Macht Östrogen Frauengesichter schön?

Nach einer britischen Studie ist die Attraktivität von Frauengesichtern ein Signal für die Fruchtbarkeit der Frauen – allerdings nur, solange kein Make-up aufgetragen wird

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Schönheit in der Kunst galt zwar in der bürgerlichen Ästhetik als Pendant eines paradoxen "interesselosen Wohlgefallens", normalerweise aber ist Schönheit verbunden mit Attraktivität. Schönes zieht die Aufmerksamkeit auf sich, schafft Prominenz, und es löst das Begehren nach Aneignung aus. Das treibt auch die Menschen an, die körperlich schön sein wollen oder unter dem Zwang nach Perfektion des Aussehens ausgesetzt sind, um den Mitmenschen zu gefallen und zu imponieren. Das spielt natürlich besonders auf dem beim Menschen permanent geöffneten Marktplatz der sexuellen Attraktion eine Rolle, aber schöne Menschen sollen es ganz allgemein leichter haben, Aufmerksamkeit, Achtung, Bewunderung und Anerkennung zu finden, was sich auch in der sozialen und beruflichen Karriere niederschlägt.

Schönheit gilt biologisch als Merkmal für die Partnerwahl, das sich in der Evolution entwickelt hat und signalisiert, dass die Paarung mit dieser Frau bzw. diesem Mann Vorteile in der Reproduktion mit sich bringt. Schönheit soll so ein Zeichen für eine gute genetische Ausstattung sein. Schönheit oder eine größere Ansammlung von bestimmten, erkennbaren körperlichen Eigenschafen soll beispielsweise für Gesundheit sprechen, also für Überlebensfähigkeit, bei Männern auch für körperliche Überlegenheit und bei Frauen für größere Fruchtbarkeit. Nach der Theorie können die sexuell attraktiven Merkmale entweder direkt auf einen körperlichen Vorteil hinweisen, aufwändige, nicht direkt für das Überleben notwendige, auch das Leben gefährdende Merkmale gelten aber auch dann als Hinweise, weil diese sich nur gesunde, kräftige etc. Sexualpartner leisten können.

Zusammengesetzte Bilder aus den Gesichtern von Frauen mit den höchsten (links) und den niedrigsten (rechts) Östrogenwerten. Bilder: Perception Lab

Beim Menschen ist die Zurschaustellung für die sexuelle Selektion bekanntlich aber nur noch zum Teil biologisch bedingt. Die körperlichen Signale können durch Kosmetik, Frisur, Kleidung, Muskelwachstum durch Hormone und chirurgische Eingriffe manipuliert werden, ansonsten gibt es eine Vielzahl von sekundären Merkmalen wie gesellschaftliche Stellung, Vermögen, die auch nicht betrugssicher sind. Was aber könnte beispielsweise ein schönes Gesicht biologisch im Sinne der Überlebens- und Reproduktionsfähigkeit aussagen? Nach einer vor einem Jahr veröffentlichten Untersuchung sollen Gesichter von Frauen in der Zeit attraktiver sein, wenn sie fruchtbar sind. Britische Wissenschaftler wollen nun herausgefunden haben, dass schöne Gesichter bei Frauen verbunden seien mit höheren Östrogenwerten, die für Gesundheit und Fruchtbarkeit sprechen sollen.

Frauen bewerben ihre allgemeine Fruchtbarkeit auf effektive Weise mit ihren Gesichtern. Unsere Ergebnisse könnten erklären, warum Männer die Gesichter von femininen Frauen bevorzugen. Aus evolutionärer Perspektive ist es sinnvoller für Männer, fruchtbare feminine Frauen zu bevorzugen, weil diese mehr Kinder bekommen könnten.

Law Smith

Körperliche Schönheit ist ein begehrtes Gut, für das Menschen schon immer viel Mühe und Zeit aufgewendet haben und das nicht nur in Medien und Werbung maßgeblich für den wirtschaftlichen Erfolg ist. Aufmerksamkeitsökonomisch ist der schöne Körper oder das schöne Gesicht ein sich dynamisch sich verändertes, kulturell bedingtes Ergebnis von Nachfrage und Angebot. So führen die Medien dem aufmerksamen Publikum die Schönen vor Augen, die sich aber ebenfalls dem dominanten Geschmack des aktuellen Trends beugen müssen, um mit viel Aufwand und teils nicht nur mit dem oberflächlichen Mitteln von Kleidung, Kosmetik, Frisur, Schmuck und Gestik, sondern mit chirurgischen und medikamentösen Mitteln ihr Aussehen zu gestalten. Da prominent ist, wer Aufmerksamkeit an sich zieht und daher durch kollektiv geteilte (sexuelle) Attraktivität Begehren auslöst, werden Verhalten und Aussehen von den schönen Prominenten nachgeahmt, um damit selbst in den Genuss der Vorteile zu gelangen, die den Schönen zukommen sollen.

