Keine Gentechnik auf Schweizer Äckern

Die Schweizer Bürger votierten für ein fünfjähriges Gentech-Moratorium

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Was in den EU-Mitgliedsländern nicht mehr möglich ist - ein generelles Verbot des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen -, setzte das Schweizer Stimmvolk am Sonntag per Volksentscheid durch. Die Initiative „Für Lebensmittel aus gentechfreier Landwirtschaft“ wurde in allen Kantonen – auch in den Chemie-Hochburgen - angenommen. Die klare Mehrheit von 55,7 Prozent war nicht erwartet worden.

Die Schweizer Gentechfrei-Initiative wurde von Konsumentenschützern, Umweltverbänden und Bauern getragen. Politische Unterstützung kam von den Grünen und Links-Gruppierungen. Große Schweizer Marken wie etwa EMMI verzichten seit langem auf den Einsatz von Gentechnik, und so kam es auch, dassBaer, einer der größten Käsehersteller der Schweiz, massiv für ein „Ja“ zur Gentechfrei-Initiative warb. Bundesrat und bürgerliche Parlamentsmehrheit hingegen hatten sich eindeutig gegen ein Moratorium für den kommerziellen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen ausgesprochen. Allerdings standen die Volksvertreter einer Abstimmung nicht im Wege.

Vergangen Sonntag war dann der Konsument am Wort und entschied, dass er heimische Produkte auch künftig ohne Gentechnik am freien Feld konsumieren möchte. Das Moratorium kann sofort in Kraft treten. Damit wird die Schweiz in den nächsten fünf Jahren keine gentechnisch veränderten Pflanzen anbauen.

Im Vorfeld kam es zu den hinlänglich bekannten Debatten zwischen Befürwortern und Gegnern. Ungewöhnlich war, dass sich auch etliche Medien eindeutig positionierten. Die konservative Neue Zürcher Zeitung (NZZ) rief im Oktober auf, gegen ein Moratorium zu stimmen:

Die Redaktion der NZZ lehnt die sogenannte Gentechfrei-Initiative ab. Es gibt keinen Grund, den bisher eingeschlagenen Weg im Bereich der Gentechnologie zu verlassen.

Die Redaktion brachte im Wesentlichen zwei Hauptargumente vor. Erstens wäre in der Schweiz seit 2004 ohnehin ein sehr strenges Gentechnik-Gesetz in Kraft und zweitens würde der Forschungsstandort Schweiz gefährdet. Allerdings berührte die Initiative lediglich den kommerziellen Anbau und nicht die Forschung.

Die wissenschaftliche Gemeinde war entgegen früherer Anläufe ebenfalls gespalten. So outeten sich immerhin 96 Forscher als Befürworter des Moratoriums. Die Forschung sei dadurch nicht gefährdet, während der kommerzielle Anbau derzeit nicht hinreichend geklärte Risiken mit sich brächte, so der Grundtenor ihrer Stellungnahme. Dahingegen sollten auch Alternativen zur grünen Gentechnik geprüft und entwickelt werden.

Manche Wissenschaftler wiesen im Vorfeld der Abstimmung zudem darauf hin, dass - in der Schweiz, aber auch weltweit gesehen – ohnehin sehr wenige Forscher im Bereich der grünen Gentechnik arbeiten würden, zumindest wenn man die Gesamtzahl der Naturwissenschaftler zum Vergleich heranzieht.

Allgemein lässt sich international derzeit eine Tendenz in Richtung „zurück ins Labor“ im Bereich der grünen Gentechnik feststellen. Man scheint sich derzeit verstärkt auf die Erforschung dessen zu konzentrieren, was im pflanzlichen Genom vor sich geht. Daraus gewonnene Erkenntnisse können sehr nützlich für die konventionelle und natürlich auch die biologische Züchtung sein. Selbst der Forschungsleiter des Agro-Chemie-Riesens Syngenta räumte vergangenes Jahr ein – als die Biotech-Forschungsabteilung in die USA verlegt wurde -, dass man zwar viel mit Gentechnik experimentiert hätte, aber oft gescheitert sei und sich deshalb wieder verstärkt der konventionellen Züchtung zuwenden werde. Wie viele Projekte in den vergangenen Jahren zeigten, gibt es Alternativen zur grünen Gentechnik - sowohl in der Entwicklung von Pflanzen mit spezifischen Eigenschaften als auch bei den Bewirtschaftungsformen, die etwa Schadinsekten in Schach halten können oder zu besseren Erträgen führen.

Die Schweizer Landwirtschaft will sich jedenfalls in den nächsten fünf Jahren als gentech-freie Landwirtschaft positionieren und erhofft sich dadurch auch einen Wettbewerbsvorteil. In der kleinteilig strukturierten Landwirtschaft der Schweiz wäre ein friedliches Nebeneinander von konventioneller, ökologischer und Gentech-Landwirtschaft bei den meisten heute kommerziell gängigen Gentech-Sorten kaum möglich gewesen. Der Import von „Genfood“ und gentechnisch veränderten Futtermittel bleibt von dem Moratorium unberührt. Allerdings verlangen bereits viele Nahrungsmittelhersteller in der Schweiz von Zulieferern gentechfreie Fütterung beziehungsweise GVO-freie Ware. Die Schweizer Hersteller sehen darin auch eine Qualitätsgarantie für ihre Produkte.

In der Telepolis-Buch-Reihe ist gerade das Buch zum Thema von Brigitte Zarzer: Einfach GEN:ial. Die grüne Gentechnik erschienen.