Besuch unerwünscht

Tunesien verhindert Einreise von Robert Menard, Leiter von Reporter ohne Grenzen, zum Weltgipfel zur Informationsgesellschaft

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Vor und während des Gipfels zur Informationsgesellschaft (WSIS) kam es in Tunesien bereits zu zahlreichen Übergriffen gegen Journalisten und Menschenrechtsorganisationen durch tunesische Behörden (zu weiteren Menschenrechtsverletzungen und Hintergrundinformationen über die politische Lage in Tunesien siehe: Der Gipfel tagt in einem Schwarzen Loch des Internet).. Heute Vormittag haben nach Landung des Flugzeugs auf dem Flugplatz in Tunis tunesische Polizisten in Zivil Robert Menard, den Leiter der Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen, die Einreise verwehrt. Die Begründung: Er habe keine offizielle Akkreditierung vom Weltgipfel.

Plakat der Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen

Nach seinen Angaben hatte Menard sich allerdings offiziell akkredidiert und die Nummer 10 30 191 erhalten, zudem habe sich der französische Außenminister Philippe Douste-Blazy vor seinem Abflug versichert, ihm die Teilnahme am Gipfel zu ermöglichen. Die Air France gab Menard schließlich ein Rückflugticket. Gegen 14 Uhr landete er wieder in Paris. Eine Reaktion seitens der französischen Regierung habe es sich nicht gegeben, kritisierte er. Der französische Außenminister sei "doppelzüngig". Douste-Blazy bedauerte am Donnerstag, dass für Menard keine Lösung gefunden worden sei. Sein Sprecher erinnerte, dass man die tunesische Regierung offiziell am Montag aufgefordert habe, die Informationsfreiheit zu gewährleisten und die Journalisten zu schützen.

Allerdings hatte Menard bereits am 10.11. einen Brief vom WSIS-Direktor Charles Geiger erhalten, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass er legal Tunesien nicht betreten dürfe. Die ITU, die Veranstalterin von WSIS, sei von der tunesischen Regierung am Tag zuvor benachrichtigt worden, dass gegen Menard noch eine Untersuchung aufgrund einer Anzeige laufe. Nach einem Reporter der Zeitung Liberation handelt es sich dabei um eine Besetzung des tunesischen Touristenbüros durch Reporter ohne Grenzen in Paris im Jahr 2001, nachdem Sihem Ben Sedrine verhaftet wurde.

Allerdings sind auf dem Gipfel weitere Vertreter der Organisation anwesend, die auf ihrem Stand ein großes Plakat mit den "Schwarzen Löchern des Web" aufgehängt haben, zu denen auch Tunesien gehört. Gestern hatten sie dort den aktuellen Bericht über die Feinde des Internet vorgestellt.

Zu den 15 hier herausgestellten "Feinden des Internet", die das Netz überwachen und zensieren sowie die Meinungsfreiheit unterdrücken, gehört neben Saudi-Arabien, Burma, China, Iran, Usbekistan, Syrien oder Vietnam eben auch Tunesien. Präsident Ben Ali habe ein sehr effizientes Überwachungssystem für das Internet entwickelt. Der Zugriff auf kritische Websites im Ausland werde blockiert, die Tunesier werden davon abgehalten, Webmail-Accounts einzurichten, die schwieriger zu überwachen sind. Moniert wird von der Organisation nicht nur die Verhaftungen von Regimekritikern, sondern vor allem, dass ausgerechnet Tunesien, das schon lange für Menschenrechtsverletzungen bekannt ist, als Ort von der internationalen Gemeinschaft ausgewählt wurde, um hier den Weltgipfel der Informationsgesellschaft stattfinden zu lassen.

Ein eben veröffentlichter Bericht der OpenNet Initiative mit dem Titel Internet Filtering in Tunisia in 2005: A Country Study stellt die technischen Zensurmaßnahmen vor. Auch hier werden wie in China oder Saudi-Arabien zur Blockierung unerwünschter Websites sowie zur Überwachung der Internetnutzer Programme westlichen Firmen eingesetzt. Von fast 2000 überprüften Websites wurden 10 Prozent blockiert. Unerwünscht sind demnach in erster Linie Kritik am Regime und am Herrscher, Websites von politisch Oppositionellen, über die Menschenrechtssituation in Tunesien und über Möglichkeiten, Filter zu umgehen, sowie Pornographie.