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Wie die irakische Presse vom Pentagon gekauft wird

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Das amerikanische Militär zahlt irakischen Zeitungen gutes Geld für die Veröffentlichung von Good-News-Artikeln. Das ist der Kern der Meldung, die am vergangenen Mittwoch von der Los Angeles Times veröffentlicht wurde und seither für Unruhe in ranghohen Pentagon-Kreisen und gerechtfertigter Entrüstung allerorten sorgt. Ein echter Schocker ist die Nachricht nicht - keiner ist wirklich überrascht -, doch in dem Propaganda-Manöver steckt eine schlaue Volte.

Wer im Irak den mit US-Geldern finanzierten Radio Sender Sawa (vgl. Die Wahrheit im Morgenland) hört, weiß, was er von den sonnige-Aussichten-Nachrichten zu halten hat, die das Musikprogramm unterbrechen, und wechselt den Sender, bis wieder Musik gespielt wird. Dieser sorgfältige Umgang mit Medienangeboten dürfte sich nicht auf irakische Taxifahrer allein beschränken.

Gut möglich, dass irakische Zeitungsleser ähnlich achtsam mit Nachrichten umgehen, besonders wenn sie im Zentralorgan von Ahmed Tschalabis INC-Partei, der Zeitung Al-Mutamar, veröffentlicht werden – selbst wenn die PR-Meldungen dort einfach im Nachrichtenteil publiziert werden. Die guten Verbindungen von Tschalabi zu einflussreichen Neocon-Schaltkreisen in den USA sind bekannt. Das gewitzte Stehaufmännchen hat diverse Krisen (vgl. Das Ende des Dunkelmeisters) überlebt, ist als amtierender Vizepremier im Irak wieder gern gesehener Gast in Washington und steht, so scheint es, nach wie vor auf der Gehaltsliste des Pentagon, wenn auch indirekt.

Er ist nicht der einzige Profiteur einer größer angelegten Good-News-Initiative der Info-Warriors des Pentagon. Bis zu 1500 Dollar bezahlten die amerikanischen Nachrichtenverkäufer für die Publikation eines Artikels in irakischen Zeitungen, Dutzende von ihnen kamen in den Genuss reichlicher Dollar-Spenden, so der Bericht der Los Angeles Times. Weitere Hintergründe der getarnten PR-Kampagne wurden wenig später von der renommierten Knight Ridder-Organisation geliefert, und die Hintermänner vom Fachblatt Editor&Publisher genauer unter die Lupe genommen.

Die Tarnung des Pentagon, das seine Sicht der irakischen Verhältnisse über eine private Firma, die Lincoln Group, und über den "Baghdad Press Club" an irakische Zeitungen weitergab, war für die amerikanischen Journalisten schnell aufgedeckt. Wie das Netzwerk funktionierte und dass sich einige irakischen Zeitungsherausgeber bereitwillig mit Geld und Artikeln versorgen ließen, wird nur wenige überraschen. Interessant sind die ansehnlichen Geldsummen, die für den "Informationskrieg" ausgegeben werden: Laut Washington Post hat die Lincoln Group mit drei anderen auf Kommunikation spezialisierte Firmen Verträge im Wert von 300 Millionen Dollar (Laufzeit 5 Jahre, bei Erfolg) erhalten.

Beachtlich ist auch der Effekt, welcher mit diesem Nachrichtenverkauf erzielt werden kann: Dies sei ein Schulbuchbeispiel für "Blow-Back", so der amerikanische Experte für Öffentlichkeit in der arabischen Welt, Marc Lynch: Während die Verbreitung von Propaganda in den USA verboten sei, kehre sie – unter Umgehung von US-Gesetzen – über den Umweg von ausländischen Publikationen an die Homefront zurück. Denn die von US-Militärmitarbeitern verfassten, von der Lincoln Group und des Bagdad Press Club in Umlauf gebrachten Nachrichten erscheinen in arabischer Sprache als scheinbar orginäre Artikel von irakischen Publikationen und werden entsprechend von anderen Medien als solche aufgegriffen und in den Nachrichtenkreislauf geschleust:

Some of these "positive" articles in Arabic (which are not inaccurate in detail but simply grossly one-sided) may then get translated by the Foreign Broadcast Information Service of the CIA, the articles from which in turn are often picked up by BBC World Monitoring; or Iraqi bloggers may put out the information and perspective so that it gets into English. The Pentagon is forbidden from planting articles in the US press, but this method gets around the prohibition.

Juan Cole.

So umgeht man die kritische Presse im Land und sorgt für die so sehnsüchtig erwartete guten Nachrichten aus dem Irak. Der Blow-Back-Effect schlägt jedoch auch in andere Richtungen Wellen, was manchen Mitgliedern der US-Regierung schlechte Gefühle verursacht. Die von den USA proklamierten demokratischen Werte würden von dieser Praxis unterlaufen, wird von dieser Seite befürchtet:

Eight current and former military, defense and other U.S. officials in Baghdad and Washington agreed to discuss the payments to Iraqi reporters and other American military information operations because they fear that the efforts are promoting practices that are unacceptable for a democracy. They requested anonymity to avoid retaliation.

"Die irakische Presse ist weder frei und unabhängig, noch irakisch" - die Quintessenz dieser Geschichte, wie sie David Isenberg gestern in der Asian Times polemisch zuspitzt, dürfte der irakischen Öffentlichkeit schon länger geläufig sein. Um sich auf dem Laufenden über die Vorgänge im Land zu halten, schaltet man auf al-Jazeera.

"Denkt daran, die halbe Schlacht wird auf dem Schlachtfeld der Medien gewonnen", so äußerte sich ein amerikanischer General zum Skandal: "Sarkawi lügt das irakische Volk an, das amerikanische Militär tut dies nicht." Sieht ganz so aus, als ob das Puppenspiel im Irak lustig weiter geht.