerchen, als Jugendliche dann Eulen (Der frühe Vogel fängt nicht immer den Wurm).

Wechsel der Schlafstadien während eines achtstündigen Nachtschlafs (Schlafprofil) bei einem gesunden Probanden (REM = rapid eye movement; NREM = non rapid eye movement) (Bild: Ruhr Uni Bochum)

In den 50er- und 60er-Jahren wurde entdeckt, dass es verschiedene Schlafphasen gibt. Nachdem wir eingeschlafen sind, durchlaufen wir innerhalb von ca. 90 Minuten immer wieder fünf Schlafstadien. Wenn wir träumen, befinden wir uns wahrscheinlich in der REM-Phase (REM = Rapid Eye Movement), bei der unsere Augen sich hinter den geschlossenen Lidern schnell bewegen. Außerdem gibt es vier so genannte Non-REM-Schlafphasen, mit zwei Tiefschlaf- und zwei Leichtschlafstadien. In einer Nacht durchschlafen wir normalerweise vier bis sechs dieser Schlafzyklen und wachen zwischendurch kurz auf, woran wir uns aber morgens nicht erinnern.

Die verschiedenen Schlafstadien können heute im Schlaflabor durch Messung der Gehirnströme (Elektroenzephalogramm, EEG), der Augenbewegungen (Elektrookulogramm, EOG) und Elektromyogramm, EMG) dargestellt werden.

Träum schön

Geträumt wird vor allem (aber nicht nur) in der REM-Phase. Warum wir träumen, wie wir träumen und die Bedeutung unserer Träume sind nach wie vor Themen, die Anlass zu heftigen akademischen Debatten liefern.

Unbestritten ist, dass im Schlaf das tagsüber Gelernte verfestigt wird. Wer einmal drüber schläft, erinnert sich besser, das Gedächtnis verbessert sich (Wie war das noch mal im Mittelteil?). Ausgeschlafen werden bessere Denkergebnisse erzielt, die Kreativität steigert sich (Ratzen wie Einstein).

Sigmund Freud stellte 1900 die heute noch sehr populäre Theorie der Traumdeutung auf, nach der unsere Träume Ausdruck unseres Unbewussten darstellen, in denen wir unsere Wünsche erfüllen. In der Psychologie entstanden in der Folge verschiedene Schule der Interpretation von Träumen (Schulen der Traumdeutung). Die Neurowissenschaft sieht im Träumen dagegen vor allem einen kognitiven Vorgang, wozu das Lernen im Schlaf gehört. Was uns belastet, verarbeiten wir wahrscheinlich im Schlaf und gleichzeitig organisieren wir den Speicherplatz in unserem Gehirn neu, Unwichtiges wird gelöscht, Neues ins Langzeitgedächtnis aufgenommen.

Schäflein zählen

Weltweit leidet etwa jeder Fünfte unter Schlafstörungen. In Deutschland sind es nach Umfragen sogar 25 Prozent, rund 10 Prozent der Bevölkerung gibt hierzulande an, häufig oder dauerhaft keinen erholsamen Schlaf zu finden.

Die Ursachen für gestörten Schlaf sind vielfältig und reichen von körperlichen oder psychischen Ursachen bis zu Umwelteinflüssen. Die Folgen von nicht erholsamen Schlaf sind gravierend: Im Wachzustand stellen sich Unwohlsein, Schläfrigkeit und Leistungsdefizite ein, auf Dauer wird der Betroffene krank.

Die Somnologie (Schlafmedizin) hat heute ein umfassendes Instrumentarium für Diagnose und Therapie an der Hand. In Deutschland gibt es 280 von der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) anerkannte Schlaflabore. Zusammen mit Experten hat die Schlafforschungs-Gesellschaft die Leitlinie "Nicht erholsamer Schlaf" erarbeitet.

Im Schlaflabor kann eine genaue Anamnese vorgenommen worden. Untersucht werden die Schlafstadien, die Atmung, der Herzschlag, die Sauerstoffsättigung des Blutes, Schnarchgeräusche und Bewegungen. Die meisten Betroffenen brauchen allerdings eine so aufwändige Abklärung gar nicht, allein durch gezielte Befragungen stellt sich bei ihnen meistens heraus, ob sie ihr Verhalten ändern müssen, um zu einem ihnen angemessenen Schlaf-Wach-Rhythmus und erholsamem Nachtschlaf zu kommen, oder ob sie schlafbeeinträchtigende Substanzen einnehmen. Ebenfalls durch einfache Untersuchungen lassen sich psychiatrische oder organische Erkrankungen als Ursache der Schlafstörung ausschließen.