Frauengesichter sollen schöner wirken, wenn sie fruchtbar sind (linkes Bild, aufgenommen in den Tagen des Eisprungs, rechtes Bild, eine Woche später). Aus: "Female facial attractiveness increases during the fertile phase of the menstrual cycle", in Proceedings of the Royal Society, Biology Letters, 31.3.2004

Wie man sein Aussehen in Richtung größerer Schönheit verändern kann, hängst vornehmlich davon ab, welche Eigenschaften beispielsweise eines Gesichtes als schön empfunden werden. Versuche, die Eigenschaften eines schönen Gesichtes empirisch herauszufinden, um daraus ein mehrheitsfähiges perfektes Modellgesicht zu entwickeln, gibt es hinreichend viele. Und die Erforschung des perfekten Gesichts wird vermutlich auch deswegen gegenwärtig noch interessanter, weil die medizinischen und chirugischen Möglichkeiten wachsen, ein Gesicht zu formen. Und sollte man herausfinden, welche Gene hier eine besondere Rolle spielen, so könnte irgendwann auch die Gentechnik zum Geschäft werden – wenn schon nicht beim eigenen Körper, so dann doch bei den genetisch designten Nachkömmlingen.

Meist werden bei Ermittlung von Schönheit möglichst vielen Personen Bilder von Menschen vorgelegt, aus denen sie auswählen sollen, wen sie am attraktivsten finden, um dann zu analysieren, anhand welcher Eigenschaften diese Entscheidung der Mehrheit liegt. Wie aussagefähig solche Studien sind, hängt von der Zahl der Versuchspersonen, von der Auswahl der Bilder und von der Auswahl der Eigenschaften ab. Daher ist die Grundlage für die Studie der britischen Wissenschaftler von der University of St Andrews unter der Leitung von Law Smith wahrscheinlich ein wenig dürftig (Law Smith et al.: Facial appearance is a cue to oestrogen levels in women. Erschienen in Proceedings of the Royal Society B, Biological Sciences Grundlage der Tests waren 56 Fotografien der Gesichter von jungen Frauen, bei denen auch die Werte für die weiblichen Sexualhormone Östrogen und Progesteron ermittelt wurden. Vorgelegt wurden die Fotografien 15 Frauen und Männer, die beurteilen sollten, wie gesund, attraktiv und feminin dieses aussahen.

Unabhängig vom Geschlecht der Beurteilenden schnitten die Gesichter derjenigen Frauen am besten hinsichtlich der vorgegebenen Kriterien Gesundheit, Attraktivität und Fraulichkeit ab, bei denen höhere Östrogenwerte festgestellt wurden. Bei Progesteron ließ sich hingegen nur ein geringer Einfluss feststellen. Für die Wissenschaftler zeugt die Verbindung zwischen höheren Östrogenwerten und größerer Attraktivität für eine Verknüpfung der reproduktiven Gesundheit mit der Schönheit von Frauengesichtern. Das Gesicht also würde danach den für die Fruchtbarkeit relevanten Hormonspiegel bei Frauen verraten, weswegen die mit Östrogen verbundene Gesichtsform im Verlauf der sexuellen Selektion zu einem schnell erkennbaren Signal geworden sei. Die meisten Auswirkungen auf die Gesichtsform üben Hormone während der Pubertät aus. Östrogen führt neben breiteren Hüften und größeren Brüsten angeblich zu größeren Augen und dickeren Lippen, während Nase und Kinn weniger groß werden und insgesamt das Wachstum der Gesichtsknochen gehemmt wird. Testosteron führt hingegen bei Männern zu größeren Gesichtern, einem stärkeren Bartwuchs und kräftigeren Kieferknochen.

In der Studie stellte sich jedoch auch heraus, dass gewissermaßen die Kultur die Natur überformt. Bei Gesichtern mit einem Make-up ließen sich offenbar keine Unterschiede hinsichtlich des Östrogenwerts mehr feststellen. So wird durch Make-up zwar die "Schönheit" gesteigert, aber manche Merkmale verdeckt, die möglicherweise in der biologischen Selektion wichtige Eigenschaften signalisierten. Sollte dies zutreffen, dann würden auch Versuche, der Schönheit von Frauengesichtern durch Zugabe von Östrogen in der Pubertät auf die Sprünge zu helfen, kaum Vorteile mit sich bringen, aber womöglich einige Risiken. Allerdings hat die Studie auch nur die Verbindung zwischen als schön empfundenen Frauengesichtern und dem Östrogenwert untersucht. Die Wahrnehmung von Schönheit mag zwar evolutionär durch eine solche Verbindung geformt worden sein, aber es gibt eben auch weitere Merkmale für schöne Gesichter, die sich von der direkten Verbindung abgelöst haben oder kulturell variieren. Und vortäuschen lassen sie sich beispielsweise mit aufgespritzten Lippen oder chirurgisch veränderten Nasen und anderen Eingriffen mittlerweile auch ohne den Einsatz von ausgefuchster Kosmetik.