"Amerikas schmutziges, kleines Geheimnis"

Full-Time-Jobs, aber kein Geld für Essen

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Der Wirbelsturm Katrina legte in diesem Sommer offen, was über den Diskussionen zur übermächtigen militärischen und wirtschaftlichen Supermacht USA lange Zeit in den Hintergrund geraten war: Dass sich innerhalb der Vereinigten Staaten ein Dritte Welt-Zone verbirgt, über die nur wenig berichtet wird. Ein aktueller Bericht des US-Landwirtschaftsministeriums (US Department of Agriculture - USDA) macht nun darauf aufmerksam, dass die Zahl der Hungernden in Amerika in den letzten 5 Jahren um 43% gestiegen ist.

An einem typischen Tag im November 2004, so der Bericht, litt mindestens ein Mitglied von 614.000 bis 854.000 amerikanischen Haushalten an Hunger. Diese Statistik zeige allerdings nur einen Teil der Wirklichkeit, denn die Zahl der Menschen, die an einem bestimmten Tag nicht genug zum Essen haben, sei nur ein kleiner Bruchteil der Menge an verarmten Amerikanern, die sich das ganze Jahr über nur sehr unregelmäßig mit den nötigen Nahrungsmitteln versorgen könnten: mehr als 38 Millionen, darunter 14 Millionen Kinder. Damit habe sich die Zahl der Hungernden seit 1999 um 7 Millionen vergrößert.

"Sie sind Amerikas schmutziges kleines Geheimnis", erregte sich Larry Brown schon vor mehr als zwei Jahren. Brown, ein ehemaliger Harvard Professor, jetzt Leiter des Center on Hunger and Poverty an der Brandeis University, das an der Studie mitgewirkt hat, gilt als der große Fachmann für den "Hunger in Amerika". Angesichts der neuen, "unerwartet hohen" Zahlen spricht Brown gar von einer "Epidemie":

Dass die Zahlen der Hungernden sich so lange nach dem Ende der Rezession auf einem chronischen Level halten, bedeutet, dass es ein von Menschen verursachtes Problem ist. Der Kongress und das Weiße Haus müssen sich dringend darum kümmern, diese Epidemie unter Kontrolle zu bekommen.

Innerhalb eines Jahres, von 2003 auf 2004, sei die Zahl der Haushalte, denen das "tägliche Brot" in einem der reichsten Länder der Welt nicht sicher ist, um eine Million gestiegen. Die höchsten Werte werden für Kalifornien, Texas, Arkansas, Missouri, North Carolina, New Mexico, Oklahoma und South Carolina verzeichnet. Betroffen sind vor allem Stadtzentren, weniger die Vorstädte, und Landbewohner, Haushalte, die von allein erziehenden Müttern geführt werden, Afroamerikaner und Hispanics.

Bemerkenswert ist die Feststellung, dass es sich bei den Hungernden nicht unbedingt um Arbeitslose handeln muss. Mitglieder dieser Haushalte, die Full-Time-Jobs haben, seien nicht selten. Nur würden die Löhne oft nicht zum Nötigsten reichen:

They are hardworking have-nots who cannot pay the rent, medical bills, and still feed their families.

Larry Brown