Asteroidenabwehr ohne Atombomben

Zwei US-Astronauten wollen gefährliche Brocken mithilfe der Schwerkraft aus ihrer Bahn lenken

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In Hollywoodfilmen sieht es zumeist relativ einfach aus: Da wird ein Himmelskörper entdeckt, der auf die Erde zurast und alles Leben zu vernichten droht. Wie gut, dass wir noch ein paar Atomraketen haben! Eine nukleare Sprengladung wird auf den Weg gebracht, der das kosmische Geschoss zu harmlosen Bröckchen pulverisiert.

In der Realität ist die Sache komplizierter. So können Asteroiden und Kometen hinsichtlich ihrer Zusammensetzung, Struktur und Dichte von sehr unterschiedlicher Beschaffenheit sein. Wie stark eine Sprengladung sein muss und wo sie am besten platziert wird, hängt daher völlig vom jeweiligen Einzelfall ab. Eine schlecht gezielte Atombombe könnte die Situation sogar verschlimmern, wenn sie den heranrasenden Himmelskörper nur in einige wenige Teile zerlegt. Gegen eine solche kosmische Schrotladung gäbe es dann praktisch keine Abwehr mehr.

Einschlag von Fragment des Komets Shoemaker-Levy auf den Jupiter im Juli 1994. Bild: Nasa

Astronomen und Raumfahrtexperten denken daher lieber über weniger spektakuläre Abwehrmaßnahmen nach. Statt der Brachialmethode favorisieren sie die vergleichsweise sanfte Ablenkung gefährlicher Asteroiden oder Kometen. Die kann mit umso weniger Energieaufwand erfolgen, je länger die Vorwarnzeit ist.

Allerdings ist es nicht so einfach, auf solchen Himmelskörpern Raketenantriebe zu installieren, die die Umlaufbahn verändern. So müsste der Antrieb auf der Oberfläche verankert werden, über deren Beschaffenheit zunächst nichts bekannt ist. Noch schwieriger dürfte es sein, die Eigenrotation des jeweiligen Objekts zu berücksichtigen.

Die beiden Nasa-Astronauten Edward T. Lu und Stanley G. Love vom Johnson Space Center in Houston, Texas, haben daher jetzt in der Zeitschrift Nature ein Verfahren vorgeschlagen, dass ohne solche feste Verankerung auskommt. Stattdessen soll ein Raumfahrzeug in konstantem Abstand neben dem Asteroiden fliegen und ihn allein durch die Wirkung der Schwerkraft allmählich auf eine andere Bahn ziehen.

In einer Beispielrechnung kommen Lu und Love zu dem Ergebnis, dass ein 20 Tonnen schweres Raumschiff die Geschwindigkeit eines 200 Meter durchmessenden Asteroiden um knapp zwei Millimeter pro Sekunde verändern kann, wenn es ihn ein Jahr lang in einem Abstand von eineinhalb Radien begleitet. Bei einer Vorwarnzeit von 20 Jahren sei das ausreichend, um ein solches Objekt vom Kollisionskurs mit der Erde abzulenken. Für dieses Szenario wäre allerdings ein nuklearelektrischer Antrieb mit einer Kapazität von 100 Kilowatt erforderlich, wie er im Rahmen des Prometheus-Programms konzipiert worden ist.

Falls ein Asteroid zunächst dicht an der Erde vorbei fliegt und erst bei einem späteren Orbit mit ihr zu kollidieren droht, könnte die Ablenkung auch mit weniger Energie erfolgen. Der Asteroid 99942 Apophis etwa fliegt im Jahr 2029 in 30.000 Kilometer Entfernung an der Erde vorbei . Im Jahr 2035 oder 2036 könnte der 320 Meter durchmessene Brocken unseren Heimatplaneten mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,01 Prozent treffen. Um auch dieses Restrisiko auszuschließen, würde es ausreichen, einige Jahre vor der Annäherung im Jahr 2029 eine Sonde mit einer Masse von einer Tonne zu dem Asteroiden zu schicken und einen Monat lang an seiner Seite fliegen zu lassen. Das ginge auch mit konventionellen chemischen Antrieben.

Carl Sagan hat schon vor über zehn Jahren auf einen wichtigen Aspekt solcher vermeintlich „sanfter“ Asteroidenabwehr hingewiesen: Wer gefährliche Himmelskörper ablenken kann, kann prinzipiell ebenso gut bislang ungefährliche Brocken gezielt auf die Erde umlenken. Das wäre eigentlich auch ein ganz brauchbarer Plot für das nächste Leinwandspektakel.