Tote Saat

Gentech-Multis bringen die Terminator-Technologie, die Saatgut keimungsunfähig macht, wieder ins Spiel

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Terminator-Saatgut ist durch Gentechnik unfruchtbar gemachtes Saatgut. Das heißt, aus dem gekauften Saatgut wird zwar einmal eine Pflanze, aber deren Samen sind unfruchtbar (Terminatortechnik). Die Entwicklung dieser Technologie löste Ende der 90er-Jahre weltweite Empörung und Verbote von diesbezüglichen Freilandversuchen aus (Gentechnik - kein Mittel gegen den Hunger?). Doch im Hintergrund arbeiteten US-Regierung und Gentech-Multis weiter daran. Jetzt soll Terminator wieder salonfähig gemacht werden. Die neuen Argumente der Konzerne: Wenn das Saatgut unfruchtbar gemacht sei, könnte es keine Auskreuzung und keine Superunkräuter mehr geben. Trügerische Versprechungen, wie eine Hintergrundanalyse zeigt.

Am 3. März 1998 gaben das amerikanische Landwirtschaftsministerium und die Firma Delta & Pine – inzwischen eine Monsanto-Tochter – bekannt, sie hätten ein Patent auf ein neues Gentechnik-Verfahren erhalten, mit dem verhindert wird, dass Saatgut noch einmal keimen kann. Damit wäre es unmöglich geworden, Saatgut von der Vorjahresernte aufzubewahren und nochmals auszusäen. Diese Meldung sorgte für erheblichen Aufruhr.

NGOs prägten den Begriff "Terminator-Saatgut". Weltweit empörten sich Landwirte. Selbst US-Farmer, die ohnehin ertragreiche Hybridsorten häufig nachkaufen müssen, um die Qualität dauerhaft zu gewährleisten, und denen von Rechtswegen die neuerliche Aussaat von gentechnisch veränderten Pflanzen verboten ist, empörten sich. Dass man eine Technologie einführen wollte, die ihnen das letzte Refugium, die letzte Idee von der bäuerlichen Souveränität über die eigene Ernte, nämlich das eigene Saatgut rauben würde, ließ selbst den technikbegeisterten US-Farmern den Atem stocken.

Weltweit gab es massive Proteste gegen diese Technik, bei der eine Art Killergen in die Pflanze eingebaut wird. Im Prinzip kann die Pflanze zwar einmal eine Frucht hervorbringen, aber sich nicht vermehren, sobald das Gen angeschaltet wird. Andere Konzerne zogen nach und entwickelten Ähnliches. Es gibt zwar wenig Literatur über das genaue Funktionieren der entwickelten Methoden, jene der Firma Zeneca beruht offensichtlich darauf, dass das Killergen nur über die Zugabe spezieller Chemikalien abgeschaltet werden kann. Auch Syngenta, 2000 aus dem Zusammengehen von Novartis mit AstraZeneca entstanden, hält ein Terminator-Patent. Für die Firmen wäre die Technologie äußerst praktisch, zumal man sich dann alle Patent-Rechtsstreitigkeiten, teure Anwälte, Detektive etc. sparen könnte. Wenn Saatgut nicht mehr aufgeht, muss es zwangsläufig jedes Jahr nachgekauft werden.

Die Welternährungsorganisation FAO trat entschieden gegen die Terminator-Technologie auf. Die Folgen seien unabsehbar, sowohl in ökologischer und gesundheitlicher als auch in sozialer Hinsicht. Quer über den Globus, quer durch alle politischen Lager wurde diese Technologie als zutiefst unmoralisch verurteilt. Terminator-Saatgut ist in den meisten Ländern untersagt. Schließlich empfahl sogar die CBD ( Convention on Biodiversity) ein Moratorium für die Terminator-Technologie. Monsanto sah sich gezwungen, öffentlich zu erklären, die Forschungen an der Technologie einzustellen.

Offensichtlich begrub man das Unterfangen aber nicht wirklich. Die US-Regierung intervenierte massiv bei der CBD. Die FAO hätte nur die negativen Seiten dargelegt und wäre außerdem unwissenschaftlich vorgegangen, so das offizielle Amerika. Durch eine Indiskretion kam Anfang 2005 heraus, dass Kanada bereits knapp davor war, sein Terminator-Verbot zu kippen. GURT (Genetic Use Restriction Technology), so der Fachbegriff, wurde offensichtlich unter amerikanischer Regierungsaufsicht in Gewächshäusern weiter getestet. Nachdem Monsanto seine Felle davonschwimmen sieht – man denke an die Argentinier, die keine Gebühren an den Konzern zahlen wollen, zumal dieser ja auch nie ein Patent dort angemeldet hat –, leistet die Regierung offensichtlich Schützenhilfe. Greenpeace berichtete Ende Oktober, dass Delta & Pine Land und das US-Landwirtschaftsministerium im selben Monat bereits Patente zur Terminator-technik in Europa und Kanada erhalten haben.