Zurzeit wird gerade an einer Neufassung der internationalen Klassifikation der Schlafstörungen gearbeitet. Sechs Hauptkategorien rücken die Experten dabei in den Fokus:

  1. Insomnien, das sind Ein- und Durchschlafstörungen mit daraus folgenden Schlafunterbrechungen und Schlafmangel.
  2. Schlafbezogene Atmungsstörungen, das ist in milder Form (Schnarchen mit verminderter Atmung) oft die Ursache von Tagesmüdigkeit, in heftiger Form die lebensbedrohliche Schlafapnoe, bei der Atmung immer wieder aussetzt.
  3. Als Hypersomnie wird ein pathologisch erhöhtes Schlafbedürfnis bezeichnet, das heißt, der Patient leidet unter übermäßiger Tagesmüdigkeit, meistens weil sein Nachtschlaf gestört ist, ohne dass er es bemerkt. Wenn jemand, ohne es kontrollieren zu können, plötzlich z.B. am Arbeitsplatz oder am Steuer seines Autos einschläft, leidet er unter Narkolepsie.
  4. Störungen des zirkadianen Rhythmus: Der Wach-Schlaf-Rhythmus ist aus dem Gleichgewicht, z.B. durch Jet-Lag, Schichtarbeit oder Zeitzonenwechsel.
  5. Parasomnien unterbrechen den erholsamen Schlaf, das bekannteste Beispiel ist das Schlafwandeln
  6. Schlafbezogene Bewegungsstörungen, z.B. das Restless Legs Syndrom, körperliche Unruhe, die tiefen Schlaf verhindert

Schäflein zählen funktioniert nicht. Aber bei vielen Menschen, die unter Einschlafstörungen leiden, helfen schon einfache Verhaltensänderungen. Stressverminderung, mehr körperliche Bewegung, autogenes Training vor dem Zubettgehen, eine Temperatur von maximal 18 Grad im Schlafzimmer und feste Zeiten zum Einschlafen. In schwereren Fällen ist die Einnahme von Medikamenten sinnvoll, oder bei Apnoe auch der Einsatz von Atemmasken.

Die Grundregeln für bessern Schlaf sind einfach

  1. Gehen Sie grundsätzlich erst dann schlafen, wenn Sie sich müde fühlen.
  2. Stehen Sie auf, wenn Sie nicht einschlafen können, und lenken Sie sich mit einer Beschäftigung ab. Schlafen Sie nicht außerhalb des Bettes ein. Gehen Sie erst dann wieder ins Bett, wenn Sie sich schläfrig fühlen. Wiederholen Sie diesen Vorgang so oft wie nötig, wenn Sie nachts nicht schlafen können.
  3. Stehen Sie zu regelmäßigen Zeiten auf, auch am Wochenende und im Urlaub.
  4. Im Bett sind nur Schlafen und Sex erlaubt. Sie sollten im Bett nicht lesen oder essen und keine beruflichen Unterlagen bearbeiten.
  5. Vermeiden Sie das kleine Nickerchen am Tage. Wenn Sie das Müdigkeitsgefühl tagsüber nicht mehr kontrollieren können, schlafen Sie maximal eine Stunde und möglichst nicht nach 15 Uhr.
  6. Nehmen Sie vier bis sechs Stunden vor dem Schlafengehen keine koffeinhaltigen Getränke oder Medikamente zu sich.
  7. Rauchen Sie grundsätzlich nicht vor dem Schlafengehen oder während der Nacht.
  8. Trinken Sie vier bis sechs Stunden vor dem Schlafengehen keine alkoholischen Getränke.
  9. Nehmen Sie vor dem Schlafengehen keine schweren Mahlzeiten ein. Eine leichte Nachtmahlzeit kann hingegen schlaffördernd wirken.
  10. Betreiben Sie 6 Stunden vor dem Schlafengehen keinen körperlich anstrengenden Sport.
  11. Beseitigen oder reduzieren Sie lästige Lichtquellen, Lärmgeräusche und extreme Temperaturen im Schlafzimmer. (vgl. Schlafhygiene).

Viel ist inzwischen bekannt und trotzdem besteht immer noch Fort- und Weiterbildungsbedarf. Eine halbe Million Menschen nimmt täglich in Deutschland Schlafmittel – oft unnötig und mit Folgen von Abhängigkeit.

2003 beschloss der Deutsche Ärztetag die Zusatz-Weiterbildung Schlafmedizin. Prävention bleibt dabei das oberste Ziel. In seinem Themenheft kommt das Robert-Koch-Institut zu dem Schluss:

Das gesundheitliche Ziel besteht darin, die wissenschaftlichen gesicherten Erkenntnisse der Schlafmedizin zu nutzen, um allen von nicht erholsamen Schlaf und seine Folgen schwerwiegend betroffenen, sowie allen, die erhebliche schlafbedingte gesundheitliche Risiken mit sich tragen, die angemessene und notwenige Versorgung zukommen zu lassen.