Der Öffentlichkeit wird GURT jetzt als Lösung für die Koexistenzproblematik verkauft. Die Weiterverbreitung der Gene, Pollendrift, könnte damit unterbunden werden. Man höre und staune: Vor Einführung der grünen Gentechnik haben Konzerne und Wissenschaftler Stein und Bein geschworen, dass es so gut wie unmöglich sei, dass sich GV-Pflanzen ungewollt ausbreiten. Das Gegenteil ist der Fall, am massivsten bei GV-Raps, wie wir aus Kanada wissen.

Wiederkehr der Terminator-Technik als Mittel, die ungewollte Verbreitung von genveränderten Pflanzen zu verhindern

Jetzt kommt die Industrie mit einer neuen Lösung daher, die absolut unproblematisch sei und alle unangenehmen Nebenerscheinungen der grünen Gentechnik, die heute schon evident sind, wieder wettmachen würde. Wunderbar, schwärmte das Wissenschaftsmagazin New Scientist (Feb. 2005) , man sollte diese Technologie in alle GVOs einbauen. Wie bitte? Ein einziges Argument des New Scientist-Autors ist nachvollziehbar, nämlich, dass die Schwarzmärkte etwa in Brasilien eingedämmt werden könnten und somit auch weniger GV-Verunreinigung gewollt oder ungewollt auf den Äckern landen würde. Das würde sicher auch die Gegner der grünen Gentechnik freuen. Die Argumentation greift aber zu kurz, da sie die technischen Möglichkeiten überschätzt.

"Die Terminator-Technik wäre nur dann eine Möglichkeit, die Ausbreitung von GVOs zu verhindern beziehungsweise einen geringen Teil der Koexistenzprobleme zu lösen, wenn es eine hundertprozentige stabile Expression unter allen klimatischen Bedingungen weltweit gebe«" so der Risikoforscher Werner Müller. Die Instabilität gentechnisch veränderter Pflanzen ist ein Hauptproblem der Gen-Ingenieure. Manchmal funktioniert eine Pflanze unter gewissen klimatischen Bedingungen, doch bei den Nachbarpflanzen kann das schon nicht mehr der Fall sein. Pflanzen sind keine Maschinen, sondern Lebewesen. Jede Pflanze reagiert auf ihre eigene Weise auf Umweltbedingungen, auch wenn sie beide aus dem gleichen Saatgutsack stammen. In manchen Jahren und Gegenden kann das soweit führen, dass Genexpression in der Mehrheit der Pflanzen zum Erliegen kommt. Und dieses Risiko sollen wir mit einer Technologie eingehen, die die Saat keimunfähig macht?

Wenn eine Verbreitung verhindert und das Koexistenzproblem gelöst werden soll, müsste primär hundertprozentige Pollensterilität angestrebt werden. Dass sich Terminator aber über Pollenflug verbreiten kann, bestreitet der Journalist vom New Scientist gar nicht. Seine Schlussfolgerung: "Claims that Terminator genes might spread to other crops or wild relatives are nonsense. If any neighbouring plants are fertilised by pollen containing the Terminator gene, the resulting seeds will be sterile."

Das ist ein veritabler Kurzschluss. Wie kommt etwa ein konventioneller Raps-Farmer dazu, dass seine Pflanzen, sein Saatgut durch Pollenverunreinigung keimungsunfähig gemacht werden? Was passiert, wenn über Hilfslieferungen Terminator-Saatgut in Entwicklungsländer kommt und dieses die heimischen Sorten derart kontaminiert, dass in letzter Konsequenz kaum mehr konventionelles Saatgut zur Verfügung steht? Müssen die Menschen dort dann auch teures GV-Saatgut jährlich neu von den Multis kaufen? Für Entwicklungs- und Schwellenländer, in denen heute noch etwa 90 Prozent des Saatguts von kleinen Farmern selbst vermehrt wird und es kaum Züchterindustrie gibt wie in den Industrieländern, wäre das schlichtweg eine Katastrophe.

Ganz abgesehen davon wären die Auswirkungen von Terminator auch in unseren Breitengraden unberechenbar. Was ist, wenn die Technik nicht funktioniert, die Pflanzen verrückt spielen und nicht mehr keimen? Und was ist mit dem anderen großen Problem, das kein Wissenschaftler bestreitet: "gene silencing"? Dabei wird das fremde Genkonstrukt in die Pflanze erfolgreich eingebaut, die Wirkung kommt aber nicht zum Tragen. Solche Pflanzen könnten sich weiter ausbreiten, andere kontaminieren und das Killergen weitergeben – und irgendwann kriegt das Killergen eine Chance. Dann sehen möglicherweise viele Äcker sehr lückenhaft aus. Die Aussaat reißt ein großes Loch in die Felder und die Bilanzen der Landwirte. Ein Teil der Saat geht nicht auf.

Möglich, dass die Wahrscheinlichkeit solcher Szenarien gering ist, aber solange eine solche Möglichkeit nicht zu hundert Prozent ausgeschlossen werden kann, hat die Terminator-Technologie absolut nichts in Nahrungsmittel-Pflanzen verloren. Schon gar nicht, wenn es im Prinzip ja doch nur darum geht, Konzernen ihre Lizenzgebühren zu sichern.

Das Kapitel stammt aus dem eben in der Telepolis-Reihe erschienenem Buch von Brigitte Zarzer: Einfach GEN:ial - Die grüne Gentechnik: Chancen Risiken und Profite.